Die Vordenker der Geschäftsmodelle mit Zukunft sitzen in Start-Ups wie diesem: Dem Berliner Unternehmen kaputt.de. Auf deren Online-Plattform bestellen Verbraucher, deren Handy nicht mehr funktioniert, ein Ersatzteil oder den Reparaturdienst. Eine Anleitung zum Selberreparieren finden sie dort zudem. Auch bei einer defekten Kaffeemaschine hilft kaputt.de: Man kann sie abholen und zur Wartung zum Profi bringen lassen.
Moritz Zyrewitz ist einer der Gründer: Er sagt: „100.000 Besucher kommen in einem Monat auf unsere Seite, seit anderthalb Jahren sind 50.000 Handys repariert worden.“ Jede Reparatur brächte ihm und seinem Team ein bisschen Geld, die Reparaturshops zahlten „einen Obolus“. Intelligente Technologien verändern die Wirtschaft.
Sie „stellen sie auf den Kopf“, sagt Henning Banthien, Chef des IFOK-Instituts. Im Auftrag des Rates für Nachhaltige Entwicklung, RNE, hat er die Studie „Industrie 4.0 und Nachhaltigkeit: Chancen und Risiken für die Nachhaltige Entwicklung“ erstellt. Banthien zieht aus ihr einen bemerkenswerten Schluss: „Die Zeiten, um eine lebenswerte Zukunft einzuleiten, waren nie so günstig wie heute.“ Niemand könne einem mehr entgegenhalten, es ließe sich nichts machen, die Welt sei nun mal so wie sie sei. Denn mit der Digitalisierung käme ohnehin ein enormer Wandel. „Jetzt können und müssen wir ihm die richtige Richtung geben“, fordert Banthien.
Das Internet ist ein Stromfresser
Der neu berufene Rat für Nachhaltige Entwicklung wird sich dem Thema auch auf seiner Jahreskonferenz im Mai widmen. Bislang arbeiteten dazu nur wenige Experten und vage Theorien bewahrheiteten sich oft nicht. Trotz Computern, Laptops, Handys ist das viel beschworene papierlose Büro zum Beispiel kaum irgendwo Realität geworden. Dafür hat sich das Internet zum Stromfresser entwickelt: Wäre das Internet ein Land, hätte es nach einer Studie von Greenpeace den weltweit sechstgrößten Stromverbrauch.
Banthien hat sich in der Studie nun besonders mit der Kreislaufwirtschaft beschäftigt. Sie habe in der deutschen Umweltpolitik schon immer eine große Rolle gespielt, erklärt er. Zudem gelte sie als ein innovativer Bereich und Baustein, um Nummer 12 der globalen Ziele für nachhaltige Entwicklung zu erreichen: „Für nachhaltige Konsum- und Produktionsmuster sorgen.“
Es liegt darüber hinaus auch im Interesse der Wirtschaft selbst, wenn künftig kaum noch von Abfall die Rede wäre. Die Unternehmensberatung Accenture Strategy schätzt, dass die „Circular Economy“ bis zum Jahr 2030 global rund 4,5 Billionen US-Dollar zusätzliche Wirtschaftsleistung bringen könne. Deren Abfallexperten gehen davon aus, dass ohne eine kluge Kreislaufwirtschaft im Jahr 2030 zwischen dem Angebot und der Nachfrage natürlicher Ressourcen eine Lücke klaffen würde – und mehr als sieben Milliarden Tonnen an Rohstoffen wie Metallen, Mineralien, fossilen Brennstoffen und Holz fehlen.
Wenn Recycling zu teuer wird
„Von alleine ändert sich aber nichts zum Besseren“, warnt Banthien. Zwar sieht er eine Menge Vorteile, die die neuen technischen Entwicklungen bringen könnten. Materialien könnten durch einen Chip besser gekennzeichnet und das Recycling verbessert werden. Auch kämen Produkte nicht so schnell aus der Mode, wenn die Software den Kern ausmache und diese sich updaten lasse. Das sei aber nur die eine Seite – und die andere weniger ermutigend.
Denn werde die Produktion mit der Digitalisierung günstiger, lohne sich aufwendiges Recycling nicht, erklärt der Forscher. Und verlängere sich die Lebensdauer von Produkten, schlage sich das auf Innovationszyklen nieder: Es vergeht mehr Zeit, bis die effizienteren Produkte auf den Markt kommen. Dem müsse entgegengewirkt werden.
Eine von Banthiens Ideen: In der Planung von Neubauten die Recyclingfähigkeit der eingesetzten Materialien mitdenken und Recycling mit positiven Anreizen versehen. Das passiere noch viel zu selten. kaputt.de Gründer Zyrewitz sagt es so: „Derzeit produziert jeder Deutscher im Jahr 20 Kilo Elektroschrott. Da müssen wir runter – und jede Chance nutzen.“