Eigentlich hätten die Mitgliedsstaaten der EU die Richtlinie zur nichtfinanziellen Berichtspflicht von Oktober 2014 bis spätestens 6. Dezember 2016 in nationales Recht umsetzen müssen. In diesem Jahr allerdings wird der Bundestag es nicht mehr schaffen, das entsprechende CSR-Gesetz zu verabschieden.
Die Verzögerung führt zu Verunsicherung betroffener Unternehmen. Yvonne Zwick, wissenschaftliche Referentin in der Geschäftsstelle des Rates für Nachhaltige Entwicklung, berichtet von entsprechenden Fragen von Unternehmen und Branchenverbänden.
Das federführende Bundesjustizministerium beruhigt allerdings; es legte den Entwurf zur Umsetzung der Berichtspflicht im September 2016 vor: „Auch wenn das CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz wegen der andauernden Beratungen erst Anfang 2017 vom Deutschen Bundestag verabschiedet werden sollte, soll es nach derzeitigem Stand aus Sicht des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz dabei bleiben, dass die neuen nichtfinanziellen Berichtspflichten – wie von der CSR-Richtlinie 2014/95/EU vorgegeben – auf Lage- und Konzernlageberichte für nach dem 31. Dezember 2016 beginnende Geschäftsjahre anzuwenden sind“, schreibt das Ministerium auf Anfrage.
"Die Union nimmt die CSR-Richtlinie in Geiselhaft"
Für die Unternehmen ändert sich also am Startpunkt der Berichtspflicht nichts, auch wenn die bereits fertig formulierte Endfassung des Gesetzes noch nicht veröffentlicht ist. Sie entspricht aber nach Angaben verschiedener Mitglieder des Rechtsausschusses im Deutschen Bundestag im Wesentlichen dem Entwurf des Justizministeriums. Wesentlich ist unter anderem der Kreis der Berichtspflichtigen: Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitenden und einer Bilanzsumme von mehr als 20 Millionen Euro oder Umsatzerlösen von mehr als 40 Millionen Euro sind ab dem kommenden Geschäftsjahr verpflichtet, CSR-Berichte zu erstellen.
Grund der Verzögerung ist ein Streit zwischen Union und SPD über die Insolvenzrechtsreform. Das Gesetz hat zwar formal nichts mit der CSR-Richtlinie zu tun, die CDU/CSU-Fraktion will sie aber im Paket verhandeln. „Die Union nimmt die CSR-Richtlinie in Geiselhaft“, ärgert sich deshalb Johannes Fechner, Sprecher der SPD im Rechtsausschuss des Bundestages. „Das ist ärgerlich für die Unternehmen, die sich in einem Schwebezustand befinden“, ergänzt er. Die SPD wollte zudem auch Unternehmen ab 250 Mitarbeitern verpflichten, CSR-Berichte zu verfassen, und zudem sollten diese gleichzeitig mit den Finanzberichten veröffentlicht werden, was nach Ansicht der SPD die Aufmerksamkeit erhöht hätte. Beides lehnte die Union mit einem Verweis auf den Koalitionsvertrag ab, der eine Eins-zu-Eins-Umsetzung von EU-Richtlinien vorsieht.
Heribert Hirte, für die CDU/CSU-Fraktion-Mitglied im Rechtsausschuss und dort Berichterstatter für das Bilanzrecht, weist die Vorwürfe der SPD zurück und betont, dass es durchaus noch Klärungsbedarf in Sachfragen gebe. Hirte sagt, es sei natürlich, das CSR-Gesetz mit den Verhandlungen um das neue Insolvenzrecht zu verbinden. „Das CSR-Gesetz ist mit Belastungen für die Wirtschaft verbunden, da ist es logisch, es mit der Insolvenzrechtsreform zu verhandeln, die zu Entlastungen führen soll. Zudem kommen beide Entwürfe aus dem gleichen Ministerium“, sagt Hirte. Sowohl er als auch SPD-Mann Fechner sehen aber keine Hindernisse, das CSR-Gesetz im Januar zu verabschieden.
Sprunghaft gestiegenes Interesse am DNK
Das Interesse am DNK sei 2016 sprunghaft gestiegen, sagt Zwick. Vor allem Finanzdienstleister und Banken fragten häufiger nach. Mittlerweile berichten 172 Unternehmen nach dem DNK, Ende 2015 waren es noch 113. Rund 100 Schulungspartner weisen Unternehmen in das Thema ein. Die Zahl der Unternehmen, die sich in der DNK-Datenbank registriert haben – Voraussetzung für eine spätere DNK-Berichterstattung – hat sich verdoppelt. „Kleine und mittlere Unternehmen, die von der Berichtspflicht eigentlich nicht betroffen sind, haben großes Interesse am DNK. Sie nutzen ihn trotzdem, um ihre Geschäftsmodelle im Wettbewerb sichtbar zu machen “, sagt Zwick.
Großen Aufholbedarf sieht Zwick jedoch in anderen Teilen der Wirtschaft. „Viele von der Berichtspflicht unmittelbar betroffene Unternehmen müssen jetzt die Beine in die Hand nehmen, damit sie Know-how und die erforderlichen Prozesse aufbauen, um 2018 die Informationen zum Berichtsjahr 2017 bereitstellen zu können.“ Besonders angesprochen hat die EU-Kommission neben Banken und Finanzwirtschaft die Versicherungsbranche.
Die Berichtspflicht umfasst laut Entwurf fünf Themengebiete. Erstens Umweltbelange, also etwa Wasserverbrauch und Emissionen von Treibhausgasen. Zweitens Arbeitnehmerbelange, wie steht es etwa um Gleichberechtigung und Mitbestimmung. Drittens Sozialbelange, also die Frage, wie das Unternehmen die Kommunen beeinflusst, in denen es angesiedelt ist. Im vierten Punkt geht es um die Achtung von Menschenrechten, er bezieht sich vor allem auf die Lieferketten. Fünftens geht es darum, was Unternehmen tun, um Korruption und Bestechung zu bekämpfen.
„Viele Unternehmen warten momentan noch ab, wie das Gesetz am Ende genau aussieht, bevor sie erste Schritte hin zu einem Berichtsprozess angehen“, sagt RNE-Mitarbeiterin Zwick. Sie verweist darauf, dass Unternehmen, die nach dem Deutschen Nachhaltigkeitskodex DNK berichten, laut eines Gutachtens auf Basis der EU-Richtlinie bereits heute die neue Berichtspflicht erfüllen. „Wir werden Anfang nächsten Jahres auf Basis des finalen Gesetzes ein weiteres juristisches Gutachten zur Rechtskonformität des Nachhaltigkeitskodex einholen“, kündigt Zwick an.
Bundestag verabschiedet Gesetz zur CSR-Berichtspflicht von Unternehmen erst 2017
2016 verfassten immer mehr Unternehmen Entsprechenserklärungen zum Deutschen Nachhaltigkeitskodex. Ab 2017 sind große Unternehmen in der EU verpflichtet, über die sozialen und ökologischen Aspekte ihres Wirtschaftens zu informieren.