Nachhaltige Geldanlagen nehmen in Deutschland, Österreich und der Schweiz zu, haben aber weiterhin nur einen Anteil von wenigen Prozent. Das gab das Forum Nachhaltige Geldanlagen (FNG) in seinem Marktbericht 2015 bekannt. Darin analysiert die Organisation zudem, wie ethische Investoren direkten Einfluss auf Fonds und Firmen ausüben, um deren Geschäftspolitik zu beeinflussen.
Die nachhaltigen Geldanlagen in Deutschland nahmen 2014 im Vergleich zum Vorjahr um 59 Prozent auf 127 Milliarden Euro zu, erläuterte FNG-Geschäftsführerin Claudia Tober. Diese Summe beinhaltete Publikumsfonds, Spezialfonds, Kundenanlagen und Eigenanlagen von Finanzinstitutionen. Wie klein der Anteil trotzdem ist, zeigt diese Zahl: Nur 2,2 Prozent allen Geldes, das in Deutschland in Publikums- und Spezialfonds steckt, entfallen auf nachhaltige Anlagen. Im Jahr 2013, vor dem Schub, waren es freilich noch weniger: gerade mal 1,5 Prozent.
Nicht nur in Deutschland investierten Anleger mehr Geld in ethische Projekte, sondern auch in Österreich und der Schweiz. Die Summe in den drei Ländern stieg 2014 insgesamt auf 197,5 Milliarden Euro. Als nachhaltig definiert das Forum dabei Anlagestrategien, die systematisch mehrere soziale und ökologische Kriterien einbeziehen. Wichtig sind außerdem sogenannte Governance-Aspekte, etwa der Anteil von Frauen in Führungspositionen in den investierten Unternehmen.
Dialog mit Unternehmen
Zur Ergänzung des Marktberichtes behandelte das FNG das Schwerpunktthema „Engagement und Stimmrechtsausübung“. Dabei geht es darum, wie Investoren die Geschäftspolitik ihrer Zielfirmen beeinflussen können. Der Grund für die Auswahl durch das FNG: Erstens seien solche Strategien in den drei deutschsprachigen Ländern deutlich weniger verbreitet als beispielsweise in Skandinavien oder den angelsächsischen Staaten. Dies gelte es zweitens zu korrigieren, weil die direkte Einflussnahme oft erfolgreich sei.
Als Strategien des Engagements bezeichnet das FNG mehrere Ansätze. Ausgangspunkt ist meistens, dass die Investoren Fondsmanager oder Firmenvorstände anschreiben und auf Widersprüche zwischen ihrer eigenen Anlagestrategie und der Geschäftspolitik des Unternehmens hinweisen, an dem sie Anteile halten. Dann kann eine Information an die Öffentlichkeit oder eine Wortmeldung bei der Hauptversammlung folgen. Kommt es nicht zum Konsens, steht am Ende beispielsweise das öffentlich kommunizierte Desinvestment.
Apple unerwünscht
Ein Beispiel für ein solches Vorgehen ist die Anlagestrategie der öffentlichen Stiftung „Erinnerung, Verantwortung, Zukunft“ (EVZ), die unter anderem Entschädigungen an Opfer des nationalsozialistischen Systems der Zwangsarbeit leistet. Entsprechend dem Stiftungszweck will die Organisation ihr Kapital so anlegen, dass die Menschenrechte im Arbeitsleben garantiert respektiert werden.
Durch Medienberichte hellhörig geworden, schrieb die Stiftung deshalb unter anderem an den US-Elektronikkonzern Apple wegen des Verdachts zu niedriger Löhne, zu langer Arbeitszeiten und des Verbots gewerkschaftlicher Betätigung in den chinesischen Zulieferfabriken.
Weil Apple den Dialog über das Anliegen verweigerte, verkaufte die Stiftung ihre Anteile am Unternehmen im Wert von einer Million Euro. Eine Reaktion von Apple darauf ist nicht bekannt. In Zusammenarbeit mit der Fair Labor Organisation (FLA) versucht der Konzern allerdings seit Jahren, die Arbeitsbedingungen in seinen Zulieferfabriken zu verbessern.
Ähnlich verfuhr die Stiftung mit ihren Investitionen unter anderem beim Älkonzern Shell, der Supermarktkette Walmart und dem Rohstoff-Händler Glencore. Außerdem stellte man die Zusammenarbeit mit einigen internationalen Banken ein. Im Falle HSBC war der Auslöser der Verdacht der Geldwäsche.
Im Falle eines deutschen Instituts ging es um dessen Beihilfe zur Steuerhinterziehung, die die Stiftung nicht länger unterstützen wollte. Harald Schneider, Leiter für Finanzen der Stiftung EVZ, hält einen solchen Weg auch für gangbar bei kleinen Stiftungen.
Verbesserungen in der Kakao-Wirtschaft
Wer die Recherchen über die Geschäftspolitik der Aktiengesellschaften nicht selbst leisten oder finanzieren wolle, könne sich die Ausschlusslisten beispielsweise der nationalen schwedischen Pensionsfonds zum Vorbild nehmen. Auch der norwegische Staatsfonds GPF (Government Pension Fund Global) erklärt regelmäßig öffentlich, aus welchen Anlagen er aussteigt.
Ein weiteres Beispiel für Engagement-Strategien ist das Vorgehen des Dienstleisters GES. Im Auftrag von Investoren verhandelt dieser beispielsweise mit Unternehmen der Kakao-Wirtschaft darüber, wie Kinderarbeit in Westafrika abgebaut werden kann. Dabei ist es im Sinne der an Nachhaltigkeit interessierten Kapitalanleger offenbar gelungen, den Anteil zertifizierter Kakao-Bohnen zu erhöhen und zu erreichen, dass mehr Kinder zur Schule gehen, statt auf den Plantagen zu schuften.
Weiterführende Informationen
Marktbericht zu Nachhaltigen Geldanlagen 2015
Erklärung der Stiftung „Erinnerung, Veranwortung, Zukunft“ zu ihrer Anlagestrategie
Ausschlussliste eines schwedischen Pensionsfonds
Engagement-Strategie der Beratungsfirma GES