Bauwende unterwegs: Nachhaltig bauen mit Carbonbeton

Die Zementindustrie gilt als besonders klimaschädlich. In Dresden steht das weltweit erste Gebäude aus Carbonbeton. Kann das Material das Bauen revolutionieren?

Es soll eine Art Grundstein für die Bauwelt von morgen sein: Das erste vollständig aus Carbonbeton gebaute Haus der Welt. Es steht in Dresden. Cube heißt es, Würfel. Der klassische Beton, der zur Zeit wichtigste Baustoff der Menschen, er hat kaum noch eine Zukunft.

Zu groß sind die Probleme: der massenhafte Verbrauch an Sand, Kies, Wasser; die enormen Treibhausgasemissionen, die beim Herstellen des Zements entstehen, der im Beton steckt. Rund 8 Prozent der globalen CO2-Emissionen gehen auf das Konto der Zementindustrie. Das ist mehr als doppelt so viel wie in Afrika ausgestoßen wird. Carbonbeton gilt als die grünere, nachhaltigere Alternative.

Wird ein Haus gebaut, werden bisher Stahlgitter in Wänden oder Fußböden installiert und dann mit Beton ausgegossen. Der Stahl sorgt für Haltbarkeit und Tragfähigkeit. Allerdings rostet er, wenn Feuchtigkeit an ihn rankommt. Um das zu verhindern, muss der Beton dick aufgetragen werden. Das ist bei Gittern aus Carbon anders, sie können nicht rosten und müssen nicht so stark ummantelt werden. So kann Beton gespart werden – je nach Bauteil bis zu 80 Prozent.

Darum hat der Rat für nachhaltige Entwicklung (RNE) zusammen mit der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) in der gemeinsamen Reihe „Bauwende unterwegs“ Ende Juni in die sächsische Landeshauptstadt eingeladen – in den Cube im Dresdener Univiertel.

Alle Stühle sind besetzt, Leute aus Wissenschaft, Bauwirtschaft, Verwaltung und Politik zusammengekommen. „Dresden gilt als Innovationszentrum für den Baustoff. Hier kann man live und in Farbe sehen, was Carbonbeton schon kann“, sagte Jan Korte, wissenschaftlicher Referent beim RNE, der die Reihe koordiniert.

Carbonbeton rechnet sich

Beim Cube geht – trotz seines Namens – eine geschwungene Betonwand ins Dach über. Mit herkömmlichem Beton wäre das kaum denkbar. „Wir wollten zeigen, was technisch und wirtschaftlich möglich ist“, sagte Oberbauleiter Matthias Tietze. Sie arbeiteten zusammen mit dem Münchener Architekturbüro Henn, im Betonwerk Oschatz wurden Wände hergestellt. Mit Carbon scheinen neue Formen und Gestaltungen denkbar. Aber ist Carbon nicht teuer?

Das schon, erklärte Frank Schladitz vom Verband C3 – Carbon Concrete Composite. Doch die ressourcenschonende, dünne Bauweise mache das wieder wett. Die Wände sind nicht wie sonst beim Strahlbeton üblich 44 Zentimeter dick, sondern nur 26. Zudem werde auch noch Platz gewonnen, meinte Schladitz, der sich vermarkten lasse und somit auszahle. Der Lärm- oder Wärmeschutz leide darunter auch nicht.

Es sei aus ökologischer Sicht zwar am besten, Bauten zu erhalten statt neu zu bauen, meinte Schladitz. Doch wolle die Bundesregierung pro Jahr 400.000 Wohnungen schaffen, auch Schulen müssten gebaut, Brücken saniert werden. Das Holz der Wälder? Reiche dafür alleine nicht. Recyclingbeton? Es hake oft noch an der Zulassung. Naturfasern? Die Qualität schwanke. Das mag mancher anders sehen. Doch in mehr als 200 Bauprojekten ist Carbonbeton schon eingesetzt worden.

Carbon für die Sporthalle

Die neue Sporthalle einer Grundschule in Dresden etwa soll in vielen Bereichen aus Carbonbeton gebaut werden. In der rund 555.000-Einwohner-Stadt ist auch eine große Brücke, die Carolabrücke, mit dem Material saniert worden. Ein Vorteil: Mit dem schweren herkömmlichen Material hätte es auf der Brücke aus statischen Gründen nicht mehr Platz für Radler und Fußgänger geben können, mit Carbon schon. Die Rad- und Gehwege seien verbreitert worden, erklärte Stephan Kühn, der Baubürgermeister der Landeshauptstadttadt Dresden, die sich vorgenommen hat, bis 2035 klimaneutral zu werden.

An dem Carbonbeton hat über Jahre hinweg ein Team von Wissenschaftler*innen der Technischen Universität Dresden geforscht. Die ersten Ansätze dazu liegen etwa 30 Jahre zurück. 2016 erhielten sie dafür bereits den Deutschen Zukunftspreis Technik und Innovation des Bundespräsidenten, zuletzt den Publikumspreis der DGNB Sustainability Challenge 2023. Nach und nach komme das Material nun in der Branche an, meinte Schladitz: Selbst der Deutsche Ausschuss für Stahlbeton, ein Fachgremium zur Förderung des Betonbaus, habe mittlerweile einen Unterausschuss dazu gegründet.

Das ganze Haus aus Carbonbeton ist indes noch immer einzigartig. Der vom Bundesforschungsministerium geförderte Cube ist ein Anschauungsobjekt – was für die Zukunft alles geht. Genutzt wird er nun als Veranstaltungsort. Angelina Wenzel, die die Reihe „Bauwende unterwegs“ von Seiten der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen betreut, lud in Dresden bereits nach Bad Aibling in Oberbayern ein, zur nächsten Station. Thema dort am 21. Juli: Einfach bauen.

Zur Reihe „Bauwende unterwegs“

Die Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) und das vom Rat für Nachhaltige Entwicklung (RNE) koordinierte Gemeinschaftswerk Nachhaltigkeit bieten 2023 eine neue Eventreihe an. Unter dem Titel „Bauwende unterwegs“ finden monatlich gemeinsame Veranstaltungen statt, bei denen Interessierte Vorzeigeprojekte des nachhaltigen Bauens hautnah erleben können. Darüber hinaus geht es um die regionale Vernetzung von Akteuren der Bauwende – von Architektur über Bauwirtschaft und Handwerk zu Kommunen, Wissenschaft und Zivilgesellschaft. Mehr Informationen: www.gemeinschaftswerk-nachhaltigkeit.de