Jetzt sind alle am Zug: Die Bundesregierung will ein „Nationales Programm zum Nachhaltigen Konsum“ ins Leben rufen und damit die Bürger zu bewussten Kaufentscheidungen ermutigen. Lucia Reisch, Vorsitzende des Sachverständigenrates für Verbraucherfragen und Mitglied des Rats für Nachhaltige Entwicklung, lobt diese und andere Maßnahmen als „einschneidende Veränderung“.
Es sind Entscheidungen, die von der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen werden und trotzdem die nachhaltige Entwicklung wirklich voranbringen können: Erst Ende März nach anfänglichem Zögern mehrere internationale Unternehmen dem Textilbündnis von Bundesentwicklungsminister Gerd Müller beigetreten, das die „sozialen, ökonomischen und ökologischen Bedingungen“ entlang der gesamten Lieferkette des Textil- und Bekleidungssektors“ verbessern will. Den Schritt begrüßten auch NGOs wie Oxfam Deutschland.
Weil Deutschland das Thema Nachhaltigkeit nun international so stark vertrete, gebe es ein Momentum, meint Reisch. „Deutschland muss jetzt auch liefern“, sagt sie. Reisch begrüßt vor allem, dass in der geplanten Neufassung der deutschen Nachhaltigkeitsstrategie auch der nachhaltige Konsum integriert und statistisch erfasst werden soll.
Ansätze für mögliche Indikatoren gibt es in der Wissenschaft zahlreiche. Reisch verweist auf Untersuchungen des imug Institut für Markt-Umwelt-Gesellschaft e.V. an der Leibniz Universität Hannover oder auch konzeptionelle Vorarbeiten des Umweltbundesamtes.
Wie aber sieht es praktisch aus, wenn die Regierung nachhaltigen Konsum stärken will? Konkret sollen Siegel wie der Blaue Engel erweitert oder Webseiten wie www.siegelklarheit.de ausgebaut werden. Grundsätzlich lasse sich das Thema nicht verordnen, sondern nur über „einen umfassenden gesellschaftlichen und dialogorientierten Prozess über konsumbezogene Werte und nachhaltige Lebensweisen“ vermitteln, heißt es in dem Beschluss.
„Es geht um Dinge, die wahrnehmbar und greifbar sind, die funktionieren“, sagt Reisch. Sie nennt als Beispiel das Thema Fleischkonsum. Sinkt der Verbrauch, ist das als positive Entwicklung eine einfache Kennzahl, die jeder versteht.
Fleischkonsum als Beispiel
Die negativen Umweltauswirkungen von zu hohem Fleischkonsum, Landverbrauch durch Tierhaltung oder Tierschutzaspekte sind leicht darstellbar, einleuchtend und bereits in der öffentlichen Diskussion. Dazu kommen persönliche Vorteile, weil ein niedriger Fleischkonsum der Gesundheit förderlich ist. Die Logik dahinter ist die einer Suffizienzstrategie, die unter dem Motto „weniger ist mehr“ an die Vernunft einzelner zu einem maßvollen Konsum appelliert.
Noch ziemlich am Anfang sieht Reisch allerdings den Ansatz ein „integratives Verständnis der verschiedenen Politikfelder“ zu entwickeln. Dabei sollen die Unternehmens-, Handels-, Produkt- und Verbraucherpolitik für eine Förderung des nachhaltigen Konsums koordiniert werden. Was das genau heißt, bleibt vage – Reisch nennt als ein Beispiel für Reformbedarf, dass in der Handelspolitik teilweise der Export von Gütern wie Fleisch subventioniert wird, obwohl gleichzeitig der Konsum an Fleisch sinken soll.
Zudem schließt sich Reisch der Kritik vieler Umweltschutzverbände an der derzeitigen Politik auf EU-Ebene an. „In Europa ist das Momentum verloren gegangen. Momentan werden im Namen der Deregulierung viele Umweltstandards zurückgeschraubt“, kritisiert Reisch.
Weiterführende Informationen
Neue Mitglieder im Textilbündnis
Imug-Studie zu Indikatoren für Nachhaltigen Konsum [pdf, 2,5 MB]
Studie zu Indikatoren für Nachhaltigen Konsum, Umweltbundesamt [pdf, 2,2 MB]
Abschlusserklärung G7-Gipfel Elmau [pdf, 379 KB]