Die Welt ist aus dem Gleichgewicht geraten – und die Menschheit hat jede Menge Probleme. Doch es gibt natürlich Lösungen. Superhelden müssen sie nur finden. Was nach dem eingängigen Drehbuch etlicher Computerspiele klingt, ist auch die Strategie hinter der SDG Entdecker App.
Man stelle sich folgendes Szenario vor: Eine Jugendherberge liegt an einem wunderschönen See. Doch das Idyll wird getrübt von der massiv vorangeschrittenen Schneeschmelze. Der Meeresspiegel steigt und es drohen Überschwemmungen, auch die Jugendherberge könnte in den Fluten untergehen. Die SDG Entdecker App zeigt das Horrorszenario und erklärt, was dahintersteckt. Der Klimawandel schreitet voran, das Ökosystem ist aus dem Gleichgewicht geraten. Doch was kann man dagegen tun?
Die App bietet Lösungen an – und zwar als „scavanger hunt“, einer Art Schnitzeljagd in digital. Der Unterschied zum Klassiker: Es gibt etliche sehr unterschiedliche Aufgaben – und damit die verschiedensten Wege zum Ziel zu kommen. „Die Lösungen sind nicht so eindeutig, sondern man muss im übertragenen Sinne denken“, sagt Malte Bittner. Er ist einer von zwei Geschäftsführern der Firma Scavenger Hunt GbR und hat die App entwickelt. Um die Ecke denken ist nicht nur erwünscht, sondern wird auch mit Bonuspunkten belohnt.
Große Wissenslücken bei den VN-Nachhaltigkeitszielen
Angefangen hat alles mit einem Angebot für Studierende im ersten Semester. Bittner testet das Konzept an Studienanfängerinnen und -anfängern. Und er bemerkt: Es gibt immense Wissenslücken. Bittner vermutet, auch in der Schule wird so gut wie gar nicht über die VN-Nachhaltigkeitsziele gesprochen. Sustainable Development Goals (SDGs)? VN-Leitlinien für ökologische, soziale und ökonomische Verbesserungen weltweit? Was die SDGs eigentlich sind, darüber weiß die breite Öffentlichkeit kaum Bescheid.
„Diese Ziele der Vereinten Nationen sind immens wichtig. Doch kaum einer kennt sie“, sagt Bittner. Kinder und Jugendliche hält er für die Schlüsselzielgruppe. Um sie zu erreichen, kooperiert Bittners Firma mit dem Deutschen Jugendherbergswerk. Spielerisch sollen Schülerinnen und Schüler sowie junge Studierende während ihres Aufenthalts in den Jugendherbergen den 17 Nachhaltigkeitszielen auf die Spur kommen.
Es geht nicht nur um den Klimawandel, sondern auch um unseren Konsum, unseren Alltag. Was hat mein Kleidungsstil eigentlich mit der Ausbeutung von Fabrikarbeiterinnen und –arbeitern in Indien zu tun? Wie viel Müll fällt bei mir zuhause an und was kann man gegen Abfallberge tun? Diesen Fragen nimmt sich die App an. „Das Essentielle bei den SDGs ist doch die Veränderung im Kleinen, im Leben eines jeden Menschen. Nur darüber lässt sich doch wirklich etwas erreichen“, sagt Bittner. Der 29-Jährige ist überzeugt: Viel hängt vom Handeln jedes Einzelnen ab. Ändert sich das Verhalten im Alltag, lässt sich auch Großes bewirken.
Bildung als Schlüssel zur Veränderung
Diese Haltung sowie der kreative Ansatz, über eine App die SDGs einem vor allem auch jungen Publikum bekannter zu machen, hat die Jury der Ausschreibung „Zukunft, fertig, los! – Bildungswettbewerb für Nachhaltigkeit“ des Rates für Nachhaltige Entwicklung (RNE) überzeugt. Die SDG Entdecker App zählt zu den nominierten Projekten aus knapp 100 Einreichungen. Ziel des Wettbewerbs war es, die 17 Nachhaltigkeitsziele stärker im deutschen Bildungswesen zu verankern. Der Wettbewerb richtete sich an Organisationen, Institutionen, Kitas, Schulen sowie Berufs- und Hochschulen.
„Die Begeisterung für die Inhalte der Bildungsangebote ist der Schlüssel für die Veränderung, die wir alle so dringend benötigen. Die Ideen und Wege für Veränderung hin zu nachhaltigerem Handeln sind durch unseren Wettbewerb aufgezeigt – jetzt gilt es diese zu unterstützen“, bewertete das kooptierte RNE-Ratsmitglied Dominik Naab die Auswahl der Nominierten. Die 22 nominierten Projekte haben ihre Ideen im Rahmen des Wettbewerbs potenziellen finanziellen und fachlichen Unterstützern vorgestellt. Rund 50 Prozent der Projekte werden inzwischen gefördert. Die SDG Entdecker App gehört dazu.
Bittner und seine Kollegen wollen nun richtig durchstarten. Helfen soll ihnen dabei die Zusage für eine finanzielle Förderung durch die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) in Höhe von rund 80.000 Euro. Jetzt geht es vor allem um die technologische Entwicklung des Programms, um den Datenschutz und um Ideen, wie die App weiter vermarktet werden kann. Grundsätzlich soll die App im jeweiligen App-Store kostenlos zugänglich sein.
Bittner schwebt vor, dass die SDG Entdecker App fester Bestandteil des Programms bei Klassenfahrten wird. Vorwissen oder viel Vorbereitung ist von den Lehrenden nicht gefordert. Auch dieses Material für die Schule und die Jugendherbergen stellt die App bereit. Im Sommer soll es die ersten größeren Testveranstaltungen geben. „Die Jugendherbergen sind nur der Anfang”, sagt Bittner. Künftig will er auch mit anderen Bildungseinrichtungen zusammenarbeiten. Derzeit ist er auf der Suche nach einer Kooperation mit einer Schule. Die Firma ist in Paderborn angesiedelt, aus dieser Region soll auch der Partner kommen – zunächst soll vor Ort und schließlich auch eine bundesweite Vernetzung folgen.