Wasser, Luft, Sonne. Aus diesen Zutaten haben Forscher Kerosin hergestellt – zumindest im Labor. Fluglinien wollen ihren Treibstoff mittlerweile aus Müll, Pflanzenresten oder Algen herstellen und CO2-neutral expandieren. Experten erkennen zwar die Öko-Bemühungen der Luftfahrtbranche an, sind aber skeptisch, wenn damit ein ungebremstes Wachstum begründet wird.
Es klingt wie eine kleine Revolution, was Forscher der ETH Zürich da in einem Youtube-Video vorstellen: Aus Kohlendioxid, Wasser und Licht entsteht Schritt für Schritt reines Kerosin. Im Labor ist es noch Kunstlicht, das konzentriert wird und Cerium-Oxid auf 1500 Grad aufheizt. Das Material gibt seinen Sauerstoff ab, wird abgekühlt und erzeugt aus Kohlenstoffdioxid (CO2) und Wasser Kohlenmonoxid und Wasserstoff. Für das Aufheizen lässt sich auch jederzeit Sonnenlicht einsetzen.
Aus dem Kohlenmonoxid und Wasserstoff, dem sogenannten Synthesegas, lassen sich anschließend mit dem in der Industrie bereits seit langem verwendeten Fischer-Tropsch-Verfahren Diesel, Benzin oder Kerosin herstellen. Mit dieser etablierten Methode hat der Älkonzern Shell dann in Amsterdam aus dem Solar-Synthesegas Kerosin hergestellt. Bisher wird das 1925 entwickelte Fischer-Tropsch-Verfahren verwendet, um aus Kohle oder Erdgas Diesel oder Kerosin zu produzieren.
Zum ersten Mal ist damit nun Solarkerosin hergestellt worden. „Unser Ziel ist es, langfristig eine attraktive Alternative zu fossilen Kraftstoffen und Biokraftstoffen anbieten zu können“, schreibt Michael Lagemann vom gemeinnützigen Verein Bauhaus Luftfahrt, der zusammen mit der ETH Zürich, Shell und dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt in dem EU-geförderten Projekt „Solar Jet“ forscht.
In den letzten Jahren laufen eine ganze Reihe Forschungsprojekte, um Fliegen weniger klimaschädlich zu machen. British Airways hat kürzlich bekannt gegeben, einen Standort für das Green Sky Project gefunden zu haben, bei dem ab 2017 aus Londoner Abfall jährlich 50.000 metrische Tonnen Kerosin hergestellt werden sollen. Bei dem Verfahren der amerikanischen Firma Solena Fuels (hier als Video) wird Müll auf 3500 Grad erhitzt, um ebenfalls Synthesegas und anschließend Kerosin zu gewinnen.
Einsatz erst in 20 Jahren
Die Lufthansa, die bereits im Jahr 2011 Probeflüge mit Biokerosin unternommen hat, will ebenfalls eine Solena-Anlage errichten. Der Verein Aireg, in dem hauptsächlich deutsche Unternehmen und Forschungseinrichtungen erneuerbare Flugtreibstoffe erforschen, listet eine ganze Reihe derartiger Bemühungen auf.
Allerdings zeigen Studien, dass die Treibstoffe vorerst keine signifikante Senkung des CO2-Ausstoßes im Flugverkehr bedeuten. „Man hört ständig von revolutionären Möglichkeiten, woraus man Kerosin machen kann. Das meiste ist noch im Laborstadium. Die großtechnische Anwendung ist etwas ganz anderes“, sagt Michael Müller-Görnert, Luftfahrtexperte beim Verkehrsclub Deutschland.
Er sieht die Gefahr, dass die alternativen Kraftstoffe als Argument für ein ungebremstes Wachstum des Flugverkehrs genutzt werden. Das ist auch genau die Strategie der International Air Transport Association (IATA), die 84 Prozent der zivilen Luftfahrt repräsentiert. Die Mitgliedsunternehmen wollen ab 2020 wachsen, ohne dabei den CO2-Ausstoß zu erhöhen – allerdings ist das nicht mehr als eine unverbindliche Absichtserklärung.
Aireg verspricht, nur Kraftstoffe aus Pflanzenresten, Abfällen oder aus Nüssen von auch auf kargen Böden wachsenden Pflanzen wie Jatropa-Bäumen verwenden zu wollen, um Konkurrenz zum Lebensmittelanbau zu vermeiden. Doch trotz der jahrelangen „Tank oder Teller“-Diskussion setzen künftig wahrscheinlich auch die Automobilindustrie und die Schifffahrt auf derartige Biotreibstoffe. „Da wird es eine große Konkurrenz um die Nutzung dieser Treibstoffe geben“, schätzt Müller-Görnert.
Klimaschädlich trotz Biokraftstoff
Zudem würde selbst eine komplette Umstellung des Luftverkehrs auf Biotreibstoffe den Klimawandel noch weiter verstärken. Die Flugzeuge emittieren dann zwar nur so viel CO2, wie zuvor Pflanzen aufgenommen haben – theoretisch also ein klimaneutraler Kreislauf. Allerdings wird das Kohlendioxid in großen Höhen ausgestoßen und entfaltet einen stärkeren Treibhauseffekt.
Damit bleibt auch bei einem kompletten Umstieg auf Biokraftstoffe die Hälfte des Klimaeffekts der Luftfahrt erhalten, rechnet Daniela Thrän vor, Leiterin des Departments Bioenergie am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung. „Kraftstoffe wie Solar Jet, die mithilfe erneuerbarer Energien Kerosin erzeugen, werden zudem frühestens in 20 Jahren zur Verfügung stehen“, sagt Thrän, die Kraftstoffe aus Biomasse in einer Studie untersucht hat.
Trotzdem sieht sie in den Forschungen weit mehr als nur Greenwashing. „Die Luftfahrt hat verstanden, dass sie echte Alternativen zum herkömmlichen Kerosin braucht, wenn sie langfristig nicht auf massiven Kosten für den Klimaschutz sitzen bleiben will“, sagt sie.
Auch der Verein Bauhaus Luftfahrt macht sich bezüglich des Entwicklungsstadiums bei Solar Jet keine Illusionen: Momentan findet sich nur ein Prozent der Energie des eingestrahlten Lichtes im Kerosin gebunden wieder. Moderne CSP-Kraftwerke, die aus konzentriertem Sonnenlicht Strom erzeugen, haben einen bis zu 20-mal höheren Wirkungsgrad. Als nächsten Schritt soll nun eine kleine Anlage entstehen, die echtes Sonnenlicht verwendet und genug Solarkerosin erzeugt, um zumindest ein kleines Flugzeug anzutreiben.
Insgesamt müsse der Wirkungsgrad auf zehn Prozent erhöht werden, schreiben die Wissenschaftler, was aber durchaus machbar sei. „Wir denken dass die Technologie in etwa 15 Jahren in größerem Ausmaß eingesetzt werden kann und technologisch ausgereift ist“, schreibt das Bauhaus Luftfahrt. Ob das solare Kerosin dann auch ökonomisch tragfähig ist, das hänge aber vom Ölpreis und vielen anderen Faktoren ab.
Weiterführende Informationen
Solar-Jet, Projekthomepage
Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung,
Kurzstudie Ökoinstitut zur Effizienz strombasierte Kraftstoffe, 2013