Bund und Länder gehen gegen die Zunahme gesundheitsgefährdender, antibiotikaresistenter Keime vor. Der Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat hat dazu am 26. Juni eine Änderung des Arzneimittelgesetzes (AMG) beschlossen. Mit den Änderungen reagiert der Gesetzgeber auf sich ausbreitende Resistenzen von Krankheitserregern in tierischen Nahrungsmitteln durch die Gabe bestimmter Medikamente.
„Mit der Novelle des Arzneimittelgesetzes können wir die Menge der eingesetzten Antibiotika in der Tierhaltung innerhalb weniger Jahre deutlich reduzieren. Die zuständigen Überwachungsbehörden der Länder sollen dazu deutlich mehr Kontrollbefugnisse erhalten. Der Austausch zwischen den Behörden wird verbessert, die Länder können sich künftig einer bundesweiten Datenbank bedienen. So wird Transparenz über den Einsatz von Antibiotika in Mastbetrieben geschaffen“, teilte Bundesverbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU) mit.
Anstoß für die Gesetzesänderung waren Stichproben der Naturschutzorganisation BUND in Hähnchenfleisch aus Supermärkten vom Januar 2012. Auf mehr als jeder zweiten Probe seien antibiotikaresistente Darmkeime gefunden worden, gab der BUND an. Aigner legte daraufhin einen Entwurf für die AMG-Novelle vor, der jedoch von den rot-grün regierten Ländern im Bundesrat blockiert wurde. Sie forderten vor allem schärfere Kontrollen von Tierhaltern. Mit der Einigung im Vermittlungsausschuss ist nun der Weg frei für die Verabschiedung des Gesetzes im Bundesrat am 5. Juli.
Die Veterinärbehörden der Länder sollen durch die Gesetzesnovelle Betriebe künftig häufiger kontrollieren dürfen. Mast- und Aufzuchtbetriebe müssen in Zukunft an ein bundesweites Register melden, welche und wie viele Antibiotika sie einsetzen. Das Viertel der Tierhalter mit dem höchsten Antibiotikaeinsatz muss einen Plan vorlegen, wie es den Einsatz reduzieren will.
Bei wiederholten Verstößen können die Behörden Betriebe vorübergehend schließen, in besonders schweren Fällen sogar bis zu drei Jahre lang. Behörden dürfen allerdings nicht öffentlich machen, wie viele und welche Antibiotika ein Betrieb welchen Tieren verabreicht hat.
Für den BUND ist das digitale Register jedoch nur ein erster Schritt. „Es wurde die Chance verpasst, alle Bauern zu erreichen und nicht nur die 25 Prozent mit dem höchsten Antibiotikaeinsatz“, sagte BUND-Agrarexpertin Reinhild Benning. Die Umweltschutzorganisation fordert ein Senkungsziel für die gesamte Tierhalterbranche.
Die Niederlande hätten es geschafft, die Menge der in der Tierhaltung verabreichten Antibiotika von 2009 bis 2012 um die Hälfte zu senken, berichtet Benning. Die gleiche Vorgabe will der BUND auch in Deutschland umsetzen. Benning bemängelt außerdem, dass intensiv behandelte Tierarten wie Enten nicht von der Gesetzesnovelle erfasst würden. Auch Schweinezüchter müssten Behandlungsdaten erst dann an das Register melden, wenn die Ferkel vom Muttertier getrennt würden. Schon während des Säugens würden Sauen aber in der Massentierhaltung stark mit Antibiotika behandelt, erklärt Benning.
Studie: Krankmachende Bedingungen ändern
Der grüne Europaparlamentarier Martin Häusling fordert grundsätzlichere Reformen der Tierhaltung. „Will man die Ursachen für den hohen Antibiotikaeinsatz bei Nutztieren bekämpfen, muss man zunächst die krankmachenden Bedingungen in der Nutztierhaltung beseitigen“, heißt es in einer Studie im Auftrag Häuslings. Der Grünen-Politiker verlangt beispielsweise, dass Agrarunternehmen weniger Tiere pro Fläche und Betrieb halten dürfen, damit die Notwendigkeit für den Einsatz von Antibiotika sinkt.
Agrarbetriebe begründen den Einsatz von Antibiotika mit dem hohen wirtschaftlichen Schaden bei der Infektion eines großen Tierbestandes mit einer Krankheit. Zudem sollten nach dem Willen Häuslings wie in Dänemark für die Krankheitsbekämpfung beim Menschen besonders wichtige Antibiotika für den Einsatz in der Tierhaltung verboten werden, um die Entstehung von Resistenzen bei diesen Wirkstoffen zu verhindern.
Die Stichproben des BUND werden grundsätzlich durch staatliche Untersuchungen bestätigt. Von untersuchten Hähnchenfleischproben aus dem Einzelhandel wiesen beispielsweise 58 Prozent resistente Salmonellen-Erreger auf, wie aus dem Bericht zum Zoonosen-Monitoring 2011 des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit hervorgeht.
In Schweine- und Rindfleisch waren die Befunde geringer. Viele Erreger können aber durch ausreichendes Erhitzen unschädlich gemacht werden. Die Bundesanstalt für Risikobewertung (BfR) schrieb dazu im Februar 2012: „Derzeit ist nach Auffassung des Bundesinstituts für Risikobewertung das Risiko für den Verbraucher gering, bei Beachtung der Regeln der Küchenhygiene über Lebensmittel eine Infektion mit antibiotikaresistenten Erregern zu erwerben, die nicht behandelt werden kann.“
Weiterführende Informationen
Pressemitteilung des Bundesverbraucherschutzministeriums zur Novelle des Arzneimittelgesetzes vom 25. Juni 2013
Pressemitteilung der Bundesanstalt für Risikobewertung (BfR) vom 8.2.2012
Zoonosen-Monitoring des Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit
Untersuchung des BUND zu resistenten Keimen in Hähnchenfleisch
Studie von Martin Häusling (MdEP, Grüne) zu Antibiotikaresistenzen [PDF, 4,5 MB]
Antibiotikaresistenzstrategie der Bundesregierung