Breite Akzeptanz und sozialer Ausgleich: Klimageld ja oder nein?

Der RNE fordert einen Ausgleich für den CO2-Preis, allerdings in anderer Form als bisher angedacht: Alternativen könnten ein höheres Wohngeld und eine Mobilitätsprämie sein

Auf dem Foto sieht man ein Sparschwein mit bunten Punkten, in dessen Schlitz eine Hand eine zwei Euro Münze einwirft.

Ab 2027 soll der deutsche CO2-Preis in ein europäisches Emissionshandelssystem für Heizen und Verkehr übergehen. Über den freien Markt geregelt, könnten steigende CO2-Preise vor allem private Haushalte belasten. Foto: Rieken-fotografie.de/Christof Rieken

Für viele Haushalte wird es finanziell immer enger: Seit 2021 steigt der CO2-Preis stetig an, das Heizen mit Erdgas wird immer teurer, genau wie das Tanken mit Öl und Sprit. Und ab 2027 dürfte es noch kritischer werden: Dann soll der deutsche CO2-Preis in ein europäisches Emissionshandelssystem für Heizen und Verkehr übergehen. Er wird dann nicht mehr wie bisher von der Bundesregierung festgelegt, sondern über den freien Markt geregelt. Dann könnte der CO2-Preis schnell stark steigen und vor allem auch private Haushalte stark belasten.

Darum müsse gegengesteuert werden, fordert Reiner Hoffmann, der Vorsitzende des Rates für Nachhaltige Entwicklung (RNE): „Die Botschaft an die neue Bundesregierung ist eindeutig: Menschen mit niedrigen und mittleren Einkommen brauchen einen Ausgleich. Wir müssen über eine soziale Differenzierung nachdenken. Und dabei berücksichtigen, das einkommensschwache Haushalte – obwohl sie einen geringeren CO2-Fußabdruck haben – überproportional durch höhere Kosten für Heizen, Energie und Mobilität belastet werden.“

Schon im Koalitionsvertrag von 2021 hatte die mittlerweile zerbrochenen Ampelregierung festgehalten, Preisanstieg und soziale Härten mit einem „Klimageld“ ausgleichen zu wollen. Umgesetzt wurde dieses Versprechen nicht. Nun wird die kommende Bundesregierung darüber entscheiden. CDU und CSU versprachen in ihrem Wahlprogramm eine „CO2-Bepreisung mit sozialem Ausgleich“. Und die SPD erklärte, dafür Sorge zu tragen, dass „niemand überfordert wird“.

Es bleibt abzuwarten, was aus diesen Versprechen wird. Aber wie müsste nun ein Klimageld ausgestaltet sein, das soziale Härten abfedert? Zu dieser Frage hat der RNE eine Studie in Auftrag gegeben: Das Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft und das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung, beide mit Sitz in Berlin, haben untersucht, wie ein Klimageld ausgestaltet sein müsste und wie Alternativen aussehen könnten.

Der CO2-Preis wird auf alle gängigen Brennstoffe erhoben, die den Klimawandel anheizen. Erst Anfang dieses Jahres ist er von 45 Euro auf 55 Euro pro Tonne CO2 gestiegen. Der Preis pro Liter Benzin oder Diesel zum Beispiel stieg um etwa drei Cent. So sollen Anreize geschaffen werden, in Energiesparmaßnahmen zu investieren und auf klimafreundliche Alternativen umzusteigen, etwa auf ein E-Auto.

Härtefälle bedenken

Nur: Für alle, die ohnehin mit wenig auskommen müssen, ist das kaum machbar. Wer mit dem Auto zur Arbeit pendeln muss, muss auch die höheren Preise an der Zapfsäule zahlen. Dabei ist für diese Menschen jeder Euro eines höheren CO2-Preises den sie zusätzlich aufwenden müssen, eine viel größere Belastung als für Besserverdienende. Gerecht ist das nicht. „Deshalb werden verschiedene Klimageld-Modelle diskutiert, die soziale Härten wirklich ausgleichen“, sagt Professor Kai Niebert, als Präsident des Deutschen Naturschutzrings und ebenfalls RNE-Mitglied.

Da sei zunächst die pauschale Variante: Das über den CO2-Preis vom Staat eingenommene Geld soll zu Teilen wieder an die BürgerInnen zurückgegeben werden, und zwar gleichmäßig pro Kopf. Wer viel CO2 verursacht – sind statistisch gesehen Menschen mit mehr Geld durch größere Wohnungen, Autos, mehr Flugreisen – zahlt unterm Strich drauf, wer klimafreundlich lebt, profitiert. Aber: Auch wer kein Auto fährt und keine Spritkosten hat, würde vom Klimageld profitieren.

„Härtefälle sind damit nicht ausgeschlossen“, sagt Niebert: „Wer ein geringes Einkommen hat, eine weite Anfahrt zur Arbeit und eine Ölheizung in der Wohnung, wird nicht gezielt entlastet.“ Darum gebe es auch die Idee, das Klimageld so zu staffeln, dass diejenigen, die es am nötigsten brauchen, am meisten bekommen.

Regionales Klimageld hilft bedingt

Als Beispiel gilt Österreich. Dort erhalten die Bürger 145 Euro Klimageld im Jahr. Dazu kommt ein Regionalausgleich. Er liegt zwischen 50 und 145 Euro. Dabei gilt: Er ist umso höher, je schlechter die Anbindung an Busse und Bahnen, also je schlechter der öffentliche Personennahverkehr in der Region ausgebaut ist. In der neuen RNE-Studie haben die Experten das Österreichische Modell jetzt auch für Deutschland durchgerechnet.

Dazu haben sie die Landkarte in vier Regionstypen eingeteilt, in „Großstädte“, „Mittelstädte, „städtische Räume“ und „Kleinstädte/dörfliche Räume“, ausgehend von der Annahme, dass der CO2-Preis in ländlichen Räumen stärker zu Buch schlägt, weil Wege mit dem Auto länger, Wohnungen vergleichsweise oft schlechter gedämmt, größer und mit Ölheizungen ausgestattet sind.

Am Ende aber haben die AutorInnen festgestellt: „Im Vergleich zu einem einheitlichen pro-Kopf Klimageld ergeben sich keine signifikanten Unterschiede.“ Zwar könnten die durchschnittlichen Belastungsunterschiede zwischen den Regionen ausgeglichen werden. Doch ändere sich die Zahl der Härtefälle, die über das Klimageld hinaus weitere Hilfen benötigten, „nicht nennenswert“. Sie verlagerten sich nur von den ländlicheren in die städtischeren Räume. Wer ernsthaft soziale Härten durch steigende CO2-Preise vermeiden wolle, müsse andere Instrumente prüfen, die Haushalte mit geringem Einkommen und großem Energieverbrauch gezielt entlasten.

In Frage komme daher eine Erhöhung des Wohngeldes, um hohe Heizkosten zu kompensieren und die Entwicklung einer Mobilitätsprämie, sagt Niebert: „Diese müssten einkommensabhängig und regional differenziert die Mehrkosten für den Sprit zumindest annähernd auffangen. Und beides müsste einfach zu beantragen sein, damit es jene, die es wirklich brauchen, auch in Anspruch nehmen.“

Entlastungen treffsicher

Bleibt eine Frage: Das Klimageld gilt als ein Mittel, um die Akzeptanz für einen CO2-Preis in der Bevölkerung insgesamt zu erhöhen. Was wird daraus, wenn es in Wohngeld und Mobilitätsprämie aufgeht? Niebert, der an der Universität Zürich zur Nachhaltigkeit forscht, meint: „In der Schweiz gibt es wie in Österreich schon ein Klimageld. Die Akzeptanz für Klimaschutz hat es aber nicht erhöht.“

Für ihn sei maßgeblich, dass die kommende Bundesregierung auf treffsichere Entlastungen durch die Klimageld-Alternativen setze: „Aus den Einnahmen durch den CO2-Preis stünde mehr Geld zur Verfügung, um Deutschland klimafreundlich umzubauen.“ Das sei langfristig die beste Absicherung gegen steigende Energiepreise.

Für den RNE-Vorsitzenden Hoffmann stehen die Akzeptanz für den klimaneutralen Umbau unserer Wirtschaft und der soziale Zusammenhalt auf dem Spiel: „Ein Klimageld allein wird nicht reichen. Menschen müssen sich ein klimaneutrales Leben auch leisten können. Dafür müssen wir massiv in unsere Infrastrukturen investieren.“ Dazu gehöre ein „attraktiver öffentlicher Personennahverkehr und eine zuverlässige Bahn genauso wie bezahlbares Wohnen.“ Zudem sieht er im Umbau der Wirtschaft „enorme Chancen für neue Arbeitsplätze mit guten Tariflöhnen und sicheren Zukunftsperspektiven“.