Wie werden weltweit die globalen Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen vorangetrieben – wer überprüft sie, in den einzelnen Ländern, wer berät die Regierenden unterstützend in der Umsetzung? Einheitlich lasse sich diese Frage kaum beantworten, sagt Dr. Hannah Janetschek, die als wissenschaftliche Referentin in der Geschäftsstelle des Rates für Nachhaltige Entwicklung (RNE) für internationale Partnerschaften zuständig ist. Aber eine wichtige Rolle spielen Nachhaltigkeitsräte oder ähnliche Organisationen, die an einer nationalen Umsetzung der Agenda 2030 arbeiten.
Aus diesem Grund trifft sich vom 17. bis zum 20. Februar in der kolumbianischen Hauptstadt Bogotá erstmals das Globale Forum nationaler SDG-Beratungsorganisationen, nach der Gründung des Netzwerks vergangenen September beim Nachhaltigkeitsgipfel der Vereinten Nationen (VN) in New York. “Es ist unglaublich heterogen, was da an Akteuren dabei ist”, sagt Janetschek. Insgesamt sind es rund 70 Teilnehmende, nur rund ein Viertel kommt aus Europa oder Nordamerika, der Rest aus Afrika, Asien, dem Nahen Osten und Lateinamerika.
Das Netzwerk ist besonders für Entwicklungs- und Schwellenländer wichtig. Während es in Europa beispielsweise mit dem EEAC (European Environment and Sustainable Development Advisory Councils) schon lange ein Netzwerk von Nachhaltigkeitsräten gibt, haben sich in vielen anderen Ländern derartige Organisationen erst etabliert, nachdem die Vereinten Nationen 2015 die Agenda 2030 verabschiedet haben. Um deren Umsetzung ist es derzeit schlecht bestellt, wie die VN im vergangenen Jahr konstatierten. Das liegt vor allem an der globalen Krise des Multilateralismus. Das Netzwerk möchte hier ein Zeichen für partnerschaftliches Voranschreiten entgegensetzen. “Wir können Räte und ähnliche Nachhaltigkeitsakteure in autokratischen Ländern nicht mit einem Demokratisierungsauftrag überfrachten, aber selbstverständlich können sie auch hier mit wertvollen Beiträgen für nachhaltige Entwicklung in die Gesellschaft hineinwirken”, sagt Janetschek.
Deshalb gehe es um konkrete Schritte, wie Organisationen gestärkt werden und Projekte umgesetzt werden könnten. “Im Zuge der freiwilligen Berichterstattung bei den Vereinten Nationen entstanden in den vergangenen Jahren zahlreiche „SDG-Units“, die sehr nah an oder sogar in ihren jeweiligen Regierungen dran sind. Da stellt sich die Frage, wie diese sich auch langfristig mit einer konstruktiven Ratsarbeit in die jeweilige institutionelle Nachhaltigkeitsarchitektur der Länder zur Umsetzung der SDGs einbinden lassen”, sagt Janetschek. In anderen Ländern sei es genau anders herum, da nehmen die Regierenden aus der Zivilgesellschaft entsprungene Multi-Akteurs-Plattformen für nachhaltige Entwicklung kaum wahr – hier gehe es also um die Frage, diese dauerhaft als Nachhaltigkeitsräte zu etablieren.
Unterschiede machen den Gewinn
In der Selbstbeschreibung des Forums heißt es, die Mitglieder generieren durch ihre umfassenden Erfahrungen nachhaltige Entwicklung voran zu bringen, ein breites Spektrum an Wissen, welches wiederum zwischen einzelnen Ländern und Institutionen geteilt und weiterentwickelt wird. Gerade in den Unterschieden der Akteure liege der Gewinn des Austauschs . In Vietnam beispielsweise richtet die Wirtschaft seit 2018 einen nationalen Kongress für Nachhaltige Entwicklung aus, an dem auch hochrangige Politikerinnen und Politiker wie der stellvertretende Ministerpräsident teilnehmen. In Südafrika wiederum hat sich eine Allianz aus Zivilgesellschaft und Gewerkschaften gebildet, die am ersten freiwilligen Bericht, dem Voluntary National Review (VNR) des Landes über die Implementierung der SDGs mitgearbeitet haben. Der Bericht fiel differenziert aus und zählt Fortschritte beispielsweise bei der Geschlechtergleichheit auf – 41 Prozent der Abgeordneten im Parlament waren 2016 weiblich. Allerdings leide das Land weiterhin unter massiver sozialer Ungleichheit und Gewalt gegen Frauen.
Eines der Ziele des Gründungstreffens in Bogotá ist es nun, den Multistakeholder-Ansatz in den einzelnen Ländern zu stärken, wie ihn Südafrika gerade aufbaut. Das heißt, Nachhaltigkeitsräte sollen möglichst viele Akteure umfassen, denn nur so lässt sich der Dialog in den Gesellschaften fördern. Die Räte oder ähnlichen Gremien sollen dabei weder die Agenda der Regierung abnicken noch sich auf scharfe Kritik aus der Zivilgesellschaft beschränken, vielmehr geht es um konstruktive Beteiligung und Umsetzungsmaßnahmen für nachhaltige Entwicklung.
Konkret könnte es auf dem Treffen in Bogotá erste Partnerschaften zwischen Ländern geben, etwa bei Projekten zum Aufbau erneuerbarer Energien oder bei der Frage, wie Städte und Kommunen Nachhaltigkeitspläne erstellen können. Ein weiterer Punkt soll die Frage behandeln, wie einzelne Länder ihre Nachhaltigkeitspolitik unabhängig überprüfen lassen können, etwa in Form von Peer Review Prozessen. Am Ende des Treffens soll ein Arbeitsprogramm bis Ende 2021 stehen.