Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) ist sich mit den Öko-Landbauverbänden einig und will eine Änderung der EU-Ökoverordnung auf jeden Fall verhindern. Notfalls will Deutschland die Reform scheitern lassen. Die Entscheidung darüber ist auf Schmidts Betreiben hin erst einmal auf das Ratstreffen im Juni vertagt worden.
Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt wertet es als Erfolg, dass der Vorschlag der lettischen Ratspräsidentschaft zur Revision der EU-Ökoverordnung am 11. Mai vom Agrarrat nicht angenommen wurde. „Da war das deutsche Holzauge wachsam“, so der Bundesminister auf Anfrage und spricht von einer gewonnenen Abwehrschlacht.
Vorerst gescheitert ist der Vorschlag, weil die Bedingungen, unter denen Landwirte ein Biozertifikat für ihre Produkte bekommen, grundsätzlich geändert werden sollten. Bisher werden bestimmte Standards bei der Produktion verlangt und kontrolliert.
Biolandbau ohne Prozesskontrollen?
Der jüngste Kommissionsvorschlag allerdings sah vor, nur noch das Endprodukt zu kontrollieren, also zum Beispiel den Apfel oder die Getreidecharge. Einziges Kriterium wäre dann die Einhaltung bestimmter Grenzwerte für Rückstände gewesen, etwa aus Pflanzenschutzmitteln – deutlich strengere Grenzwerte als bei konventionellen Erzeugnissen.
Für die Bundesregierung ist das nicht akzeptabel. „Das ist ein Anschlag auf das Verbrauchervertrauen“, sagt Schmidt, der weiterhin auf ein strenges Kontrollsystem im Biolandbau pocht. Denn Ökolandbau sei mehr als nur die Produktion rückstandsfreier Nahrungsmittel.
Ein weiterer Streitpunkt sind die Regeln für importierte Bioerzeugnisse. Die Bundesregierung will sicherstellen, dass auch in Drittländern, aus denen Tomaten, Bananen und anderes eingeführt werden, vergleichbare Standards für die Ökolandwirtschaft gelten wie in der EU. Die Kommission will dagegen auch hier lediglich darauf achten, dass die Erzeugnisse rückstandsfrei sind.
Ökolandwirte und Bauernverband stehen hinter Schmidt
Für die Ökolandwirte in Deutschland wäre ein Kompromiss auf Basis des letzten Kommissionsvorschlages ein herber Rückschlag. Gerade kleine Betriebe können oft nicht sicherstellen, dass durch Hinterlassenschaften konventioneller Landwirtschaftsbetriebe oder Verunreinigungen in der Nachbarschaft Rückstände in ihren Produkten gefunden werden. Ihre Existenz geriete in Gefahr. „Das können vielleicht Großbetriebe leisten“, sagt auch der Sprecher des Deutschen Bauernverbands (DBV), Michael Lohse, „für kleine Betriebe wäre es tödlich.“
Die Verordnung solle lieber scheitern als mit so einem Kompromiss verabschiedet werden, sagt der Vorsitzende des Bundes Ökologische Landwirtschaft (BÄLW), Felix Prinz zu Löwenstein und lobt das Engagement des Bundesministers ausdrücklich. „Es darf nicht sein, dass Bio-Bauern dafür haften sollen, wenn ihre konventionellen Kollegen Pestizide einsetzen“, kritisiert BÄLW-Vorstand Jan Plagge.
Die Wirkungen gehen weit über Europa hinaus
Die von der Kommission präferierten Importregelungen stehen nach Ansicht des Rates für Nachhaltige Entwicklung (RNE) dem Ziel einer weltweiten Förderung nachhaltiger Landbewirtschaftung entgegen. Dringend erforderlich sei die am Niveau der EU orientierte Überwachung von Kontrollstellen in den Drittländern, stellt der RNE fest. Dies werde mit den vorgeschlagenen Mitteln nicht erreicht.
Außerdem sieht der Rat eine Gefährdung des Marktzugangs der Ökoproduzenten aus den Schwellen- und Entwicklungsländern in Europa. Denn die Kommission will für die Importe eine strikte Übereinstimmung mit den EU-Vorschriften durchsetzen und regional angepasste Standards nicht mehr wie bisher akzeptieren. Die positiven Auswirkungen des Ökolandbaus in den Erzeugerländern, von einer schonenden Nutzung der natürlichen Ressourcen bis hin zur Verbesserung der Menschenrechtssituation, würden damit aufs Spiel gesetzt, so der RNE.
Nur ein Etappensieg
Mit der Entscheidung vom 11. Mai ist der umstrittene Entwurf der Kommission noch nicht vom Tisch. Nun verhandeln die Agrarminister weiter. Bundesland-wirtschaftsminister Schmidt muss sich eine Mehrheit im Agrarrat suchen, um den Vorschlag endgültig abzulehnen. Auf einem informellen Treffen der Minister in Riga zum Monatswechsel ist nach Angaben Schmidts noch mit keiner Entscheidung zu rechnen.
Auf dem nächsten Agrarministertreffen im Juni könnte es dann zu einer Entscheidung kommen. „Die Kuh ist noch nicht vom Eis“, warnt Löwenstein daher vor zu viel Optimismus. Auch Schmidt ist noch skeptisch. Der Minister befürchtet, dass über die in anderen EU-Gremien geplante generelle Vereinfachung von Verwaltungsvorschriften ein Ende des bisherigen Bio-Kontrollsystems durch die Hintertür kommen könnte.
Sollten sich die Mitgliedsländer untereinander und mit der Kommission auf einen gemeinsamen Kompromiss einigen, steht noch das Europäischen Parlament im Weg, das der Verordnung ebenfalls zustimmen muss. Auch dort regt sich Widerstand gegen die Kommissionspläne. Für viele Änderungen an den ursprünglichen Entwürfen sorgt der grüne Europaabgeordnete und Berichterstatter in dieser Sache, Martin Häusling. Das Parlament soll die Öko-Verordnung noch im Sommer beraten. Bundesminister Schmidt will die Verordnung eher scheitern lassen, als einem Kompromiss zu Lasten der Ökolandwirte zuzustimmen.
Weiterführende Informationen
Mitteilung der lettischen Ratspräsidentschaft zum Treffen am 11. Mai