Um fast einen kompletten Tag verzögerte sich der Abschluss der Klimakonferenz in Warschau. Jennifer Morgan begleitete die zweiwöchige Konferenz bis zum Schluss. Die Programmdirektorin für Klima und Energie am World Resources Institute in Washington ist auch Mitglied des Rates für Nachhaltige Entwicklung (RNE). Im Interview bewertet sie die Rolle Deutschlands während der Klimaverhandlungen und sagt, was noch bis zum Abschluss eines neuen Abkommens zu tun ist.
Während der gescheiterten Klimaverhandlungen in Kopenhagen 2009 haben vor allem die USA und China ein neues Abkommen verhindert, Europa war dagegen eine der treibenden Kräfte. War das in Warschau genauso?
Jennifer Morgan: Nein, seit Kopenhagen ist viel passiert, zum Beispiel bemühen sich China und auch die USA um mehr Energieeffizienz und erneuerbare Energien. In Warschau war die Lage komplizierter, es gab nach meiner Wahrnehmung verschiedene Blöcke. Europa will immer noch ein anspruchsvolles Nachfolgeabkommen für das Kyoto-Protokoll in Paris erreichen. Die USA haben inzwischen einen Plan, wie sie Treibhausgase regulieren, das gibt ihnen ein bisschen mehr Glaubwürdigkeit.
Eng zusammengearbeitet haben auf der einen Seite Europa, die USA, die ärmsten Länder, die afrikanischen Staaten und die Inselstaaten. Dann gab es einen Block mit den Schwellenländern Brasilien, Südafrika, China und Indien. Bei China und einigen anderen Ländern ist die Lage unübersichtlich, auf nationaler Ebene machen sie ganz viel, aber auf internationaler Ebene wollen sie langsamer vorangehen als die EU oder auch die USA.
Deutschland sieht sich gerne als Vorreiter der Klimaschutzpolitik. Welche Rolle hat Deutschland in Warschau gespielt?
Die EU-Delegation wird von verschiedenen Hauptverhandlern geleitet, Deutschland ist einer davon und die EU-Delegation hat einen guten Job gemacht. Aber Deutschland im Speziellen hat bei dieser Konferenz fast keine Rolle gespielt, muss ich sagen, weil kein Minister da war. Peter Altmaier war zwar einen Tag da und hat eine Rede gehalten, aber darüber hinaus war er nicht sehr präsent, und das ist immer das Wichtigste bei solchen Konferenzen, dass der politische Rückhalt da ist. Einige Teilnehmer haben sich auch gefragt, ob die künftige deutsche Regierung weiter eine Vorreiterrolle spielen will oder nicht.
Warum gab es Zweifel?
Es wurde beobachtet, wie die Koalitionsverhandlungen in Berlin laufen und dass Deutschland für das Klimaschutzziel der EU nur eine Reduktion der Treibhausgase um mindestens 40 Prozent anstrebt. Ich glaube, die Erwartungen und Hoffnungen sind groß, dass Deutschland gerade weil es in der Vergangenheit so viel geleistet hat mehr anbieten wird als zum Beispiel Frankreich, das ebenfalls 40 Prozent unterstützt. Großbritannien hat aber 50 Prozent angeboten.
Was hat Warschau für den Abschluss eines neuen Klimaschutzprotokolls 2015 in Paris beigetragen?
Es gibt jetzt einen Fahrplan, wie man zu einem neuen Abkommen gelangen will. Ob es ein rechtsverbindliches Protokoll oder eine andere rechtliche Form von Beschluss wird, wissen wir aber noch nicht. Zunächst müssen alle großen, Kohlenstoff-emittierenden Länder bis Ende März 2015 ihre Reduktionsziele für die Zeit nach 2020 auf den Tisch legen. Dann gibt es natürlich eine Debatte über einen Fahrplan, um die Zusage von jährlich 100 Milliarden Euro an Klimahilfen bis 2020 zu erreichen. Es ist jetzt klarer, wie die Länder mitmachen sollen. Wie anspruchsvoll und gerecht dieser Weg sein wird, ist aber noch total unbekannt.
Was müssen die Staaten in den nächsten zwei Jahren noch für ein Abkommen tun, dass die Erderwärmung auf zwei Grad begrenzt?
Sehr viel. In Warschau ist ganz deutlich geworden, dass die Ambitionen noch nicht groß genug sind und dass einige Länder noch nicht ganz verstehen, wie schlimm der Klimawandel werden kann, wenn die Welt nicht konsequent einen anderen Weg einschlägt. Deshalb sprechen jetzt alle von 2014 als dem Jahr der Ambitionen. Für den UN-Gipfel der Staatoberhäupter im September 2014 in New York ist es ganz außerordentlich wichtig, dass sich wieder die Staatschefs engagieren. Bis dahin muss sich jedes Land klar werden, welche Ziele für die Zeit nach 2020 es auf den Tisch legen will.
Die EU macht das mit ihrer Klima- und Energie-Roadmap 2030 bereits. Deshalb ist es für Europa ganz gut, dass jedes andere Land nun etwas Ähnliches machen muss. In einem neuen internationalen Abkommen brauchen wir außerdem unbedingt einen sogenannten Anhebungs-Mechanismus. Die bisherigen Klimaverträge galten für etwa fünf Jahre, danach mussten die Staaten ein komplett neues Regelwerk ausarbeiten und beschließen.
Künftig muss es ein Rahmenwerk geben, das zehn bis zwanzig Jahre hält und das in diesem Zeitraum das Anheben der Reduktionsziele einfacher macht – ähnlich wie beim Montreal-Protokoll, mit der es der Staatengemeinschaft gelungen ist Stoffe zu regulieren, die die Ozonschicht schädigen. Alle zwei bis drei Jahre müssen die Staaten prüfen, welche nationalen Ziele zur Treibhausgasreduktion es gibt und welche Zusagen noch fehlen, um das Zwei-Grad-Ziel zu halten. Wenn es so weiter geht wie bisher, wissen wir jetzt schon, dass es nicht bei einem Temperaturanstieg um zwei Grad bleiben wird.
Das Interview führte Manuel Berkel.
Weiterführende Informationen
Klimaverhandlungen in Warschau – Webseite der UN
Rede von Bundesumweltminister Peter Altmaier bei der Konferenz in Warschau vom 20.11.2013
EU-Grünbuch zum Rahmen für die Klima- und Energiepolitik bis 2030
Montreal-Protokoll des Umweltprogramms der Vereinten Nationen