Der Name klingt nach einem schicken Hotel: Bellevue di Monaco. Doch dahinter steckt mehr: besonderes Engagement. In der Münchener Altstadt, Müllerstraße 2 bis 6, will ein Zusammenschluss von Bürgerinnen und Bürgern drei leerstehende Häuser zu einem Zuhause für bis zu 40 junge Flüchtlinge umbauen. Räume für Beratungen zum Asylrecht, ein Info-Café und Kulturraum für Veranstaltungen soll es darüber hinaus geben. Wie bringt man ein Projekt voran, das als wegweisend gilt?
Der Rat für Nachhaltige Entwicklung (RNE) hat Bellevue di Monaco jetzt ausgezeichnet. Er hat es zu einem seiner Werkstatt N-Projekte 2016 gewählt. Das Qualitätssiegel, mit dem kein finanzieller Preis, aber Anerkennung und öffentliche Aufmerksamkeit verbunden ist, wird jedes Jahr für 100 Projekte und Ideen vergeben, die zeigen, wie Deutschland sich nachhaltig entwickeln kann.
Dieses Jahr sind auch viele Projekte unter den Ausgezeichneten, die zeigen, wie sich Einwanderung und das Zusammenleben von Geflüchteten und Einheimischen gestalten lässt. In der Jury sitzen Experten aus Wissenschaft und Wirtschaft, die sich mit der sozial-ökologischen Transformation seit Jahren beschäftigen. Stephanie Adler, wissenschaftliche Referentin beim RNE und u.a. für die Werkstatt N zuständig, sagt es so: „Deutschland redet derzeit erregt über Flüchtlinge, zugleich gibt es aber aller Orten positives Engagement.“ Das wolle die Werkstatt N „würdigen“.
Den Schwabinger Kulturmanger Till Hofmann freut das. Er ist einer der Köpfe hinter Bellevue di Monaco. Zusammen mit anderen aus der Sozial- und Kulturszene Münchens hat Hofmann auch schon die Satire-Gruppe Goldgrund gegründet und auf Missstände auf dem Münchener Wohnungsmarkt aufmerksam gemacht. Goldgrund machte sich schon 2013 für das jetzige Bellevue-Ensemble stark.
Es sind aus dem 19. Jahrhundert stammende Häuser plus ein Eckhaus in 50er Jahre-Architektur, die bislang der Stadt München gehören. Der Abriss war längst beschlossen. Doch Hofmann und seine Leute ließen eine Wohnung dort renovieren und stellten ein Video davon ins Netz. Dennoch hielt die Stadt zunächst weiter am Abbruch fest.
Dann kamen immer mehr Flüchtlinge. „Sie wurden in Hallen außerhalb der Stadt einquartiert, ohne Perspektive, Teil unserer Stadtgesellschaft zu werden“, sagt Hofmann. Er und seine Leute wollten das ändern.„Wir nahmen uns vor, Flüchtlinge und Münchener mitten in der Stadt zusammenzubringen.“
Vorbilder in Wien und Augsburg
Ihre Vorbilder: Das Integrationshaus in Wien, in dem heute ein Team von 100 Menschen, die insgesamt 40 Sprachen sprechen, Zuwanderer berät. Und: Das „Grandhotel Cosmopolis“ in Augsburg, wo ein einstiges Altenheim umgebaut wurde in einen Ort, der eine Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber und einen herkömmlichen Hotelbetrieb miteinander verbindet.
Im August 2014 stellten Hofmann und seine Mitstreiter das erste Konzept für Bellevue di Monaco vor. Sie redeten mit den Politikern der Stadt. Sie holten sich weitere Mitstreiter wie den Jugendhilfeverein für Sozialarbeit hinzu. Und sie organisierten Großkundgebungen wie „Platz da!“ gegen Rassismus mit. Anders gesagt: Sie machten aus der Müllerstraße 2 bis 6 ein Politikum.
Dann, im Februar 2015, nahm die Stadt den Abrissbeschluss zurück. Knapp ein Jahr lang blieb unklar, wer die Häuser nutzen darf. Vor einigen Tagen hat der Münchener Stadtrat entschieden, das Grundstück für 40 Jahre in Erbpacht an Hofmann zu vergeben. Genauer: An die von ihm mit anderen Engagierten extra gegründete Sozialgenossenschaft.
Zudem erhält Bellevue 1,7 Millionen Euro von der Stadt als Sanierungszuschuss. Nun sollen die drei Häuser „zügig, kostengünstig und mit viel Beteiligung von Freiwilligen umgebaut werden“, so die Bellevue-Initiatoren. Im Frühjahr nächsten Jahres soll ihr Projekt in Betrieb gehen.
Bleibt eine Frage: Lässt sich Bellevue di Monaco nachmachen, von Leuten, die nicht wie Münchener Kulturschaffende vernetzt sind? „Man muss sich nur zusammentun und dann auch professionell rangehen mit Sozialpädagogen, Architekten und Anwälten“, rät Hofmann. „Es gibt genug Leute, die etwas tun wollen.“