Die UN-Dekade Bildung für nachhaltige Entwicklung ist Ende 2014 ausgelaufen. Die Bundesregierung zögert allerdings mit der Umsetzung des Nachfolgeprogramms. Bisher seien keine Arbeitsstrukturen etabliert, kritisiert Gerhard de Haan, Vorsitzender des deutschen Nationalkomitees der UN-Dekade. Der Bundestag hat die Regierung fraktionsübergreifend zum Handeln aufgefordert.
Den Abgeordneten des Deutschen Bundestages ist bewusst, wie wichtig es ist, den Gedanken der Nachhaltigkeit in die Bildungspläne zu integrieren – vom Kindergarten bis zur Hochschule. Anfang März debattierte das Hohe Haus darüber, wie Deutschland ein von der UN ausgerufenes Weltaktionsprogramm umsetzen kann. Die Aussagen waren eindeutig:
- „Bildung für nachhaltige Entwicklung ist eine Voraussetzung, notwendige Antworten auf die drängenden Zeitfragen zu finden.“ (Sybille Benning CDU/CSU)
- „Wer Verantwortung für die Zukunft übernehmen will, muss Nachhaltigkeit zur obersten Maxime machen. Bildung für Nachhaltigkeit ist der Weg dazu.“ (Saskia Esken, SPD)
- „Bildung für nachhaltige Entwicklung beschreibt einen Weg, um die Welt im Gleichgewicht zu halten.“ (Beate Walter-Rosenheimer, Grüne)
- Grundsätzliche Zustimmung, aber inhaltliche Kritik gab es von der Fraktion Die Linke: „Das gute Anliegen, die Bildung für nachhaltige Entwicklung voranzubringen, wird so leider nicht umgesetzt.“ (Rosemarie Hein, Die Linke)
Am Ende verabschiedeten die Abgeordneten einen Antrag, der die Bundesregierung auffordert, Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE)„in größerem Maße fortzuführen als bisher“ – allerdings explizit ohne weitere Haushaltsmittel dafür einzuplanen.
Die Debatte dahinter schwelt schon seit Jahren und ähnelt der Frage, wie Nachhaltigkeit in Unternehmen implementiert werden kann: Nicht als zusätzliches Programm von außen, sondern als integraler Grundgedanke des Handelns. Man müsse „Nachhaltigkeit bezogen auf das jeweilige Fach wirklich durchbuchstabieren“, sagt Gerhard de Haan, Professor für Zukunfts- und Bildungsforschung und kooptiertes Mitglied des Rates für Nachhaltige Entwicklung. BNE müsse „vom Projekt zur Struktur“ weiterentwickelt werden, schreibt de Haan und greift einen oft geäußerten Grundgedanken auf.
"Schleppende Konkretisierung"
De Haan hat in einem Statement für den Parlamentarischen Beirat für nachhaltige Entwicklung des Deutschen Bundestages Anfang Februar die Bundesregierung kritisiert. „Die schleppende Konkretisierung der Initiative [das Weltaktionsprogramm, a.d.R.] auf Bundesebene hat zu erheblichen Irritationen auf Seiten der Akteure geführt“, sagt er. So sei unklar, ob die Arbeitsgruppen der vergangenen Dekade beibehalten und ob die Länder eingebunden werden. Es gibt bisher weder einen nationalen Aktionsplan noch eine Schwerpunktsetzung zur Umsetzung des Weltaktionsprogramms.
In der vergangenen Dekade zur BNE koordinierte ein Nationalkomitee von circa 30 Vertretern aus Politik, Wissenschaft, Unternehmen und NGOs die Initiativen. Es gab zudem einen Runden Tisch, zehn Arbeitsgruppen, etwa zur beruflichen Bildung, zu Kommunen, zu außerschulischer Bildung oder zu Hochschulen. Diese Arbeitsgruppen setzen momentan ihre Arbeit fort. Rund 2000 Projekte sind hierzulande in zehn Jahren ausgezeichnet worden.
Im Bundestag stieß die Arbeit in der Fraktion Die Linke allerdings auch auf Kritik: Laut der Abgeordneten Rosemarie Hein nutzten manche Firmen die Programme zur nachhaltigen Bildung, in dem sie Lehrmaterial bereitstellten und dabei Eigenwerbung betrieben.
BMBF-Reaktion
Trotz Vorlage eines Positionspapiers des Nationalkomitees im November 2013 und Verabschiedung des Weltaktionsprogramms im November 2014 ist teilweise noch unklar, wie die Strukturen zur nachhaltigen Bildung in Deutschland künftig genau aussehen sollen.
Fest steht bisher nur, dass es in Deutschland unter der Leitung von Cornelia Quennet-Thielen, Staatssekretärin im Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), eine Nationale Plattform geben soll, einen jährlichen Kongress zum Austausch der beteiligten Akteure und weiterhin BNE-Projekte ausgezeichnet werden sollen. Als „wissenschaftlicher Berater“ der Nationalen Plattform ist de Haan im Gespräch, als „politischer Berater“ Walter Hirche, ebenfalls Mitglied des Rates für Nachhaltige Entwicklung.
Das für die Implementierung zuständige BMBF hat bis Redaktionsschluss keine Stellungnahme abgegeben.
Weiterführende Informationen
Fraktionsübergreifender Antrag des Bundestages zum Weltaktionsprogramm [pdf, 157 KB]
UN-Dekade und Weltaktionsprogramm zu Bildung für nachhaltige Entwicklung
Endbericht zur UN-Dekade [pdf, 5,3 MB]
Bundestag unterstützt Weltaktionsprogramm
Artikel Podiumsdiskussion zum Weltaktionsprogramm für nachhaltige Bildung
Veranstaltung PBNE zum Thema Bildung für Nachhaltigkeit, Kritik de Haan
Ausgezeichnete Dekade-Projekte
Positionspapier des Nationalkomitees [pdf, 410 KB]