Über die Anforderungen an eine gute, nachhaltige Unternehmensführung lässt sich wenig streiten. Aber wie misst man den Erfolg? Welche Informationsquellen stehen zur Verfügung? Wie sind die Entwicklungen auf EU-Ebene? Darüber diskutierten Expertinnen und Experten auf der Jahreskonferenz des Rates für Nachhaltige Entwicklung– und zeigten auf, was fehlt.
Die erste Erkenntnis der Diskussion beschrieb Johanna Kusch, Referentin für Unternehmensverantwortung bei Germanwatch, exemplarisch anhand der Schwierigkeit, Nachhaltigkeitsberichte von Unternehmen miteinander zu vergleichen. Die Nichtregierungsorganisation hat das mit den Berichten der 30 im DAX gelisteten Unternehmen versucht.
„Es war extrem schwierig, die Informationen gegenüber zu stellen und zu vergleichen“ sagte Kusch in der Diskussion zum Thema „Nachhaltige Unternehmensführung messen und bewerten: Eine europäische Perspektive“ der RNE-Jahreskonferenz am 2. Juni 2014 in Berlin.
Wie lässt sich Vergleichbarkeit herstellen? Initiativen zur nachhaltigen Unternehmensführung und Berichterstattung gibt es einige, etwa den Global Compact der UN, die OECD-Leitlinien für multinationale Unternehmen, den Managementleitfaden ISO 26.000, den Deutschen Nachhaltigkeitskodex (DNK) des RNE oder der Berichtsstandard der Global Reporting Initiative (GRI). Doch Kusch konnte nicht einmal Unternehmen vergleichen, die über die Jahre immer wieder nach dem GRI-Standard berichten.
Für Chrysoula Exarchou, Gründungsmitglied der Quality Net Foundation, ein griechisches Netzwerk für Corporate Social Responsibility und DNK-Kooperationspartnerin, stand fest: „Wir müssen die Dinge vereinfachen, praktischer machen und brauchen nicht noch mehr Indikatoren und Standards“, sagte sie.
Es ginge nun darum die Datenqualität zu verbessern und eine europäische Plattform zu schaffen. Kusch sprach sich zwar ebenfalls für eine Vereinfachung aus. Trotzdem sieht sie die Notwendigkeit, neue Indikatoren zu entwickeln, um Nachhaltigkeit besser zu messen.
Nachholbedarf im sozialen Bereich
Das ist laut Birgit Riess, Leiterin des Programms „Unternehmen in der Gesellschaft“ der Bertelsmann Stiftung, vor allem im sozialen Bereich schwer. Sie sprach von einem „riesigen Problem“ bei der Ergebnismessung der Maßnahmen von Unternehmen. Was zum Bespiel bringt es, ein attraktiver Arbeitgeber zu sein, der in die Fortbildung von Mitarbeitern investiert? Die Kosten, so Riess, lassen sich in Euro und Cent beziffern – der tatsächliche Nutzen kaum. „Da muss die Wissenschaft massiv rein“, forderte sie.
Alexander Bassen, Mitglied des RNE und Professor für Betriebswirtschaftslehre an der Universität Hamburg, sprach von einem „Graubereich“ zwischen dem, was Unternehmen intern messen, als relevant erachten und zur Steuerung einsetzen und dem, was sie extern berichten. Er plädierte für eine Annäherung und Zusammenführung der Messgrößen.
Für Kathrin Menges, RNE-Mitglied, Vorstandsmitglied sowie Vorsitzende des Sustainability Council von Henkel, sind indes die Anreize klar: „Wir müssen sicherstellen, dass allen bewusst ist, dass eine nachhaltige Unternehmensführung dazu führt, dass man bessere Mitarbeiter hat, dass man Mitarbeiter besser halten kann, dass man bessere Kundenbeziehungen etablieren kann, dass Konsumenten die Produkte kaufen, dass der betriebswirtschaftliche Mehrwert erkennbar und messbar ist“, sagte sie.
Das sei allerdings an Bedingungen geknüpft: Der Nutzen müsse im Unternehmen immer wieder auf allen Ebenen diskutiert und kommuniziert werden. Für Riess ist nachhaltiges Management ein Prozess, weniger ein fest stehendes Ziel. „Dabei bleibt in einem Unternehmen kein Stein auf dem anderen“, sagte sie.
Gerade für mittelständische Unternehmen mit weniger Ressourcen sei das eine große Herausforderung – Riess verwies deshalb auf den bald erscheinenden Leitfaden des RNE, der mittelständischen Unternehmen dabei hilft, den Deutschen Nachhaltigkeitskodex anzuwenden.
Schwer kontrollierbare Lieferketten
Besonders langwierig sei es, die gesamte Lieferkette von Unternehmen mit einzubeziehen. „Die größten Umweltsauereien und Menschenrechtsverletzungen entstehen dort“, sagte Kusch. Ihre Vorschläge: Die Lieferbeziehungen müssten langfristig aufgebaut werden, es müsse ein Anreizsystem und Wettbewerb in Sachen Nachhaltigkeit zwischen Zulieferern geben, sowie Schulungen vor Ort.
Ein Land ist bei der Implementierung solcher Ideen besonders weit: Frankreich. Dort müssen alle Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern Informationen über die sozialen und ökologischen Folgen ihrer Geschäftstätigkeiten berichten, sagte Michael Capron, emeritierter Professor für Betriebswirtschaftslehre und Vizepräsident der französischen Corporate Social Responsibility Plattform.
Dort sind nicht nur Unternehmen, sondern auch Gewerkschaften, Regierung und NGOs vertreten. Das EU-Parlament hat kürzlich einer Richtlinie der Kommission zugestimmt, die eine einheitliche europäische Nachhaltigkeitsberichterstattung vorsieht. Capron hält die Richtlinie vor dem Hintergrund der französischen Regulierung für ausreichend. „Wir sind sehr glücklich, dass die Direktive der EU auch die Lieferketten der Unternehmen mit einbezieht“, sagte er.
Bassen fasste nach der Diskussion die wichtigsten Punkte zusammen: Für die Messung der Nachhaltigkeit brauche es bessere Indikatoren. Die Verantwortung für einen Wandel in der Unternehmenskultur liege beim Top-Management und: Nachhaltigkeit sei vor allem ein Prozess. Aus dem Publikum kam dazu ein Hinweis auf das englische Wort sustainability. Es ende mit ability: Nachhaltigkeit ist demnach mehr eine Fähigkeit als ein Ziel, das irgendwann abgehakt werden kann.
Weiterführende Informationen
Wie deutsche Unternehmen mit Menschenrechten in Konflikt kommen, Studie Germanwatch und Misereor
Pressemitteilung zur CSR-Richtlinie der EU
CSR-Richtlinie, Webseite EU-Parlament
„Die gesamte Lieferkette soll beschrieben werden“ – Interview mit dem Hamburger Wirtschaftswissenschaftler Alexander Bassen