Ganz im Norden von Schleswig-Holstein, an der Ostseeküste kurz vor der dänischen Grenze, liegt die Drehscheibe für die Energiewende: artefact. Das Zentrum für nachhaltige Entwicklung in Glücksburg, ist die nördlichste Kinder-, Jugend- und Erwachsenenbildungsstätte Deutschlands. Auf dem zwei Hektar großen Gelände gibt es ein Tagungshaus und ein Gästehaus, beides zu 80 Prozent aus lokalem Material gebaut – Lehm, Holz aus der Region und Seegras vom Strand, das man als Dämmstoff verwenden kann. Hier verbringen Schülerinnen und Schüler ihre Klassenreise an der Ostsee – und Architektinnen und Architekten lernen in Seminaren, wie man nachhaltig und für die Zukunft bauen kann.
Was hat Bauen mit der Energiewende zu tun? Klimapolitisch kommt dem Bau- und Wärmesektor eine große Bedeutung zu, denn er verursacht ein Drittel der CO₂-Emissionen in Deutschland. Zwei Drittel der Energie, die ein Haus im Laufe seines Lebens verbraucht, stecken bereits in den Baustoffen. Das verwendete Material macht also den Unterschied: So benötigt an der Luft trocknender Lehm bei der Herstellung nur einen Bruchteil der Energie, den etwa gebrannte Ziegel-, Beton- oder Kalksandsteine brauchen. Aber: Lehmbauweise im regenreichen Schleswig-Holstein? „Für Außenwände eignet sich Lehm im Norden nicht“, sagt Werner Kiwitt. Für die Innenwände schon – und die machten immerhin 80 Prozent des Baumaterials eines Hauses aus.
Werner Kiwitt ist seit 20 Jahren Geschäftsführer der artefact gGmbH für globales Lernen und lokales Handeln. Er will Gastgeber sein. Und ein Vermittler – etwa zwischen Menschen, die ein altes Gebäude ökologisch und gesundheitsverträglich sanieren wollen und Handwerkerinnen und Handwerkern, die mit Lehmputz und Seegrasdämmung umgehen können. Auch einen Inspirationsort möchte er bieten, für jene, die ein Freiwilliges Ökologisches Jahr machen. Er und sein Team lehren und beraten. All das gehöre zu der Rolle, die artefact in Veränderungsprozessen für eine nachhaltige Entwicklung spielt, sagt Kiwitt.
„Wir versuchen, Besucherinnen und Besucher sowie Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger Anregungen für ein zukunftsfähiges Bauen, Wohnen, Heizen zu geben, die sie dann umsetzen – und nicht erst, wenn sie gesetzlich dazu gezwungen sind.“ Dafür ist artefact vom Fonds Nachhaltigkeitskultur des Rates für Nachhaltige Entwicklung ausgezeichnet worden. Seit 2020 arbeitet artefact auch mit Fridays for Future zusammen. „Wir wollen die Pionierinnen und Pioniere der Energiewende mit den jungen, innovativen Gründerinnen und Gründern zusammenbringen“, sagt Kiwitt. Und wenn am Ende ein Tiny House, ein kleines Haus, mit Seegrasfüllung herauskommt, dann sei das völlig in Ordnung.
Dieser Text ist Teil der Publikationsreihe „17 Ziele – Einfach machen“ der RENN und wurde zuerst im Booklet zur praktischen Umsetzung der SDGs in Schleswig-Holstein veröffentlicht. Das vorgestellte Projekt wurde vom Fonds Nachhaltigkeitskultur gefördert. Hier geht es zum vollständigen Booklet sowie zu den 16 Ausgaben der einzelnen Bundesländer.
In den sozialen Medien finden Sie Beiträge dazu unter #16x17einfachmachen.