Die Potsdamer Regierung beschließt eine Nachhaltigkeitsstrategie. Vom Kohleabbau und der Kohle-Stromerzeugung will das Land aber nicht abrücken. Das ruft Kritik von Fachleuten und Umweltverbänden hervor.
Brandenburgs Landesregierung hat nach mehrjährigem Vorlauf und unter Beteiligung von Bürgern, Verbänden und Experten erstmalig eine Nachhaltigkeitsstrategie verabschiedet. „Die umfassende Beteiligung aller betroffenen gesellschaftlichen Gruppen und Akteure war für mich von Anfang an außerordentlich wichtig“, betont Umweltministerin Anita Tack (Die Linke).
Denn die nachhaltige Entwicklung sei ein gesamtgesellschaftlicher Lern- und Gestaltungsprozess. Am Ende der Diskussion steht ein Programm mit rund 200 Einzelmaßnahmen, deren Umsetzung freilich noch aussteht.
Bekenntnis zur Braunkohle
Ein Kern- und damit auch Kritikpunkt ist der Umgang des Landes mit den Braunkohlevorkommen. Die Stromerzeugung in den Kohlekraftwerken sorgt für 65 Prozent der CO2-Emissionen Brandenburgs. Dazu beansprucht der Abbau des Rohstoffes im Lausitzer Revier große Landflächen, die nach der Nutzung rekultiviert werden müssen. Die Landesregierung sieht keinen Widerspruch zwischen Nachhaltigkeit und Kohleabbau und -verstromung.
„Zu beachten ist, dass die Braunkohleindustrie von wirtschaftlicher und sozialer Bedeutung in der Lausitz ist“, heißt es im Strategiepapier. Außerdem weist das Stromexportland auf eine gesamtgesellschaftliche Verantwortung hin: „Aus heutiger Sicht kann auf flexible konventionelle Kraftwerke für eine Übergangszeit – zur Gewährleistung einer sicheren und preiswürdigen Stromversorgung als Ergänzung zu den erneuerbaren Energien – nicht verzichtet werden.“
Immerhin hat sich das Land Klimaschutzziele gesteckt. Diese sind, im Gegensatz zu Zielen in anderen Handlungsfeldern, in den meisten Fällen terminiert. Momentan stoßen die Privathaushalte und Unternehmen 59,5 Millionen Tonnen CO2 im Jahr aus. Bis 2030 will Brandenburg die Menge der Emissionen auf 25 Millionen Tonnen senken.
Einsparungen sollen vor allem durch moderne Kraftwerkstechnologien, bei der Mobilität und der Wärmeerzeugung erzielt werden. Die Regierung spricht nur vage von einer „weitestgehend kohlenstofffreien“ Energieversorgung im Jahr 2050. Dies löst Kritik bei Umweltverbänden, aber auch beim Nachhaltigkeitsbeirat des Landes hervor.
Klimaschutzziele werden nicht erreicht
„Es ist jetzt schon absehbar, dass die Klimaziele nicht erreicht werden“, sagt Axel Kruschat, der Landesgeschäftsführer des BUND. Er geht davon aus, dass sogar weitere Kohlegruben eröffnet werden, zum Beispiel Jänschwalde-Nord. „Dieser Tagebau kommt“, versichert Kruschat. Tatsächlich lässt die Passage im Strategiepapier diesen Schluss zu.
Die Landesregierung werde eine „Entscheidung zur energiewirtschaftlichen Notwendigkeit treffen“, lautet die entsprechende Formulierung. Zudem könnte laut Kruschat mit Welzow-Süd II ein weiteres Fördergebiet in Angriff genommen werden. Zusammen mit dem Naturschutzbund Deutschland (Nabu) haben die Experten des BUND ihre Kritik an der Nachhaltigkeitsstrategie in einer Stellungnahme veröffentlicht, die allerdings noch einmal an die endgültige Fassung der Regierungspläne angepasst werden soll.
Nachhaltigkeitsbeirat hält Kohle und Nachhaltigkeit für unvereinbar
Auch der Nachhaltigkeitsbeirat (NHB) des Landes kritisiert die Fortführung des Bergbaus und der Kohle-Stromerzeugung. „Eine dauerhafte Braunkohlenutzung ist mit einer nachhaltigen Entwicklung nicht vereinbar“, heißt es in einer Stellungnahme des NHB. Der Vorsitzende des Gremiums, Manfred Stock vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung, sieht in der Strategie aber die Chance für eine Diskussion über die Fragen, wie lange die Kohleförderung noch sinnvoll ist und welche alternativen Entwicklungschancen es für die Lausitz gibt.
Die Wissenschaftler des NHB hoffen, dass die Strategie eine Aufbruchstimmung in Brandenburg initiiert. Neben dem Klimaschutz fokussiert Brandenburg weitere Handlungsschwerpunkte. Städte und Dörfer sollen lebenswert bleiben oder wieder werden, zukunftsfähige Finanzpolitik und nachhaltige Bildungslandschaft werden gleichfalls angestrebt. Auch die biologische Vielfalt soll erhalten werden. Dazu besteht ein eigenständiger Maßnahmenplan, der unter anderem die Ausweitung des Anteils ökologisch bewirtschafteter Flächen auf 20 Prozent vorsieht.
„Ich sehe in allen Handlungsfeldern der Nachhaltigkeitsstrategie einen Nachbesserungsbedarf“, erläutert Stock. So bedrohe Fehl- oder Übernutzung von Land und anderer Ressourcen sowie der Klimawandel massiv die Leistungsfähigkeit des Ökosystems. Dieser Aspekt werde jedoch kaum beachtet. Die Kommunen setzten zu sehr auf tradierte Infrastrukturen und Leistungsangebote, die den Bedürfnissen der Menschen nicht mehr gerecht würden.
Eine Bezugnahme der brandenburgischen Strategie auf die nationale und die europäische Nachhaltigkeitsstrategie wird erwähnt aber nicht näher spezifiziert. In Deutschland haben oder entwickeln derzeit zehn weitere Bundesländer eine Nachhaltigkeitsstrategie.
Weiterführende Informationen
Nachhaltigkeitsstrategie Brandenburgs, Download u.a.