Die Europäische Kommission hat am 22. Januar ihre klima- und energiepolitischen Ziele für 2030 vorgelegt. Umweltverbänden geht das Emissionsreduktionsziel von 40 Prozent nicht weit genug. Der Anteil erneuerbarer Energien soll EU-weit auf mindestens 27 Prozent erhöht werden, allerdings will die Kommission dieses Ziel nicht auf nationale Ziele aufteilen. Die Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) rechnet damit, dass die europäische Kommission eigene Förderprogramme auflegen wird, um die selbst gesteckte Erneuerbaren-Marke zu erreichen.
Um die neuen Klimaziele für das Jahr 2030 wird in der EU seit Jahren gerungen. Das derzeit noch gültige Ziel, bis zum Jahr 2020 den Ausstoß von Treibhausgasen um 20 Prozent gegenüber 1990 zu reduzieren, ist wegen des Zusammenbruchs der emissionsintensiven, sozialistischen Industriestrukturen in den Jahren nach 1989 und der jüngsten Wirtschaftskrise schon fast erreicht.
Bis 2011 betrug der Rückgang 17 Prozent. Die schwache Konjunktur und großzügige Möglichkeiten zur Anrechnung von Klimaschutzmaßnahmen außerhalb der EU haben den Preis für Emissionsrechte einbrechen lassen. Aktuell liegt er bei fünf Euro pro Tonne Kohlendioxid. Für Investitionen in abgasarme Gaskraftwerke, erneuerbare Energien und Energieeffizienz wären aber Preise von 20 bis 40 Euro pro Tonne nötig.
Ehrgeizige Klimaschutzziele für 2030 könnten den Preis für Verschmutzungsrechte langfristig wieder anheben. „Um die Erderwärmung auf unter zwei Grad zu halten, müssten die europäischen CO2-Emissionen bis 2030 um mindestens 60 Prozent gesenkt, der Anteil der erneuerbaren Energien am Energiemix auf 45 Prozent gesteigert und 50 Prozent der Energie eingespart werden“, erklärte die Naturschutzorganisation BUND.
Die Kommission hat nun vorgeschlagen, den Treibhausgasausstoß bis 2030 um 40 Prozent zu reduzieren. Dies sei der „kosteneffizienteste Schritt auf dem Weg zu einer CO2-armen Wirtschaft“. Während der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) von einem „realistischen“ Ziel sprach, beklagte der Naturschutzbund Nabu einen „klimapolitischen Salto rückwärts“.
Die Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) rechnet damit, dass bereits beschlossene klimapolitische Maßnahmen wie die Förderung erneuerbarer Energien ausreichen, um bis 2030 eine Treibhausgasreduktion um 32 Prozent zu erreichen.
Schlechtes Signal für UN-Klimakonferenz 2015
Das World Resources Institut (WRI) sieht die europäischen Vorschläge als ein schlechtes Signal für die wichtige UN-Klimakonferenz 2015 in Paris. Dort soll die Staatengemeinschaft einen neuen Weltklimavertrag als Nachfolge des Kyoto-Protokolls unterzeichnen. Die EU habe die Chance zu führen, mit dem vorgelegten Paket verpasse sie diese Chance allerdings, sagte Jennifer Morgan, Direktorin des Klima- und Energieprogramms des WRI und Mitglied im Rat für Nachhaltige Entwicklung (RNE). „Der Vorschlag zeigt keinen klaren Weg zu einer CO2-armen Gesellschaft“, kritisierte Morgan.
Den klima- und energiepolitischen Zielen muss das Europäische Parlament zustimmen. Die Regierungschefs der Mitgliedsstaaten werden sich erstmals bei ihrer Frühjahrstagung im März mit den Plänen beschäftigen. Der europäische Rat muss ihnen geschlossen zustimmen und in der anhaltenden Flaute ist es unwahrscheinlich, dass sich wirtschaftsschwache Mitgliedsstaaten zu schärferen Klimaschutzzielen verpflichten.
Im Klimaschutz zurückhaltende Staaten wie Polen und andere osteuropäische Länder verwiesen immer stärker auf die stockenden internationalen Klimaverhandlungen, um niedrige EU-Ziele zu legitimieren, sagt Severin Fischer von der SWP. Der Experte rechnet damit, dass der Rat das Reduktionsziel sogar noch unter 40 Prozent senken könnte. Von Deutschland werden voraussichtlich keine Impulse für eine höhere Marke kommen. Im Koalitionsvertrag von Union und SPD ist ein Ziel von „mindestens 40 Prozent“ festgeschrieben. Die SPD lehnte auf ihrem jüngsten Parteitag ein ambitionierteres Vorgehen ab.
Widerstand gegen Ausbau erneuerbarer Energien
Energieminister Sigmar Gabriel (SPD) hatte sich mit acht Amtskollegen aus anderen europäischen Staaten in einem Brief an die Kommission allerdings schon vor Weihnachten für ein eigenes Ziel für erneuerbare Energien stark gemacht. Polen mit seinen vielen Kohlemeilern will ein solches Ziel genauso vermeiden wie Frankreich und Großbritannien, die verstärkt auf Atomstrom setzen und deshalb nur ein Ziel zur CO2-Reduktion anstreben. Die Kommission schlägt nun einen verbindlichen Anteil Erneuerbarer am Energieverbrauch von 27 Prozent für 2030 vor.
Für 2020 hatte sich die EU auf einen Erneuerbaren-Anteil von 20 Prozent verpflichtet. Für jedes Land vereinbarten die Mitgliedsstaaten in der Erneuerbare-Energien-Richtlinie außerdem nationale Ausbauziele. Die Spanne reicht von zehn Prozent in Malta bis 49 Prozent in Schweden. Deutschland hatte sich zu einem Anteil von 18 Prozent verpflichtet. Im Jahr 2013 waren hierzulande 11,8 Prozent erreicht.
Solche nationalen Vorgaben will die Kommission für die Zeit nach 2020 nicht beibehalten, es soll nur noch ein europaweites Ziel geben. Die Mitgliedsstaaten sollen dann anhand nationaler Pläne selbst festlegen, wie viel sie auf freiwilliger Basis zur Erreichung des Ziels beitragen möchten.
Als Konsequenz werde sich die Kommission von den Mitgliedsstaaten voraussichtlich mehr Kompetenzen bei der Förderung erneuerbarer Energien erbitten, sagte Fischer. „Denn wie sollen Ziele erreicht werden, ohne Steuerungsinstrumente dafür zu haben?“, fragt der Experte.
Die Kommission könnte in Zukunft beispielsweise die Förderung großer Offshore-Windparks oder von Solarparks mit Leistungen über 100 Megawatt (MW) an sich ziehen, schrieb die SWP schon 2012 in einer Studie. „Gerade süd- und osteuropäische Mitgliedsstaaten dürften ein Interesse daran haben, dass die Transformation ihrer Stromerzeugungs-Strukturen materiell unterstützt wird“, heißt es darin. Im Jahr 2011 hatte die Kommission bereits ein 5,9 Milliarden Euro schweres Programm für den Ausbau grenzüberschreitender Strom- und Gasleitungen aufgelegt, um die Netze der Mitgliedsstaaten miteinander zu verbinden.
Einen Rückschritt legt die Kommission beim Thema Energieeffizienz hin. Für die Zeit nach 2020 schlägt sie überhaupt kein politisches Ziel mehr vor. Bis 2020 will die EU eine Steigerung der Effizienz um 20 Prozent gegenüber 1990 erreichen. Die Kommission will nun zunächst eine bevorstehende Evaluation der Energieeffizienz-Richtlinie abwarten, bevor sie neue Ziele formuliert.
Weiterführende Informationen
Mitteilung der Kommission zu den klima- und energiepolitischen Zielen 2030
Kommentar der Stiftung Wissenschaft und Politik
Stellungnahme des Bundesverbandes der Deutschen Industrie
Kommentar des BUND
Position des Nabu
Studie der SWP zu Gestaltungsoptionen der EU für erneuerbare Energien [PDF, 424 kB]