Die Veränderung kommt. Der Kohleausstieg in Deutschland ist beschlossene Sache. Den Strukturwandel in den betroffenen Regionen will die Bundesregierung mit 40 Milliarden Euro fördern. Vor Ort sollen den Menschen neue Perspektiven für die Zukunft eröffnet werden. Das trifft die Generation der unter 25-Jährigen besonders. Denn von den Entscheidungen von heute hängt ab, ob sie dort ihre Zukunft finden. Müssen sie dann nicht mehr mitreden? Wie?
Das ist die zentrale Frage beim „Strukturwandel-Stammtisch“ am 7. März, der Engagierte im Mitteldeutschen Revier zusammenbringt. Im Mitteldeutschen Revier – es liegt südlich von Leipzig – soll wie im Rheinischen und dem Lausitzer Braunkohlerevier spätestens 2038 Schluss sein mit der Kohle. Wo lässt sich dort dann arbeiten und wie lässt sich dort gut leben? Der Stammtisch – er findet in diesen Corona-Zeiten digital statt – ist aber nicht nur in Kohleregionen interessant. Deutschland hat sich vorgenommen, allerorts nachhaltiger zu werden und umzubauen. Und die Initiative im Mitteldeutschen Revier zeigt, wie sich Debatten, sozusagen Lokalrunden, anstoßen lassen und der Austausch von Engagierten gefördert werden kann.
Dazu eingeladen haben der Landesverband Nachhaltiges Sachsen und das Netzwerk Zukunft Sachsen-Anhalt – als Partner von RENN.mitte, das ist eine der deutschlandweit vier Regionalen Netzstellen Nachhaltigkeitsstrategien. Diese besondere Art der Lokalrunde findet bereits zum vierten Mal statt. Es ging schon um die Energiewende, auch um zivilgesellschaftliche Netzwerke. An diesem Tag wollen die Teilnehmenden Ideen entwickeln, wie die Jugend in der Debatte über den nötigen Wandel in der Region zu Wort kommt. Einiges tut sich schon. Das steht am Anfang.
Coaching für Jungpolitikerinnen und Jugendpolitiker
Larissa Donges zum Beispiel ist beim Unabhängigen Institut für Umweltfragen, UfU, zuständig für Umweltgerechtigkeit und Jugendbeteiligung und plant gemeinsam mit der BUNDJugend, der Jugendorganisation des Umweltverbandes BUND, ein Projekt „Mein grün-faires Revier“. Voraussichtlich soll es im Herbst starten, unterstützt durch das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz im Rahmen des Förderprogramms „Kommunale Modellvorhaben zur Umsetzung der ökologischen Nachhaltigkeitsziele in Strukturwandelregionen (KoMoNa)“. Donges und ihre Mitstreitenden wollen zum Beispiel Kontakte zu Jugendzentren aufbauen und dort Workshops zum Strukturwandel anbieten. Ins Leben gerufen werden soll auch ein Coachingprogramm für Jugendliche, die kommunalpolitisch aktiv werden wollen, in dem die sie etwa die Grundlagen der Pressearbeit erlernen können.
Zudem fand im vergangenen November unter dem Motto „Jugend gestaltet Strukturwandel“ ein Planathon in Halle statt. Hierbei handelt es sich um ein neues Beteiligungsformat, in dem junge Menschen Ideen für die Zukunft der Kohleregionen entwickeln und diese mit Expertinnen und Experten aus verschiedenen Bundesministerien und den Bundesländern debattieren. Organisiert wurde der Planathon im Rahmen der Jugendstrategie der Bundesregierung.
Drei Tage lang entwickelten rund 40 16- bis 27-Jährige aus Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Sachsen und Nordrhein-Westfalen 500 Ideen und Projektvorschläge für das Mitteldeutsche, das Rheinische und das Lausitzer Revier. Sie forderten unter anderem gute Universitäten, Freizeit- und Kulturangebote sowie alternative Mobilitätskonzepte.
Online-Plattform für Beteiligung
Ole von Horn, Fridays-for-Future-Sprecher aus Halle war dabei. Die Jugendlichen hätten am Ende eine Jugend-Redaktion gebildet, erzählt er beim Stammtisch. Die erstelle derzeit auf Grundlage der Ideen aus dem Planathon ein Gutachten. In den kommenden Monaten werde es den zuständigen Stellen auf Bundesebene und in den Ländern überreicht. Horn hofft, dass es mit dem Gutachten eine „größere Verbindlichkeit“ gebe, die Ideen in die Politik einfließen zu lassen, als es sonst oftmals bei Beteiligungsformaten der Fall sei.
Und jetzt? Am Ende tragen die Teilnehmenden auf einem Padlet, einer digitalen Pinnwand, zusammen, was sich Weiteres tun kann, auch was zu beachten ist. Wer Jugendliche erreichen will, muss demnach etwa bei sozialen Medien wie Instagram werben. Die Informationskanäle der unter 25-Jährigen sind andere als die der über-50-Jährigen. Außerdem sei auch an Mädchen und Jungen auf dem Land zu denken, nicht nur an jene in den Städten. Und: Wünschenswert sei eine „Plattform für Beteiligung“ im Internet, also eine digitale Liste, auf der Initiativen eingetragen werden können. Zum Beispiel macht auch die Deutsche Kinder- und Jugendstiftung ein Projekt zum Kohlausstieg, #Mission2038 genannt. Mit einer solchen Liste ließen sich Dopplungen besser vermeiden und Netzwerke leichter bilden.