Als Stefan Kreutzberger und Valentin Thurn vor zehn Jahren anfingen, sich mit der Lebensmittelverschwendung in Deutschland zu beschäftigen, stellten sie fest: Es fehlte an Zahlen und damit das Problembewusstsein. „Die Dramatik war hierzulande noch nicht erkannt“, sagt Kreutzberger, heute Vorstand des Vereins foodsharing e.V.. Aus ihren Recherchen machten die beiden Journalisten ein Bestseller-Buch – „Die Essensvernichter“ – und Thurn drehte die preisgekrönte Film-Dokumentation „Taste the Waste“. Ein Ergebnis ihrer Recherchen: Bis zu 20 Millionen Tonnen produzierter Lebensmittel werden in Deutschland jährlich weggeworfen: bei Obst und Gemüse bis zur Hälfte und jedes dritte Brot. Der größte Teil der vernichteten Nahrung sei dabei noch völlig genießbar.
Die beiden beschlossen, selbst an praktischen Lösungen zu arbeiten. Eine Crowdfunding-Kampagne sammelte im Jahr 2012 12.000 Euro ein, für ein Internetportal, über das Privatleute ihr Essen teilen: Fährt jemand in den Urlaub, der Kühlschrank ist aber noch voll, oder hat man schlicht zu viel eingekauft, kann man auf der Plattform nach Abnehmerinnen oder Abnehmern dafür suchen – das nennt sich „Foodsharing“. Auf der Plattform sind heute 340.000 Menschen angemeldet, die Lebensmittel lieber verschenken als sie in den Müll zu werfen. Dafür hatten die Aktivistinnen und Aktivisten ihren „foodsharing“-Verein gegründet, dem sich zwei Jahre später die sogenannten „Foodsaver“ anschlossen. Denen geht es darum, noch genießbares Essen direkt aus Lebensmittelläden vor der Mülltonne zu retten und im privaten Kreis und an Bedürftige zu verteilen. Von ihnen gibt es inzwischen 83.000. Um aus den 7.750 registrierten Geschäften Lebensmittel abholen zu dürfen, die das Mindesthaltbarkeitsdatum überschritten haben, müssen sie eine Grundqualifikation – unter anderem eine Hygieneeinweisung und drei betreute Essensabholungen – absolvieren.
Gestemmt wird der ehrenamtliche und gemeinnützige Trägerverein von zwölf Menschen. „Wir sehen uns als ökologische und entwicklungspolitische Graswurzelbewegung mit Bildungsauftrag“, sagt Kreutzberger, „und wir sind stolz darauf, das Thema öffentlich gemacht zu haben.“
Mit den globalen Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen wurde festgeschrieben, die Lebensmittelverschwendung und -verluste zwischen 2015 und 2030 zu halbieren. Kreutzberger freut das, hält es aber für Deutschland für wenig realistisch. Er sagt: „Wenn wir 15 bis 20 Prozent schaffen, wäre ich schon froh.“
Dieser Text ist Teil der Publikationsreihe „17 Ziele – Einfach machen“ der RENN und wurde zuerst im Booklet zur praktischen Umsetzung der SDGs in Nordrhein-Westfalen veröffentlicht. Das vorgestellte Projekt wurde vom Fonds Nachhaltigkeitskultur gefördert. Hier geht es zum vollständigen Booklet sowie zu den 16 Ausgaben der einzelnen Bundesländer.
In den sozialen Medien finden Sie Beiträge dazu unter #16x17einfachmachen.