Wenn es um verantwortungsvolles Wirtschaften geht, könne man viele schon mit dem gesunden Menschenverstand erreichen, sagt Fritz Huber. Er ist Gründer und Geschäftsführer der HF-Zerspanungstechnik GmbH in Saaldorf-Surheim im Berchtesgadener Land, im äußersten Südosten Bayerns. HFZ fertigt spezielle Einzelteile, Kleinserien, Modelle und Formen etwa für den Maschinenbau oder den Motorsport. „Wir müssen viel rumschicken”, sagt Huber. Da falle viel Müll an, deshalb verwende die Firma jetzt nur noch Mehrwegverpackungen. Neuerdings wächst um das Werkstattgebäude eine Blumenwiese, um Lebensraum für Insekten zu schaffen.
HFZ ist eines der Unternehmen, die sich zu dem Netzwerk „Verantwortungsvoll Wirtschaften” in der Region zusammengeschlossen haben. Die Idee stammt von Thomas Birner, Geschäftsführer der landkreiseigenen Berchtesgadener Land Wirtschaftsservice GmbH. Das Berchtesgadener Land hat den einzigen deutschen alpinen Nationalpark mit dem 2.700 Meter hohen Watzmann und ist Biosphärenregion. Der Nationalpark macht alleine ein Drittel der Landkreisfläche aus. Wirtschaften im Einklang mit der Natur habe im Landkreis daher einen hohen Stellenwert, so Birner. Das Projekt sollte deshalb nicht nur einzelne Branchen, wie den Tourismus oder regionale Lebensmittelproduzenten umfassen. „Wir wollten weg von branchenspezifischen Netzwerken und alle Unternehmen des Landkreises und ihre Zulieferer einbeziehen” sagt Birner. Tourismus mache nur zehn Prozent der Wertschöpfung aus.
Vor Ort gebe es viele global agierende Mittelständler, zum Beispiel viele Automobilzulieferer. „Wenn Sie da den Warenverkehr, die Logistik, den Ressourcen- oder Energieverbrauch betrachten, sind das andere Dimensionen als bei einem Netzwerk aus Hotels und Kleinproduzenten. Das Netzwerk ist so konzipiert, dass sowohl große als auch kleine Betriebe teilnehmen können”, sagt Birner. Ein solches Netzwerk sei deutschlandweit bisher einmalig.
Unternehmen aus fünf Branchen machen mit
Nach einem Jahr Vorbereitung steht jetzt das Gerüst. Erarbeitet hat es Ulrike Eberle und ihr Team vom Zentrum für Nachhaltige Unternehmensführung (ZNU) der Universität Witten-Herdecke, in mehreren Workshops und Interviews gemeinsam mit den Chefs von 14 Unternehmen aus den Branchen Lebensmittel, Handel, Tourismus, Dienstleistung und Produktion. Das Spektrum reicht von einer Ein-Mensch-Schreinerei, über einen Edeka, drei Hotels, Fritz Hubers Betrieb bis zur Kiefel GmbH, ein nach eigenen Angaben weltweit führender Anbieter von Maschinen und Anlagen für die Kunststoff-Verarbeitung mit 1.200 Mitarbeitenden.
„Wir sind mit der Frage gestartet: Wie definiert man verantwortliches Wirtschaften für so viele verschiedene Branchen und was bedeutet das speziell für eine UNESCO-Biosphärenregion wie das Berchtesgadener Land”, sagt Eberle. Orientiert habe man sich an der Agenda 2030 der Vereinten Nationen und an Berichtsstandards wie der Global Reporting Initiative (GRI) und dem Deutschen Nachhaltigkeitskodex (DNK) des Rates für Nachhaltige Entwicklung.
Das Ergebnis ist sehr konkret: Es gibt einen Kriterienkatalog, anhand dessen jedes Unternehmen seine Geschäftspraxis weiterentwickeln kann. Sie sind aufgeteilt in Mindestanforderungen, wie faire Arbeitsbedingungen, ein ehrliches Marketing, Energie- und Wasserverbrauch senken, eine gute Abfallbehandlung. Dazu kommen freiwillige Zusatzleistungen wie weniger Lärm- oder Lichtemissionen oder Chancengleichheit und Familienfreundlichkeit. „Die Unternehmen müssen wissen, wo sie stehen, die entsprechenden Daten erheben, sie müssen definieren, was sie bis wann erreichen wollen und wie das Management aussieht, um die Ziele zu erreichen”, erläutert Eberle. Eine Ein-Mensch-Schreinerei brauche dabei natürlich kein eigenes Managementsystem. Unternehmen, die sich mit den Kriterien auseinandersetzen schaffen auch die Grundlage für eine Nachhaltigkeitsberichterstattung nach dem DNK oder dem GRI-Standard.
Sparsam mit Flächen umgehen
Zu den allgemeinen Kriterien kommen Themen, die für die Region besonders wichtig sind. „Flächen sind bei uns ein großes Thema”, sagt Birner. „Wir müssen sparsam mit ihnen umgehen, weil wir wegen der vielen Naturschutzgebiete nur wenig Flächen bebauen können”, ergänzt er. Dazu komme beispielsweise gesellschaftliches Engagement für die Region oder eine möglichst regionale Wertschöpfung. Das Mineralwasser im Supermarkt müsse ja nicht aus 2000 Kilometer Entfernung angekarrt werden, meint Birner.
Für die Unternehmen ist das Projekt aus mehreren Gründen attraktiv: Viele hätten sich bereits mit dem Thema Nachhaltigkeit befasst und könnten sich jetzt sehr systematisch damit auseinandersetzen, sagt Eberle. Das Netzwerk wird vom Wirtschaftsservice koordiniert. Im Netzwerk legen die beteiligten Unternehmen auch ihre spezifischen Ziele offen, tauschen sich aus und erhalten Input von Experten. Die Unternehmerinnen und Unternehmer des Netzwerks sind als Markenbotschafter berechtigt, den Schriftzug „Verantwortungsvoll Wirtschaften“ für ihr Marketing zu nutzen.
Birner ergänzt, dass ein nachhaltiges Management Unternehmen als Arbeitgeber attraktiver mache, die dadurch leichter Fachkräfte rekrutieren könnten. Außerdem seien viele Unternehmerinnen und Unternehmer schlicht persönlich motiviert, eine zukunftsfähige Umwelt für ihre Kinder zu hinterlassen und das Klima zu schützen, sagt Birner. Auf der Abschlussveranstaltung nach der einjährigen Pilotphase hätten zahlreiche Unternehmen Interesse bekundet, dem Netzwerk beizutreten. Am 24. Januar startet das Unternehmensnetzwerk „Verantwortungsvoll Wirtschaften“ mit einem Einführungsworkshop für neue Unternehmen. Für Fritz Huber jedenfalls hat sich das Mitmachen gelohnt: „Ich hoffe, wir bekommen jetzt weiter Impulse, was wir noch besser machen können”, sagt er.