Die Singapore Stock Exchange verlangt ab 2016 von allen gelisteten Unternehmen einen Nachhaltigkeitsbericht – und schließt sich damit anderen Handelsplätzen an, etwa Toronto oder Shanghai. Damit übernehmen Börsen eine wichtige Vermittlerfunktion, um Investoren davon zu überzeugen, in nachhaltig wirtschaftende Unternehmen zu investieren.
Ohne Kapital können Unternehmen nicht wirtschaften, ob nachhaltig oder nicht. Allerdings bekommen ausgerechnet nachhaltige Unternehmen vom Kapitalmarkt nur einen kleinen Teil der verfügbaren Finanzmittel. Nach Zahlen des Deutschen Fondsverbands BVI und des Forums Nachhaltige Geldanlagen machen nachhaltige Investments in Deutschland lediglich 1,5 Prozent des Marktes aus.
Managern fällt es immer noch schwer, Investoren vorzurechnen, welche Geschäftsmöglichkeiten ihnen durch Nachhaltigkeit entstehen, obwohl eine aktuelle Studie von oekom research belegt, dass ein gutes Nachhaltigkeitsrating ein belastbarer Indikator für wirtschaftlichen Erfolg ist. Nicht einmal jeder zehnte professionelle Kapitalanleger fühlt sich durch die betroffenen Unternehmen ausreichend informiert, ergab kürzlich eine Umfrage für die Initiative Principles for Responsible Investment (UN PRI) der Vereinten Nationen.
Damit nachhaltige Unternehmen mehr Kapital erhalten, muss aber nicht nur die Qualität der Informationen für den Kapitalmarkt verbessert werden. Auch die Zahl der Unternehmen, die über die Nachhaltigkeit ihres Geschäftes nach anerkannten Standards berichten, ist zu klein. Beim internationalen Nachhaltigkeitsgipfel Rio+20 im Jahr 2012 sprachen sich die Vereinten Nationen dafür aus, dass Unternehmen Nachhaltigkeitsberichte erstellen sollten. Vorreiter sollen große, börsennotierte Unternehmen sein.
Börse in Singapur nimmt Unternehmen in die Pflicht
Die Börsen selbst übernehmen dabei eine aktive Rolle, indem sie die bei ihnen gelisteten Unternehmen dazu verpflichten, Informationen über ökologische und soziale Indikatoren zu veröffentlichen. Die Handelsplätze übernehmen quasi eine Rolle, die in anderen Ländern staatliche Institutionen haben.
So hat der Europäische Rat Ende September beschlossen, dass große europäische Unternehmen ab 2017 über die Nachhaltigkeit ihrer Geschäfte Bericht erstatten müssen. In acht anderen Ländern schreiben dagegen Börsen solche Berichte bereits vor, so die 2009 von der UN gegründete Sustainable Stock Exchanges Initiative (SSE) in ihrem aktuellen Jahresbericht.
Die größten Finanzplätze darunter sind die Börsen im kanadischen Toronto und in Shanghai. Die dort gelisteten Firmen haben einen Aktienwert von jeweils über zwei Billionen US-Dollar. Mit dabei sind auch Handelsplätze in Indien, Malaysia, Sri Lanka, Thailand und Norwegen. Künftig wird auch die Singapore Stock Exchange (SGX) ihre Mitglieder zur Nachhaltigkeitsberichterstattung verpflichten, kündigte der Vorstandsvorsitzende der SGX, Magnus Bocker, vor kurzem an.
Voraussichtlich ab 2016 sollen die dort gelisteten rund 800 Firmen über Nachhaltigkeitsindikatoren berichten oder zumindest erklären, warum sie dies nicht tun. Dieses Report-or-Explain-Prinzip ist international üblich. Noch schärfer sind aber die Vorschriften der Toronto Stock Exchange (TMX). Kanadische Firmen müssen unverzüglich über Neuigkeiten bei wesentlichen Umwelt- oder Sozialaspekten informieren.
Solche Ad-hoc-Meldungen sind in der Regel für Informationen vorgeschrieben, die den Börsenkurs eines Unternehmens deutlich beeinflussen können. Nach deutschem Aktienrecht fallen darunter beispielsweise Warnungen über sinkende Gewinnaussichten. Nachhaltigkeitsberichte dagegen erscheinen hierzulande auf freiwilliger Basis als jährliche Zusammenfassungen oder sogar nur alle zwei Jahre.
Indizes liefern prägnante Informationen
In einigen Ländern ignorieren Unternehmen die Pflicht zur Nachhaltigkeitsberichterstattung jedoch weitgehend, sodass freiwillige Initiativen der Börsen sogar effektiver sein können, schreibt die UN-Handelsbehörde UNCTAD in einem Leitfaden. Dazu zählt sie vor allem Hilfen bei der Einführung von Nachhaltigkeitsberichten, moderierte Workshops, Schulungen und öffentlichkeitswirksame Wettbewerbe.
Freiwillige Initiativen ermöglichten Unternehmen, zunächst das erforderliche Wissen über Nachhaltigkeitsmanagement aufzubauen, heißt es in dem Leitfaden. Etwa ein Dutzend Börsen weltweit unterstützen der SSE-Übersicht zufolge Unternehmen bei der Einführung eines Nachhaltigkeitsmanagements.
Workshops und andere Veranstaltungen sowie einen Best-Practice-Guide bietet auch die Deutsche Börse für Unternehmen an. Eine Verpflichtung zur Berichterstattung will der Handelsplatz aber nicht einführen. „Freiwilligkeit ist für die Deutsche Börse ein wesentlicher Baustein einer glaubwürdigen und transparenten Berichterstattung“, schreibt eine Sprecherin, „Unternehmen sollen die Möglichkeit erhalten, die Vorteile einer ganzheitlichen Berichterstattung zu erkennen und für sich nutzbar zu machen, sie jedoch nicht aufoktroyiert bekommen.“
Eine weitere wichtige Maßnahme, nachhaltige Investitionen zu unterstützen, bietet allerdings auch der deutsche Handelsplatz. Wie rund zwei Dutzend Börsen weltweit erstellt die Deutsche Börse Indizes nachhaltiger Unternehmen. Investoren bekommen auf diese Weise qualifizierte Informationen über nachhaltige Möglichkeiten der Kapitalanlage.
Weiterführende Informationen
Jahresbericht der Sustainable Stock Exchanges Initiative (SSE) [pdf, 3,5 MB]
Nachhaltigkeitsprofile internationaler Börsen
Mitteilung der Börse in Singapur zur verpflichtenden Berichterstattung
Infoportal der Deutschen Börse zu nachhaltigen Wertpapieren
Mitteilung der Deutschen Börse zum Beitritt zur SSE
Leitfaden der UNCTAD für Börsen [pdf, 543 KB]