Der große Tag beginnt für Stefanie Engelbrecht erstmal mit einem kleinen Schock. Die Materialien für die Präsentation beim Speed-Dating für #SDGBildung des SDG-Bildungswettbewerbs des Rates für Nachhaltige Entwicklung (RNE) haben es nicht mit nach Berlin geschafft. Sehr ärgerlich für Engelbrecht vom Hamburger Projekt „Spielplatz Zukunft“. Dabei hätte sie so viel zu zeigen: Denn sie arbeitet mit Kindern und Jugendlichen, die aus Holz- oder Metallresten Neues bauen, alte Gegenstände upcyceln. „Macht gar nichts“, sagen die Förderinnen und Förderer, die sich beim SDG-Speed-Dating an Engelbrechts Tisch setzen. „Erzählen Sie lieber, was Sie vorhaben.“
Und das kann Engelbrecht ohne zu zögern. Rund fünf Minuten lang erzählt sie von „Minitopia“, einem Ort für Kinder, an dem sich alles um Nachhaltigkeit und Kreativität dreht. „Wir wollen und können aus dem Nichts ganz viel erschaffen, ohne dass wir viel investieren.“ Seit 2017 steht der Initiative ein passendes Grundstück in Hamburg zur Verfügung, das Kinder und Jugendliche nach der Schule nutzen können. Ganz ohne Geld geht es aber auch bei Engelbrecht nicht. Sie braucht Kontakte und Unterstützer. Schon nach der ersten Speed-Dating-Runde mit potenziellen Förderern hat sie nicht nur jede Menge Visitenkarten vor sich liegen, sondern auch ein konkretes Angebot für einen Förderantrag. Engelbrecht nickt zufrieden.
Junge Menschen brauchen Zugang zu Bildungsangeboten für mehr Nachhaltigkeit
Der „Spielplatz Zukunft“ ist eines von 22 nominierten Projekten des SDG-Bildungswettbewerbs des RNE. Insgesamt sichtete die Jury rund 100 Vorschläge. Vor allem Hochschulen, Vereine oder Stiftungen hatten sich beworben. Zum Speed-Dating mit den Projekten kamen Vertreter von Unternehmen, von Stiftungen oder Ministerien. „Bei der Auswahl und der Sichtung der Beiträge haben wir viel Tatendrang gespürt“, sagt Dominik Naab, kooptiertes Mitglied des Rates für Nachhaltige Entwicklung (RNE) und Bundesvorsitzender der Deutschen Pfadfinderschaft Sankt Georg. „Hier werden Menschen vereint, die den gesellschaftlichen Wandel gestalten wollen.“
Für Naab spielt für die Umsetzung der globalen Nachhaltigkeitsziele (SDGs) die Jugend eine enorm wichtige Rolle. „Junge Menschen möchten diese Welt nachhaltiger gestalten“, sagt Naab, der auch Leiter der Wettbewerbs-Jury war. „Wir müssen ihnen entsprechende Zugänge verschaffen.“
Die globalen Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen wurden 2015 von der Weltgemeinschaft beschlossen. Sie sollen den Weg weisen, wie Armut weltweit bekämpft, wie die Umwelt besser geschützt und ein Wandel unserer Lebensweisen funktionieren kann. Bildung ist für Naab dabei ein zentraler Aspekt und letztlich der Schlüssel zu mehr Nachhaltigkeit. „Nachhaltigkeit muss in allen Fächern in der Schule oder an den Hochschulen verankert werden.“ Er hofft, dass ein solcher Wettbewerb zur Vernetzung einzelner Akteure einlädt und weitere Bildungsprojekte für eine nachhaltige Entwicklung anstößt. Er soll auch ein Beitrag zur Umsetzung des Nationalen Aktionsplans Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) sein.
Große Bandbreite an Nachhaltigkeitsprojekten
Die Initiativen, die sich beworben haben, könnten unterschiedlicher nicht sein. Sie sind lokal verortet, laufen bundesweit oder gar global, einige docken an bestehende Strukturen an, andere wollen komplett neue Ansätze. Sie agieren im Großen wie im Kleinen. So ist beispielsweise ein Zusammenschluss verschiedener Nachhaltigkeitsbüros an Universitäten dabei, genauso wie eine Initiative, die Kindern Landwirtschaft verständlich machen und einen Weltacker inmitten die Hauptstadt Berlin bringen will. Anderen geht es um Alternativen zu unserem Konsumverhalten oder darum, wie Jugendliche ihre Mitschüler begeistern können, bei der Umsetzung und Vermittlung der globalen Nachhaltigkeitsziele zu unterstützen.
Wie am Fließband potenzielle Förderer „gedated“ werden können, versteht auch jeder Ideengeber in der Villa Elisabeth in Berlin-Mitte anders. Manche haben ausgefeilte Präsentationen mitgebracht, inklusive Business-Plan, der genau auflistet, wie viel Geld und Zeit gebraucht wird, bis das Projekt Wirklichkeit wird. Andere zeigen mit Fotos und Postern, wie ihre Vision aussieht. Allen gemeinsam sind die Begeisterung und die Überzeugung, dass mehr Nachhaltigkeit im Alltag möglich ist.
Umweltbildung vorantreiben
Margot Obländer-Zech kennt die unterschiedlichsten Nachhaltigkeitsinitiativen seit langem. Sie vertritt den CVJM Pfalz. Umweltbildung ist für sie Alltag. Ihre Idee für den Wettbewerb: Ein Waldmobil. „Wir wollen Kinder in Bewegung bringen“, sagt Obländer-Zech. Welche Tiere und Pflanzen gibt es im Wald zu entdecken? Was kann man überhaupt dort machen? Warum hängen Klima- und Waldschutz eigentlich zusammen?
Viele Kinder – und auch Erwachsene – kennen darauf keine Antwort. Das will Obländer-Zech ändern. Mit erlebnispädagogischen Angeboten für alle Kinder, ganz gleich, woher sie kommen oder ob sie körperlich oder geistig eingeschränkt sind. Wie das funktionieren kann, weiß Oberländer-Zech ganz genau. Sie braucht dazu vor allem ein Transportmittel, am besten einen Bus, der die Kinder an den Ort bringt, den sie im schlimmsten Fall nur aus dem Bilderbuch kennen: Den Wald. Wie viel Geld sie für ihr Projekt braucht, kann sie noch nicht sagen. Viel wird es vermutlich nicht sein, um die Idee umzusetzen.
Auch die Macher der App Naturblick zieht es ins Freie. Aber mit Hilfe digitaler Technik. Ihre App soll den Städtern zeigen, welche Tiere und Pflanzen es in ihrem Umfeld gibt. Die Software erkennt, welcher Vogel gerade zwitschert und zeigt nicht nur den Namen an, sondern auch jede Menge zusätzliche Informationen zu der Vogelart. Auch Pflanzen lassen sich über die App bestimmen. Projektleiterin Ulrike Sturm ist überzeugt, dass sich noch viele weitere Funktionen über Naturblick verbinden lassen. Die App wurde am Museum für Naturkunde entwickelt und ist kostenlos. Das soll auch so bleiben. Die Macher sind besonders an einer starken Verbreitung der App interessiert – zum Beispiel an Schulklassen oder an Referendare in der Lehrerausbildung.
Die Förderer sind sich am Schluss des Speed-Dating-Treffens einig: Alle Projekte verdienen Unterstützung. Wie diese Hilfe aussehen kann, muss sich noch erweisen. Beim Speed-Dating gilt das Gespräch als Kür. Was danach passiert, liegt in den Händen der Projektvertreterinnen und -vertreter und der Förderinnen und Förderer.