Ohne Lily Laetitia Lopes Lange und ihre Schwester Laura Maria gäbe es die “Football-for-Future”-App vermutlich nicht. Beide Mädchen engagieren sich bei „Fridays for Future“ und lieferten sich mit ihrem Vater hitzige Diskussionen über nachhaltigen Lebensstil – solange, bis Norbert Lange beschloss, selbst etwas auf die Beine zu stellen.
Da passte es, dass ihn ein Thema schon länger umtrieb – und das betraf Lilys Fußballverein, den FC Iserlohn 46/49, wo sie als B-Juniorin in der Bundesliga spielt: Warum landeten eigentlich so viele Fußballtrikots bestenfalls in der Altkleidersammlung, sobald die Kinder herausgewachsen waren? Dabei waren sie zumeist noch völlig in Ordnung. Und außerdem teuer: Für Familien mit niedrigerem Einkommen werden die regelmäßigen Neuanschaffungen schnell zur Belastung und können im schlimmsten Fall sogar dazu führen, dass Kinder gar nicht erst im Verein angemeldet werden. Oder man versucht dadurch zu sparen, dass man auf Billigware setzt – die bekanntlich weniger lang hält und die in aller Regel zu höheren ökologischen und sozialen Belastungen in den Ländern führt, in denen die Textilien produziert werden.
Viel besser wäre es also, eine Art Second-Hand-Markt im Verein zu etablieren. Die Lösung dafür: eine App, auf der die Mitglieder vereinsintern in einer Art Online-Kleinanzeigenmarkt gebrauchte Sportklamotten verkaufen, verschenken oder tauschen können.
Hamburger Vereine steigen aufs Fahrrad um
Die Iserlohner Initiative ist nur ein Beispiel dafür, dass auch im Vereinssport das Bewusstsein für Nachhaltigkeit steigt. In Hamburg etwa engagieren sich drei Sportvereine – der Eimsbütteler Turnverband, die TSG Bergedorf und der Hamburger Sportbund – seit 2019 für nachhaltige Lebensweisen. Zusammen haben sie das „TEAM GREEN“ initiiert, unter dessen Schirm die beiden Vereine für nachhaltige Lebensweisen werben. Mit diesem Engagement haben sie sich als Gewinner im Ideenwettbewerb „Mobilitätskultur und Nachhaltigkeit” des Rats für Nachhaltige Entwicklung (RNE) durchgesetzt. Im vergangenen Jahr ging es zunächst um klimafreundliche Mobilität und das Fahrrad als Verkehrsmittel. Die Vereine organisierten unter dem Motto „Zweirad statt Allrad“ zum Beispiel einen mobilen Fahrradservice und veranstalteten einen Fotowettbewerb rund um alternative Fortbewegungsmittel.
Auch die Kampagne „Ziele brauchen Taten“ von RENN.west wird von prominenten Sportlern unterstützt: In Filmspots treten Wladimir Klitschko, der am längsten amtierende Boxweltmeister im Schwergewicht, und für den Fußballverein Borussia Dortmund der Profi Julian Brandt, das BVB-Maskottchen „Emma“ und eine Reihe von Borussia-Fans auf. Nicht zuletzt hat der Präsident des Deutschen Fußballbundes (DFB), Präsident Fritz Keller, schon Ende vergangenes Jahr das ehrgeizige Vorhaben angekündigt, dass Deutschland sich während der UEFA EURO 2024 klimaneutral präsentieren solle – und zwar nicht nur in den zehn bespielten Fußballstadien. Es tut sich was in den Vereinen.
Förderung durch den Fonds Nachhaltigkeitskultur
Zurück nach Iserlohn, wo es Norbert Lange gelang, den damaligen Leiter der Mädchen- und Frauenabteilung, Thorsten Kriegesmann, von seiner Idee zu überzeugen. Kriegesmann unterstützte Lange dabei, die Idee für eine Förderung durch den Fonds Nachhaltigkeitskultur einzureichen – erfolgreich. So wurde aus der Idee Wirklichkeit. Und auch wenn sie so einfach klingt: Bisher scheint in Deutschland noch niemand darauf gekommen zu sein. „Ich habe intensiv nach etwas Vergleichbarem gesucht, aber nichts gefunden“, sagt Lange.
Demnächst soll die App sowohl für iOS als auch für Android kostenlos verfügbar sein. Die Vereinsmitglieder – zunächst nur des FC Iserlohn – fotografieren einfach die nicht mehr passenden Fußballschuhe oder -klamotten ab, laden die Bilder in die App und warten dann auf Anfragen von Interessierten. Da sie sich im Verein ohnehin über den Weg laufen, müssen sie die Textilien nicht mal klimaschädlich versenden. „Die Idee ergibt sowohl ökologisch als auch sozial und ökonomisch Sinn“, sagt der 1. Vorsitzende des FC Iserlohn, Jens Breer.
Was sie gebaut hätten, sei eine Art „Schwarzes Brett online“, sagt Lange, der hauptberuflich im Nachhaltigkeitsmanagement eines großen Unternehmens arbeitet. Die Initiatoren haben nun vor, diese schwarzen Bretter auch für andere Vereine anzubieten. So spielt der Programmierer selbst Tischtennis im Verein und hat schon sein Interesse bekundet. Es gibt also noch einiges zu tun. Lange weiß das: „In Deutschland gibt es mehr als 25.000 Fußballvereine“, sagt er.
Auch der RNE plant, in Zukunft das Thema Nachhaltigkeit noch mehr in der ganzen Gesellschaft zu verankern. „Die Sportvereine sind dabei ein wichtiger potenzieller Multiplikator“, sagt RNE-Generalsekretär Marc-Oliver Pahl. „In diesem Sinne haben wir – im Anschluss an erste Projekte der RENN – auch einen Austausch mit dem Deutschen Olympischen Sportbund DOSB und dem Deutschen Fußballbund DFB gestartet.“