Wie schaffen wir es, die Lebensgrundlagen künftiger Generationen zu erhalten? Der Rat für Nachhaltige Entwicklung arbeitet nun seit 15 Jahren daran, diese Frage zum Leitgedanken von Politik und Wirtschaft zu machen. Auf einem Festakt zum Jubiläum machten aktuelle und ehemalige Ratsmitglieder Mut, nicht locker zu lassen. Und mahnten, dass der sozial-ökologische Wandel noch am Anfang stehe.
Soll und Haben, die Zwillingstürme der Deutschen Bank in Frankfurt am Main, entsprechen modernster Gebäudetechnik und sparen seit ihrer 2010 beendeten Renovierung 90 Prozent CO2 ein. Ist die Deutsche Bank nun deshalb nachhaltiger?
Wohl kaum. So sieht es der SPD-Politiker Volker Hauff, von 2001 bis 2010 Vorsitzender des Rates für Nachhaltige Entwicklung. Er wählte das Beispiel auf dem Festakt zum 15-jährigen Jubiläum des RNE, um zu zeigen, was sich in der Diskussion um Nachhaltigkeit künftig ändern muss. „Wenn die Deutsche Bank gleichzeitig weltweit kriminelle Machenschaften im Kreditbereich betreibt, dann hat das nichts mehr mit Nachhaltigkeit zu tun“, sagte er.
Hauffs Grundgedanke: Nachhaltigkeit muss im Kern einer Organisationen verankert sein, ebenso wie im Kern von Politik. Zu oft sei das Thema an isolierten Bereichen festgemacht worden, sagte Hauff in einer nachdenklichen Rede, in der er auch die Flüchtlingsdebatte ansprach. „Wir müssen darüber nachdenken, warum es Flüchtlinge gibt. Das hat, weltweit gesehen, mit den explodierenden Rüstungsexporten, mit der Klimapolitik und mit den ungerechten Handelsbeziehungen zu tun“, sagte er.
Gleichzeitig resümierte er das Erreichte: Es begann mit der Brundtland-Kommission, der UN-Weltkommission für Umwelt und Entwicklung, die unter Hauffs Beteiligung 1987 Nachhaltigkeit zum Thema internationaler Politik machte – und gipfelte vorerst darin, dass die Vereinten Nationen im vergangenen Jahr 17 globale Nachhaltigkeitsziele für alle Staaten verabschiedeten.
Altmaier: "Erfolgsstory ohnegleichen“
Einer der wichtigen Zwischenschritte dabei waren sowohl die deutsche als auch die europäische Nachhaltigkeitsstrategie. Die hätte es ohne den RNE beide nicht gegeben, sagte Kanzleramtsminister Peter Altmaier (CDU). „Was der RNE geleistet hat, ist eine Erfolgsstory ohnegleichen“, lobte der ehemalige deutsche Umweltminister.
Als Grundlage für eine erfolgreiche Nachhaltigkeitspolitik sah Altmaier, dass bei wichtigen Entscheidungen alle demokratischen Parteien im Boot sind – weil Fragen, die über Generationen gehen, auch von unterschiedlichsten Regierungen umgesetzt werden müssten. Wirtschaftswachstum und Nachhaltigkeit müssten kein Gegensatz sein. „Die Länder, die konsolidiert haben, haben jetzt mehr Geld für Umwelt- und Sozialstandards und mehr Geld für Flüchtlingshilfe.“ Auch gelte es, die in den letzten Jahrzehnten in Deutschland entstandene Technikskepsis zu überwinden. Als Beispiel nannte Altmaier die Umwelttechnologie.
„Wir haben uns in den 15 Jahren seit Einrichtung des RNE mit der Nachhaltigkeitsstrategie und der Agenda 2030 große Ziele gesetzt. In den nächsten 15 Jahren gilt es, diese umzusetzen“, resümierte Altmaier.
Diese Umsetzung allerdings werde kein „Kuschelprozess“, sagte Olaf Tschimpke, Ratsmitglied und Vorsitzender des NABU. „Es fehlt in Deutschland noch an der Umsetzung“, sagte Tschimpke, vor allem im Hinblick darauf, wie hierzulande die globalen Nachhaltigkeitsziele der UN implementiert werden. Zu „nachhaltigem Wachstum“ verpflichtet sich Deutschland darin unter anderem, mit entsprechender Effizienz beim Ressourcenverbrauch, die noch lange nicht erreicht ist.
Töpfer: „Wir denken bei uns in Silos"
Wie tiefgreifend der politische Wandel in Deutschland eigentlich sein müsste, zeigte Tschimpke anhand von Parteiprogrammen: „Die Parteien brauchen außerhalb der Agenda 2030 keine Programme mehr formulieren“, appellierte er. Und an die Bundesländer gerichtet: „Es kann nicht sein, dass sich einzelne Länder weder an die nationalen noch internationalen Ziele anpassen und keine eigene Nachhaltigkeitsstrategie haben“, sagte Tschimpke.
Klaus Töpfer, von 2001 bis 2010 Mitglied des RNE, zuletzt als stellvertretender Vorsitzender, appellierte an die Bundesregierung. Die, so kritisierte Töpfer, denke „massiv sektoral“, am konkreten Beispiel: Auf internationaler Ebene sei der Bundesbauminister für nachhaltige Siedlungen nach dem UN-Habitat-Programm zuständig, der Umweltminister für das UN-Umweltprogramm und der Finanzminister für den internationalen Finanzsektor – dass es wechselseitige Abhängigkeiten zwischen diesen Themen gebe, werde nicht beachtet. „Wir denken bei uns in Silos und erwarten von allen anderen außerhalb der Regierung, das Silodenken zu überwinden. Das ist ein Widerspruch.“
Töpfer erinnert an eine Idee, das aufzubrechen: Bei jedem Gesetz, dass dem Bundeskabinett vorgelegt werde, solle nicht nur der Finanzminister eine klare rechtliche Grundlage haben, um die finanziellen Konsequenzen anzusprechen. „Genauso selbstverständlich sollte der Umweltminister die ökologischen und sozialen Konsequenzen benennen“, sagte Töpfer.
Thieme: Nachhaltigkeit ist in aller Munde
Wie wichtig das vor allem im Hinblick auf die Flüchtlingsdebatte ist, darauf machte auch die aktuelle Vorsitzende des RNE, Marlehn Thieme, aufmerksam. „Die spürbaren Konsequenzen nicht nachhaltigen Handelns liegen oft jenseits der Lebenserwartungen der Menschen und oftmals außerhalb Europas.“
Sie fragte, ob sich 15 Jahre Rat für Nachhaltige Entwicklung denn nun gelohnt hätten und zählte die Erfolge auf: Nachhaltigkeit sei in aller Munde, die Energiewende auf dem Weg, es gebe Institutionen wie den Staatssekretärsausschuss für nachhaltige Entwicklung oder den Parlamentarischen Beirat für nachhaltige Entwicklung. Thieme nannte auch die deutsche Nachhaltigkeitsstrategie mit quantifizierbaren Zielen und regelmäßigen Reviews und die Kooperationen zwischen Ländern und Kommunen.
Der RNE habe auch wichtige Impulse an Oberbürgermeister, Unternehmen und Hochschulen weitergegeben. Für die nächsten 15 Jahren sieht Thieme noch viel Arbeit: Bei Nachhaltigkeit in der Sozial- und Gesundheitspolitik, beim Schutz von Böden und Biodiversität, beim Thema Mobilität und Transport, bei der Energieeffizienz oder in der Kulturpolitik. „Bei all dem bleiben oft selbst einfache Wünsche noch offen“, sagte Thieme.
Mehr zu den Positionen von Volker Hauff, Klaus Töpfer, Marlehn Thieme und Olaf Tschimpke zur Nachhaltigkeitspolitik lesen Sie in den ausführlichen Interviews.