Nach deutschem Vorbild veranstaltet Österreich erstmals vom 4. bis zum 10. Oktober Aktionstage für mehr Nachhaltigkeit. Auch im Nachbarland wird Ende September neu gewählt – weshalb eine Überarbeitung der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie derzeit auf Eis liegt. Der zuständige Koordinator glaubt aber, dass sich das nach der Wahl ändern wird, egal wer regiert – schließlich reklamiere Österreich eine Vorreiterrolle in der Nachhaltigkeitspolitik für sich.
Das ist ein Grund, warum die landesweiten Aktionstage gerade mal eine Woche nach der Wahl stattfindet. „Wir wollen Flagge für die Nachhaltigkeitspolitik zeigen und das Selbstbewusstsein der Akteure stärken“, sagt Wolfram Tertschnig, einer der beiden Koordinatoren für Nachhaltigkeitspolitik auf Bundesebene und Abteilungsleiter im Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft, das sich kurz Lebensministerium nennt.
Mit bis zu 200 Aktionen rechnet Tertschnig aus allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens. Ein Kongress über den Einsatz von LED-Laternen ist dabei, eine Kochschule lehrt, wie man aus Lebensmittelresten Leckeres zubereitet, bei einem Fußballmatch zwischen Asylbewerbern und Österreichern geht es um Integration. „Das ist eine ansehnliche Themenbreite für den ersten Anlauf“, sagt Tertschnig. Vorbild sei die Aktionswoche Nachhaltigkeit in Deutschland.
Die Nachhaltigkeitspolitik befindet sich in Österreich gerade im Umbruch. Die Bundesregierung unter Kanzler Werner Faymann hat in der vergangenen Legislaturperiode neben Tertschnig einen zusätzlichen Koordinator für die Nachhaltigkeitsstrategie direkt im Kanzleramt eingesetzt. „Durch die politische Mitverantwortung des Bundeskanzleramts hat das Thema an Gewicht gewonnen“, sagt Tertschnig, weist aber darauf hin, dass der Kanzler in Österreich, anders als in Deutschland, keine Richtlinienkompetenz hat.
Nach den Regionalwahlen im Frühjahr 2013 sind in Österreich zudem in fünf von neun Bundesländern die Grünen an der Regierung beteiligt, in Salzburg, Tirol und Wien stellen sie den stellvertretenden Landeshauptmann. „Auch dadurch hat das Thema Nachhaltigkeit an Dynamik gewonnen“, sagt Tertschnig.
Strukturell ist der Politikbereich in Österreich anders organisiert als in Deutschland. Jedes Bundesland der Alpenrepublik hat einen eigenen Nachhaltigkeitskoordinator, dazu kommen zwei auf Bundesebene. Sie treffen sich regelmäßig, um die Politik der verschiedenen Ebenen zu koordinieren.
Aufgabe für neue Regierung
Erstmals hat sich das Land auf Bundesebene im Jahr 2002 eine eigene Nachhaltigkeitsstrategie gegeben. Momentan wird sie neu verhandelt. Allerdings, sagt Tertschnig, sind die Diskussionen wegen des Wahlkampfes unterbrochen. In Fragen der Sozial-, Bildungs- und Gesundheitspolitik habe es zuvor keine Einigung gegeben. „Im neuen Regierungsprogramm wird es auf jeden Fall einen Auftrag geben, die Erneuerung der Strategie zu beschließen“, glaubt Tertschnig. Spätestens im zweiten Halbjahr 2014 sollte sie beschlossen werden – das wäre allerdings drei Jahre später als geplant. Eigentlich hätte sie bereits zum Rio+20 Gipfel im vergangenen Jahr fertig ein sollen.
Allerdings sind nicht alle so optimistisch. „Im Wahlkampf spielte Nachhaltigkeit kaum eine Rolle“, sagt Michael Proschek-Hauptmann, Geschäftsführer des Umweltdachverbandes in Österreich. „Es ist nicht zu erwarten, dass die neue Regierung das Thema voller Elan angehen wird“, ergänzt er.
Tertschnig dagegen hofft, dass Nachhaltigkeit künftig auch in der Fiskalpolitik oberstes Gebot wird. Zudem setzt er auf einen Sinneswandel: Nachhaltigkeit nicht als Zwang und Belastung, sondern als „Innovationskalkül“, als Weg zu mehr Wettbewerbsfähigkeit. Deshalb entwickelt Österreich derzeit auch einen nationalen Corporate Social Responsibility-Aktionsplan.
An diesen politischen Rahmenbedingungen für CSR sollen sich auch Unternehmen orientieren können, ähnlich der CSR-Strategie der Bundesregierung und dem deutschen Nachhaltigkeitskodex. Zudem fordert Tertschnig eine sozial ausgewogene ökologische Steuerreform: „Wir müssen Arbeit billiger und Ressourcenverbrauch teurer machen“, sagt er.
Weiterführende Informationen
Website der Deutschen Aktionstage Nachhaltigkeit (DAN)
Nachhaltigkeitsportal Österreichs
Umweltdachverband in Österreich