Die Temperaturen steigen, im Winter wird es feuchter, im Sommer trockener – Kommunen wappnen sich für die Klimaerwärmung. Der deutsche Städtetag empfiehlt: „Trinkpaten“ und verstärkt Nachwuchs für die Feuerwehr suchen.
Die Zukunft hat im nordrhein-westfälischen Wuppertal schon begonnen. Ingenieure haben die Stadt vermessen, Luftbilder gemacht, Wetterdaten ausgewertet. Sie simulieren am Computer, wie bei Starkregen das Wasser die steilen Hänge in die Stadt hinunter rauscht. Der Gemeinschaftsraum einer Kirche würde binnen Minuten unter Wasser stehen, sagt Bauingenieur Bernard Arnold.
Arnold und seine Leute wappnen sich und die Stadt für den Klimawandel. Ähnliches passiert in den Bundesländern und beim Bund. Erst Anfang April hatte Sachsen zusammen mit Brandenburg, Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt zur Regionalkonferenz „Mittel- und norddeutsche Trockenregionen im Klimawandel – Herausforderung für die Landnutzung“ geladen.
Der Weltklimarat (IPCC) gibt ihnen im neuesten Sachstandsbericht Recht. In Europa sind demnach Überflutungen und Extremregen „wahrscheinlich“, im Süden auch Wasserknappheit. „Möglich“ sind auch Hitzewellen. Die Autoren schreiben dazu: „Anpassung kann vor den meisten vorhergesagten Schäden schützen.“
Daniela Jacob vom Hamburger Klima-Service Zentrum gehört zu den Leitautoren des Europa-Kapitels im Bericht der Arbeitsgruppe 2 des Weltklimarates, die die Folgen des Klimawandels und Anpassungsmöglichkeiten analysiert hat. Es ist das erste Mal, dass Europa und weiteren Regionen ein eigenes Kapitel in einem derartigen Report gewidmet wurden.
„Unsere Ergebnisse, wie sich das Klima in Europa verändert, sind robuster geworden“, sagt sie. Deutschland müsse sich bis Ende des 21. Jahrhunderts auf eine Erwärmung von 3,5 bis 4,5 Grad einstellen, falls die Weltgemeinschaft sich nicht auf ein wirksames Klimaabkommen einigt. Im Herbst, im Winter und im Frühling werde es mehr Niederschläge geben, im Sommer hingegen weniger.
Wärmeliebende Schädlinge kommen
Bisher hieß es immer, vor allem Ostdeutschland müsse sich auf extreme Trockenheit einstellen. Diese Vorhersage sei „abgeschwächt“ worden, sagt Jacob. Die neuen Modellrechnungen erlaubten „neue Aussagen.“ Auch für den Ausbau der Windkraft im Rahmen der Energiewende sind die Ergebnisse des Berichts interessant. Laut der Forscherin gibt es „keine Indizien dafür, dass es massive Veränderungen in der Windleistung geben wird.“
Das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung zeigt im Internet wie sich der Klimawandel vor der eigenen Haustür bemerkbar macht – etwa auf Land- und Forstwirtschaft, auf Energiegewinnung und den Wasserhaushalt. Demnach stehen zum Beispiel Buchen im Nordostdeutschen Tiefland zunehmend unter Trockenstress. Matthias Meißner, Referent für nachhaltige Landwirtschaft beim WWF Deutschland sagt, dass „sich die Landwirte auf veränderte Saat- und Erntezeitpunkte werden einstellen müssen, und auf neu einwandernde wärmeliebende Schädlinge“.
Der deutsche Städtetag hat eine 15 Seiten lange Liste mit Empfehlungen veröffentlicht, was Städte und Gemeinden zur Anpassung tun können. Ein Tipp: Sich für „Trinkpaten“ stark machen. Das sind Ehrenamtliche, die sich bei Hitze um ältere Menschen kümmern und ihnen Wasser oder Brühe bringen. Ein weiterer Tipp: Für LKW über 12 Tonnen temporäre Fahrverbote aussprechen, damit der aufgewärmte Asphalt geschont wird.
Umweltbundesamt richtet „Tatenbank“ ein
Außerdem sollen mehr Busse mit Klimaanlagen ausgerüstet werden. Oder dem Nachwuchs schmackhaft machen, in die freiwillige Feuerwehr einzutreten. Auch sollen die Gesundheitsämter genau beobachten, ob tropische Mücken oder andere Schädlinge einwandern. Zecken, die lebensgefährliche Krankheiten übertragen können, sind schon jetzt auf dem Vormarsch.
Vor Ort kann sich noch mehr tun. Das Umweltbundesamt dokumentiert in seiner „Tatenbank“ Projekte zur Anpassung. Bisher finden sich darin erst knapp 120. An der obersten deutschen Bundesbehörde ist das Kompetenzzentrum Klimafolgen und Anpassung, kurz KomPass, angesiedelt. Es steht Kommunen mit Rat und Tat zur Seite.
Mit Erfolg: In Wuppertal beispielsweise wollten die Verantwortlichen ursprünglich einen alten Kanal vergrößern, um dem prognostizierten Starkregen Herr zu werden. Die Ingenieure verwarfen die teure Idee, denn ihre Computersimulationen haben gezeigt: Der Niederschlag lässt sich umlenken auf eine Brachfläche. Dort kann das Wasser aufgefangen werden und später zurück in den Kanal laufen. Bauingenieur Bernard Arnold verspricht: „Die Regenwassergebühren in Wuppertal bleiben stabil.“
Der Klimawandel ist nicht nur eine Sache für Theoretiker. Er ist es längst auch für die Praktiker.
Weiterführende Informationen
Regionalkonferenz „Mittel- und norddeutsche Trockenregionen im Klimawandel – Herausforderung für die Landnutzung“
Klimarisiko im Griff? Vortrag von Bernard Arnold [pdf, 13 MB]
Empfehlungen des Deutschen Städtetages zur Anpassung an den Klimawandel [pdf, 101 KB]
“Tatenbank” des Umweltbundesamte