Kalifornien, Qu©bec, Kasachstan, China, die EU sowieso: Immer mehr Staaten haben Systeme zum Emissionshandel, um dadurch den Ausstoß ihrer Treibhausgase zu senken. In der EU wird seit Jahren um eine Reform gerungen, weil die Preise für das Recht, Klimagase zu emittieren, im Keller sind. Das EU-Parlament schlägt jetzt eine Strukturreform vor, die Ende 2018 in Kraft treten soll.
Bereits in diesem Monat könnten Vertreter des EU-Kommission, des EU-Rates und des EU-Parlaments erneut über eine Reform des Emissionshandelssystems verhandeln. Aus Kreisen in Brüssel heißt es, die lettische Ratspräsidentschaft strebe eine Einigung bis Juni an, dem Ende ihrer Amtszeit.
Die Bundesregierung rechnet ebenfalls mit einer schnellen Einigung. Mit dem sogenannten ETS (Emissions Trading System) bekommen Unternehmen Rechte zum Kohlendioxid-Ausstoß zugewiesen und können entsprechende Zertifikate untereinander handeln. Mit dem Instrument will die EU ihren Klimaschutzzielen näher kommen.
Federführend auf Seiten des EU-Parlaments ist der Umweltausschuss, der Ende Februar einen Vorschlag für eine neue Verordnung zur Reform des ETS vorgelegt hat. Er unterscheidet sich in einigen wichtigen Punkten von einem bereits im vergangenen Jahr von Rat und Parlament vorgelegten Entwurf.
Bereits seit 2014 werden an die rund 11.000 Kraftwerke und Industrieanlagen, die in der EU dem Emissionshandel unterliegen, weniger Verschmutzungsrechte ausgegeben, als ursprünglich geplant. Grundlage dafür ist ein lange umkämpfter Beschluss der EU über das sogenannte „Backloading“. Der Beschluss sieht vor, dass 900 Millionen Verschmutzungsrechte nicht zwischen 2014 und 2016 auf den Markt kommen, sondern später, erst zwischen 2019 und 2020. Insgesamt liegt der Überschuss bei 2,1 Milliarden Zertifikaten.
Backloading ist nicht genug
Jedes Verschmutzungsrecht steht für eine Tonne CO2-Ausstoß oder anderer Klimagase, die in CO2-Äquivalente umgerechnet werden. Mit dem Backloading wird das Angebot an Verschmutzungsrechten verknappt, was den Preis für die entsprechenden Zertifikate erhöhen soll. Seit dem Beschluss im Januar 2014 sind die Preise moderat gestiegen. Sie liegen aber immer noch im Bereich von 7 Euro pro Tonne.
Das ist jedoch nach Meinung vieler Experten weiterhin zu niedrig, um die Wirtschaft zum Einsatz energiesparender Technologien zu bewegen. Das bereits beschlossene Backloading soll nur der erste Reformschritt sein. Das Problem liegt auf der Hand: Die Zertifikate sind mit dem Backloading nicht verschwunden, sie kommen nur später auf den Markt – und drücken dann den Preis für Klimagasausstoß erneut.
Deshalb hat der Europäische Rat im vergangenen Herbst eine sogenannte „Marktstabilitätsreserve“ beschlossen. Diese hat das EU-Parlament nun konkretisiert: Die 900 Millionen überschüssiger Zertifikate aus dem Backloading sollen in diese Reserve eingehen und nur dann auf den Markt gelangen, wenn der CO2-Preis zu hoch ist.
Zwei weitere Neuerung: Künftig sollen die Zertifikate flexibel ausgegeben werden – und somit ein Instrument geschaffen werden, um bei zu niedrigen CO2-Preisen eingreifen zu können. Zudem sollen die Zertifikate aus einer alten Handelsperiode nicht mehr automatisch in die nächste übernommen werden.
Wichtigste Neuerung jedoch: Statt wie bisher geplant 2021 soll die Reform bereits Ende 2018 in Kraft treten. Die energieeffiziente Industrie kann sich ebenfalls freuen: Das EU-Parlament stellt sich hinter einen Vorschlag des Rates, an bestimmte Industriezweige auch nach 2020 kostenlos Verschmutzungsrechte zu verteilen. Das betrifft beispielsweise die Stahlindustrie.
Im Vorschlag des Rates heißt es, dass die effizientesten Anlagen der Sektoren, die Gefahr laufen, ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit zu verlieren, nicht mit unangemessenen CO2-Kosten belegt werden sollen, wenn diese zu einer Abwanderung führen können. („carbon leakage“).
Meilenstein oder unzureichend?
Das Echo auf den Vorschlag fällt gemischt aus. Claudia Kemfert, Leiterin der Abteilung Energie, Verkehr Umwelt am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung, schreibt auf Anfrage, der Überschuss an Zertifikaten werde trotz Marktstabilitätsreserve weiterhin hoch sein. „Die Preissignale werden kaum ausreichen, um Investitionsanreize in klimaschonende Technologien zu geben“, ergänzt sie. Der Emissionshandel als alleiniges Instrument des Klimaschutzes sei somit unzureichend.
Die Umweltschutzorganisation WWF spricht dagegen von einem „wegweisenden Meilenstein“, die Grünen kritisieren den späten Beginn der Reform – ebenso wie Eurelectric, der Zusammenschluss der europäischen Energieversorger. Einige der Mitgliedsunternehmen haben ihre Investitionsentscheidungen bereits an höheren CO2-Preisen ausgerichtet und fordern deshalb eine schnelle Reform.
Der Verband Energieintensive Industrien in Deutschland spricht dagegen von einem Rückschlag für Investitionen in Europa. Bei der Bundesregierung findet diese Einschätzung wenig Gehör: Sie will die Reform sogar schon 2017.
Weiterführende Informationen
Pressemitteilung EU-Parlament zur Reform
Bundesumweltministerium zum Emissionshandel
WWF-Pressemitteilung zum Emissionshandel
Europäische Konzerne fordern Reform des ETS [pdf, 404 KB]
Vorschlag des Rates und des Parlaments zur Reform des ETS (2014) [pdf, 62KB]
Studie: Rezension unschuldig am ETS-Preissturz
Emissions Trading Worldwide: ICAP Status Report 2015
Pressemitteilung Grüne im EU-Parlament