„Die betriebliche Altersversorgung kann einen wesentlichen Impuls zur Transformation des Kapitalmarktes leisten”, sagt Alexander Bassen, Professor für Betriebswirtschaftslehre mit dem Schwerpunkt Kapitalmärkte und Unternehmensführung und Mitglied im Rat für Nachhaltige Entwicklung (RNE). „Durch ihre langfristige, an den Interessen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ausgerichtete Zielsetzung drängt es sich förmlich auf, Nachhaltigkeitskriterien bei der Anlageentscheidung konsequent zu berücksichtigen”, so Bassens Analyse.
Klimaschutz und Nachhaltigkeit stärker in der betrieblichen Altersversorgung (bAV) zu verankern: Das hatte die Tagung zum Ziel, zu der der RNE zusammen mit der Verbraucherzentrale Bremen und dem WWF am 29. Mai nach Berlin eingeladen hatte. Bei der bAV handelt es sich keineswegs um eine Nische an den Kapitalmärkten, das machte Heribert Karch, Vorstandsvorsitzender der Arbeitsgemeinschaft für betriebliche Altersversorgung (aba) und Metallrente-Geschäftsführer, in seiner Keynote klar: Immerhin 575 Milliarden Euro verwalteten die Anbieter im Jahr 2015 in Deutschland. Und so hatten sich rund 60 Interessierte trotz sommerlicher Hitze in der Berliner Stadtmission zusammengefunden, um den Keynotes, Vorträgen und Panel-Diskussionen von Interessenvertretern aus Politik, von Verbänden und NGOs zuzuhören. Die leitende Frage: Wie könnte ein Umdenken bei der bAV dazu beitragen, dass die Kapitalmärkte künftig stärker auch die so genannten ESG-Kriterien in ihre Entscheidungen einbeziehen – also ökologische und soziale Aspekte sowie die Art der Unternehmensführung („Environment Social Governance“).
Betriebliche Altersversorgung: Hoher Aufklärungsbedarf
Auf die Begrüßung durch Rita Schwarzelühr-Sutter, Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesumweltministerium, folgte aba-Vorstandvorsitzender Heribert Karch, der zu dem Schluss kam: „Die bAV kann kein Trendsetter sein, aber sie kann Trends aufnehmen.” RNE-Mitglied Alexander Bassen verwies in seiner Einführung auf das Potenzial des Hub for Sustainable Finance, die Initiative des RNE und der Deutschen Börse AG, die seit Sommer 2017 gemeinsam daran arbeiten, ihre Nachhaltigkeitsaktivitäten im Finanzsektor zu koordinieren und weiter voranzutreiben: „Der Hub bietet eine Plattform für weitere Akteure und Initiativen, die zu einem nachhaltigen Finanzsystem in Deutschland beitragen wollen”, erläuterte er.
Für Mitorganisatorin Ulrike Brendel, Leiterin des Projekts „Gut fürs Geld, gut fürs Klima” bei der Verbraucherzentrale Bremen, besteht bei dem Thema weiterhin erheblicher Aufklärungsbedarf.
Viele Menschen hätten zwar schon einmal von einem ethisch-ökologischen Investmentfonds oder einer Nachhaltigkeitsbank gehört. Weniger bekannt hingegen sei, dass „auch bei der Anlage der bAV-Beiträge ethische, soziale oder ökologische Kriterien eine Rolle spielen können”. Positiv bewertet sie, dass die Anbieter schon seit über 15 Jahren dazu verpflichtet seien, im Rahmen des Versicherungsaufsichtsgesetzes Angaben darüber zu machen, ob und wie sie ethische, soziale und ökologische Belange berücksichtigen. Auf der bAV-Tagung hatten eine Reihe von Praxisbeispielen den aktuellen Stand dieser Berichtspflicht und deren Beitrag zu mehr Transparenz illustriert.
Auswirkungen der EbAV-II unklar
Intensiv diskutierten die Teilnehmenden auch über eine europäische Richtlinie zu den Tätigkeiten und der Beaufsichtigung von Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung, die EbAV II, die bis zum Januar 2019 in deutsches Recht gegossen werden muss. Mittlerweile liegt der Referentenentwurf für die nationale Umsetzung der Richtlinie vor. Im Rahmen eines öffentlichen Konsultationsprozesses wurde er den Verbänden und weiteren Stakeholdern mit der Aufforderung zur Kommentierung zugeschickt.
Der RNE bittet in seiner Stellungnahme in dem Gesetzentwurf unter anderem vorzusehen, dass Versicherungsunternehmen über ein Nachhaltigkeitsmanagement im Sinne des Deutschen Nachhaltigkeitskodex (DNK) sowie insbesondere ein wirksames internes Kontrollsystem verfügen müssen. Außerdem weist er darauf hin, dass sich neue Risiken, etwa im Kontext des Klimawandels, vor allem aus nicht nachhaltiger Entwicklung von Naturgütern, Sachwerten und Sozialkapital ergeben. Einblicke in die Logik der Richtlinie bot der Vortrag der Hamburger Rechtsanwältin Heidi Pätzold von der Hamburger Kanzlei r.hs, in dem sie auf eine Reihe von Fallstricken in der europäischen Richtlinie hinwies. Trotz aller Widersprüche kommt jedoch auch Pätzold zu dem Schluss, dass der Prozess, Nachhaltigkeit im Finanzwesen zu verankern, gerade massiv Fahrt aufnehme.
„Die Veranstaltung hat gezeigt, dass einige Anbieter beim Thema nachhaltige Kapitalanlagen sehr engagiert sind und entsprechende Anlagekriterien berücksichtigen”, sagt Verbraucherschützerin Brendel. Sie seien Best Practice-Beispiele, die zeigten, was möglich, aber weiterhin die Ausnahme sei. Zwar setze sich immer mehr die Erkenntnis durch, dass ESG-Faktoren bei der Risikoanalyse berücksichtigt werden müssten – allerdings noch nicht flächendeckend: „Umso gespannter schauen alle Akteure auf die von der EU-Kommission vorgeschlagenen Maßnahmen zur Sustainable Finance.” Brendel zielt damit auf die ersten Gesetzgebungsvorschläge zum Thema ab, die im Mai auf den Weg gebracht wurden, beruhend auf dem nachhaltigen Aktionsplan der EU-Kommission aus dem März dieses Jahres.