Kleidung retten, Müll vermeiden – das ist Elisabeth Prantners Auftrag. Mit ihrem Berliner Verein „Bis es mir vom Leibe fällt“ will sie Bewusstsein schaffen. Bewusstsein dafür, dass Kleidung, die nicht mehr gebraucht wird, nicht sofort im Abfall landen muss, sondern noch verwendet werden kann.
Prantner organisiert zum Beispiel Upcycling-Workshops in Schulen, in denen gemeinsam mit den Schülerinnen und Schülern das Lieblingsteil wieder „aufgepeppt“ wird. Oder sie und ihre Unterstützerinnen und Unterstützer bauen Pop-up-Stores in Einkaufszentren auf, um auf die Wiederverwertung von Textilien aufmerksam zu machen und Kleidung zu tauschen. In Prantners Atelier können Klamotten vor Ort getauscht oder umgearbeitet werden.
85 Mitglieder hat der Verein. Prantner und ihr Mann entwickeln Ideen, organisieren Aktionen, übernehmen die Öffentlichkeitsarbeit. Alles ehrenamtlich. Seit wegen der weltweiten Corona-Pandemie Geschäfte, Lokale und Räumlichkeiten immer wieder geschlossen sind, in denen sonst viele Menschen zusammenkommen, ist die Vereinsarbeit nahezu zum Erliegen gekommen. „Wir sind völlig blockiert“, sagt Prantner. „Seit Februar können wir keine Workshops mehr geben.“
Ehrenamt braucht Anerkennung
Wie Prantner geht es etlichen Vereinen, Verbänden und zivilgesellschaftlichen Organisationen, die ehrenamtlich organisiert sind. Lisi Maier, Mitglied im Rat für Nachhaltige Entwicklung und Vorsitzende des Deutschen Bundesjugendrings, hält ihren Einsatz für einen wichtigen Eckpfeiler für die Demokratie. “Ehrenamtliches Engagement benötigt Wertschätzung, Anerkennung und gute Rahmenbedingungen. Ehrenamt darf während und nach der Pandemie nicht zu einem „nice to have“ verkommen.“
Das gilt besonders auch für die Jugendarbeit. Zum Beispiel in den Jugendverbänden, der offenen Kinder- und Jugendarbeit oder der Jugendsozialarbeit, etwa in Jugendzentren und Jugendclubs, aber auch in den zahlreichen Ferienmaßnahmen, Zeltlagern und Jugendbildungsfahrten. Überall dort ermöglichen hunderttausende Ehrenamtliche deutschlandweit Kindern und Jugendlichen geschützte Räume für Persönlichkeitsentwicklung und Bildung.
Eines der Projekte des Vereins „Bis es mir vom Leibe fällt“ widmet sich dem Thema Retourenrettung. Die Motivation dahinter: Im Laufe seiner Produktion umrundet ein Kleidungsstück im Schnitt fast 1,5 mal den Erdball, bis es zur ersten Trägerin oder dem ersten Träger gelangt. Dank Online-Handel wird der Weg oft sogar verlängert. Denn nicht passende Größen oder farbliche Varianten eines Kleidungsstücks können ganz einfach und meist kostenlos zurückgeschickt werden. Doch statt wieder anderen Kundinnen und Kunden angeboten zu werden, wird ein Teil direkt entsorgt. Das verschwendet Ressourcen und muss nicht sein. Prantner und ihr Team spüren dem Weg der Retouren nach und retten die Kleidungsstücke vor dem Müll. Mit der „Retourenrettung“ wurde der Verein 2019 eines von zehn Gewinnerprojekten im Ideenwettbewerb „Modekultur, Textilien und Nachhaltigkeit“ des Fonds Nachhaltigkeitskultur vom Rat für Nachhaltige Entwicklung.
„Man kann nicht alles digital machen“
Die Corona-Zeit haben Prantner und ihre Kolleginnen und Kollegen dafür genutzt, weiter zum Thema Retouren zu recherchieren. Sie haben zudem einen Instagram-Kanal aufgesetzt, um die Menschen über das Dilemma mit dem Kleidungsmüll zu informieren. „Aber man kann nicht alles digital machen“, sagt Prantner. Die sozialen Medien nutzten eher jüngere Leute. In Prantners Laden und Änderungsatelier kämen diejenigen, die den Nachhaltigkeitsgedanken schon kennen und leben. Viele andere erreicht man auf diesem Weg nicht.
Digital weiterzuarbeiten war für Prantner wie auch für viele andere Initiativen die einzige Möglichkeit. RNE-Mitglied Lisi Maier zufolge hat die Corona-Pandemie aber auch dazu geführt, dass die Arbeit vieler Ehrenamtlicher aus der öffentlichen Wahrnehmung verschwunden ist. Dabei sei gerade ehrenamtlicher Einsatz in Zukunft immer wichtiger. „Menschen, die in Verbänden, Vereinen und Bündnissen ehrenamtlich Verantwortung übernehmen, stärken den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft“, sagt Maier. Auch wenn die sozialen Folgen der Corona-Pandemie derzeit nur zu erahnen seien, werde ihre Arbeit in den kommenden Monaten eine noch größere Rolle spielen.
„Wir haben viel verloren, vor allem viel Energie. Und ich habe das Gefühl, wir müssen wieder von vorne anfangen“, sagt Prantner. Aber sie hoffe, dass Corona trotzdem ein Umdenken in Gang gesetzt hat. „Wir müssen endlich kapieren, dass wir nicht so viele Ressourcen verbrauchen dürfen, sondern müssen lernen, mit den Ressourcen, die wir haben, kreativ umzugehen.“ Denn letztlich ist genau das ein Kerngedanke der Nachhaltigkeit.
Für mehr Sichtbarkeit und Anerkennung der Arbeit von Ehrenamtlichen hat der RNE Projekte wie den Wettbewerb Projekt Nachhaltigkeit und die Deutschen Aktionstage Nachhaltigkeit (DAN) ins Leben gerufen. Vom 20. September bis zum 26. September 2021 machen die DAN vorbildliches Engagement in ganz Deutschland sichtbar, steigern die öffentliche Aufmerksamkeit für das Thema Nachhaltigkeit und wollen mehr Menschen zu nachhaltigen Handeln bewegen.