Der UN-Zukunftspakt: Neue Hoffnung für den Multilateralismus?

Arme Länder entschulden, Steuervermeidung von Konzernen stoppen, Repräsentanz von Entwicklungsländern in Finanzgremien gewährleisten – Expert*innen diskutieren auf der Jahreskonferenz des Rates für Nachhaltige Entwicklung Vorschläge zur Entwicklungsfinanzierung.

Er soll das gute Leben aller Menschen voranbringen: Der Zukunftspakt, ausgehandelt unter Federführung von Deutschland und Namibia, angenommen von den Vereinten Nationen im September dieses Jahres in New York. Denn mit ihm soll die Agenda 2030 neuen Auftrieb bekommen, mit der sich die Weltgemeinschaft im Jahr 2015 bereits 17 Ziele gesetzt hat. Dazu gehören etwa die Beseitigung von extremer Armut und Hunger, die Gleichstellung von Frauen und die Bekämpfung von Pandemien, der Zugang für alle zu sauberem Wasser und sanitären Einrichtungen oder das nachhaltige Wirtschaften.

Nur: Weltweit fehlen 4,3 Billionen US-Dollar jährlich, um die 17 Ziele zu erreichen. Bisher blieb die Frage, woher das Geld kommt, im Grunde offen. Mit dem Zukunftspakt soll sich auch das ändern. Er enthält das Versprechen, die Finanzierung anzupacken. Die internationale Finanzarchitektur soll so umgebaut werden, dass Länder des Südens leichter an Kredite kommen, die Überschuldung mancher Staaten eingedämmt wird. Klappt das nicht, werden ärmere Länder zum Beispiel die Klimakrise nicht bewältigen können, nicht auf erneuerbare Energien umstellen.

Die entscheidende Frage, die darum auf der Jahreskonferenz des Rates für Nachhaltige Entwicklung, RNE, Expert*innen diskutiert haben: Was ist jetzt zu erwarten und genau zu tun? Angestoßen hat die Debatte die ehemalige Bundesentwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul, die heute RNE-Mitglied ist. Sie sagt: „Der Summit of the Future hat unter den aktuellen Bedingungen ein Mehr an Orientierung gebracht als ursprünglich befürchtet worden war, unter anderem durch die gute Zusammenarbeit zwischen europäischen und afrikanischen Ländern.“

Bildung statt Schulden

Wieczorek-Zeul forderte vor allem mehr Mitsprache für afrikanische und andere Länder des Globalen Südens in den entscheidenden Gremien von Internationalem Währungsfonds und Weltbank. Diese beiden Finanzinstitutionen sind vor 80 Jahren bei einer Konferenz im US-Naturpark Bretton Woods gegründet worden, die Entwicklungsländer sind in den Gremien bis heute unterrepräsentiert. Zudem plädierte Wieczorek-Zeul für bessere Finanzierungsmöglichkeiten von verschuldeten Ländern des Globalen Südens – etwa mit einer neuen Entschuldungsinitiative und besserer Kapitalausstattung der Regionalen Entwicklungsbanken.

Damit steht Wieczorek-Zeul nicht allein. Auch im Koalitionsvertrag der Ampelparteien heißt es: „Unser Ziel ist ein neuer internationaler Schuldenmanagementkonsens. Wir unterstützen eine Initiative für ein kodifiziertes internationales Staateninsolvenzverfahren, das alle Gläubiger mit einbezieht und Schuldenerleichterungen für besonders gefährdete Länder-
gruppen umsetzt.“ Eine Idee: Den Ländern werden Schulden erlassen, wenn sie im Gegenzug einen Plan vorlegen, wie sie die Mittel etwa ins Bildungs- oder Gesundheitssystem investieren.

Die Entwicklungsländer müssten „raus aus dem finanziellen Flaschenhals“, erklärte auch Maria João Rodrigues. Sie, die auch mal Arbeitsministerin Portugals war, ist heute Präsidentin des europäischen Think Tanks Foundation for European Progressive Studies, will darum auch an das internationale Steuersystem ran. Denn den öffentlichen Kassen entgehen durch globale Gewinnverschiebung multinationaler Konzerne große Summen an Steuereinnahmen.

Globale Steuer hilft

Schon Ende 2023 hatten die Vereinten Nationen eine von afrikanischen Ländern eingeforderte Resolution zur internationalen Steuerkooperation verabschiedet. Werde diese nicht umgesetzt, so rechnete unlängst das Tax Justice Network vor, das sich als Nichtregierungsorganisation für Steuergerechtigkeit einsetzt, werde die Welt innerhalb von 10 Jahren Steuereinnahmen in Höhe von 4,7 Billionen US-Dollar an Steueroasen verlieren. Die Verhandlungen laufen.

Eine globale Steuer für Milliardärinnen und Milliardäre könne weitere 200 bis 250 Milliarden US-Dollar jährlich bringen, erklärte Bodo Ellmers, Direktor des Programmbereichs Finanzierung für nachhaltige Entwicklung der Denkfabrik Global Policy Forum (GPF). Innerhalb der Bundesregierung macht sich derzeit SPD-Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze für eine solche Superreichensteuer stark und kritisiert: „Ein durchschnittlicher Arbeitnehmer in der EU bezahlt 35 Prozent Einkommenssteuer, aber die Milliardäre dieser Welt tragen effektiv mit weniger als einem Prozent Steuern zum Gemeinwesen bei.“ Noch sind Mittel knapp, zu knapp – drei Beispiele.

„Wir brauchen enorme Finanzressourcen“, erklärte Arjun Kumar Bhattarai, Präsident der Nepal Development Initiative, einer Nichtregierungsorganisation mit Sitz in Kathmandu. Diese müssten auch langfristig zugesagt werden. In dem asiatischen Land leben etwa 17 Prozent der Bevölkerung in Armut, fast ein Drittel der Kinder unter fünf Jahren leidet aufgrund von Mangelernährung unter Entwicklungsverzögerungen. Die medizinische Versorgung: ungenügend. Zugleich steht Nepal unter den durch die Auswirkungen des Klimawandels am stärksten gefährdeten Länder an vierter Stelle. Und 66 Prozent der Erwerbsbevölkerung Nepals arbeiten in der Landwirtschaft, die vom Wetter abhängig ist.

Perspektiven für Jugendliche

Auch Kenia braucht dringend Geld. Im Schuldenreport 2024 wird deutlich, dass 2024 ein Viertel seines Haushaltes allein für Zins- und Tilgungszahlungen an ausländische Gläubiger drauf gingen. Die Finanzlücken zu schließen, läge auch im Interesse von Deutschland selbst, erklärte Florence Syevuo. Sie leitet das SDGs Kenya Forum, in dem 350 verschiedene zivilgesellschaftliche Organisationen zusammenkommen und meinte: „Wir müssen Perspektiven für junge Menschen schaffen.“

Die hätten in vielen afrikanischen Ländern keinen Job, seien aber qualifiziert und hätten viel Energie. Also machten sie sich auf nach Deutschland. „Warum sollen sie über den Ozean kommen, das kostet Deutschland viel Geld. Warum dieses nicht in Kenia investieren?“, fragte Syevuo. Die Jugendarbeitslosigkeit in Kenia beträgt laut Internationale Arbeitsorganisation ILO 27 Prozent, der kenianische Arbeitgeberverband spricht sogar von 67 Prozent.

Ein letztes Beispiel aus Südamerika: Ecuador. Im August 2023 stimmte eine Mehrheit der Bevölkerung dort für einen Stopp der Ölförderung im Yasuní-Nationalpark. Gabriela Suárez Buitrón, Geschäftsführerin von FARO Ecuador, einer Stiftung zur Förderung von Reformen und Chancen, sagte: „Wenn so eine Entscheidung von der Welt anerkannt wird, dann muss sie diese unterstützen.“

Fidelis Stehle, UN-Jugenddelegierter für nachhaltige Entwicklung, betonte, wie wichtig es ist umzusteuern. Die bisherigen Bemühungen reichten nicht aus. „Was gebraucht wird, ist etwas anderes“, sagte er, der sich auf den Klimaforscher Johan Rockström bezieht. Rockström hat das Konzept der planetaren Grenzen beschrieben. Sechs von neun gelten bereits als überschritten. Umso entscheidender ist es, dass große Summen freigemacht werden.

Ob das gelingt, erste Fortschritte gemacht werden, könne sich schon bei den zurzeit laufenden Herbsttagungen zeigen, zu denen Internationaler Währungsfonds und die Weltbank Ende Oktober nach Washington geladen haben, und bei der Vierten Internationalen Konferenz zur Entwicklungsfinanzierung im Sommer 2025 in Spanien, erklärte RNE-Mitglied Wieczorek-Zeul.