Ioane Teitiota aus dem pazifischen Inselstaat Kiribati bittet im Jahr 2014 um Asyl in Neuseeland. Sein Fall geht durch die Medien, denn es heißt, er sei der „erste Klimaflüchtling“. Er begründete seinen Antrag damit, dass der steigende Meeresspiegel seine Heimat bedrohe. Doch das Oberste Gericht Neuseelands entscheidet dagegen.
Es verweist auf die Genfer Flüchtlingskonvention, die 1951 verfasst wurde, lange bevor das Problem aufkam: „Jemand, der ein besseres Leben sucht, indem er den empfundenen Folgen des Klimawandels entflieht, ist nicht eine Person, auf die die Konvention zutrifft.“ Einen Schutzstatus hat derzeit nur, wer etwa wegen Hautfarbe, Herkunft, Religion oder politischer Meinung verfolgt wird. Die Richter hatten wenig Spielraum. Neuseeland will das jetzt ändern.
Auf experimenteller Basis sollten künftig humanitäre Visa ausgestellt werden können, erklärte der neuseeländische Minister gegen Klimawandel, James Shaw, im Radio New Zealand. Pro Jahr könnten sie dann bis zu 100 Bewohnern von Pazifikinseln, die ihre Heimat verlassen müssen, einen dauerhaften Aufenthalt ermöglichen. Die konkreten Kriterien müssen noch entwickelt werden. Steckt hinter dem Vorstoß mehr als ein Symbol?
Menschen verlieren ihr Zuhause
Das Thema drängt. Wissenschaftler erwarten, dass Kiribati zwischen 2030 und 2050 im Meer versinkt. Die höchste Stelle des Inselstaates mit seinen 32 Atollen liegt drei Meter über dem Meeresspiegel. Zwei Inseln wurden schon 1999 überspült. Aber auch in anderen Regionen verlieren Menschen ihr Zuhause und ihre Perspektive wegen des Klimawandels.
So ging es in Bonn auf der Weltklimakonferenz, wo im November zwei Wochen lang gut 25.000 Teilnehmende zusammen kamen, zwar zuallererst darum, wie die Länder die klimaschädlichen Kohlendioxid-Emissionen mindern und dies nachweisen – aber nicht nur. Die Migrationsdebatte hatte dort ihren Platz unter der Überschrift: „Loss and damages“, also den Verlusten und Schäden durch den Klimawandel.
Im UN-Jargon steht das für die Frage, wie jene unterstützt werden, die vom Klimawandel besonders hart betroffen sind. Anders gesagt: wie vor allem arme Staaten von den großen reichen Treibhausgas-Emittenten entschädigt werden. Die Industrienationen hätten bislang ignoriert, „dass dazu auch ein Recht auf Asyl für Klimaflüchtlinge gehöre“, sagt der Direktor des Deutschen Instituts für Entwicklung, Dirk Messner.
2012 hätten sich einige Staaten auf Initiative Norwegens und der Schweiz lediglich zur sogenannten Nansen-Initiative zusammengeschlossen. Die heißt heute Platform on Disaster Placement. Deutschland ist mit dabei, hat derzeit den Vorsitz.
Neuseelands Vorstoß gibt Impulse
Doch, erklärt Messner, dort werde allein zusammengetragen, was sich schon tut. In Nord-, Mittel- und Südamerika etwa öffneten Staaten ihre Grenzen bereits bei einem Hurrikan oder einer Dürre für Betroffene. Die Plattform wolle aber die Genfer Flüchtlingskonvention nicht anrühren, um sie auf Klimaflüchtlinge auszuweiten. Neuseelands Vorstoß gebe da neue Impulse, sei da „sehr wichtig, sogar vorbildlich“.
Aber der Begriff „Klimaflüchtling“ ist umstritten? „Ja“, sagt Messner: „Flüchtende verlassen ihre Heimat selten aus einem einzigen Grund. Auch lassen sich schlechte Ernten, Fluten, Stürme nie einseitig auf den Klimawandel zurückführen.“ Doch seien sich Wissenschaftler einig, dass der Klimawandel ein Verstärker für Krisen und Konflikte ist, Politiker auch.
Seit Mai diskutiert eine Task Force der UN-Klimarahmenkonvention das Thema. Laut dem International Displacement Monitoring Centre (IDMC) haben im vergangenen Jahr 24,2 Millionen Menschen ihr Zuhause verlassen und zogen an einen anderen Ort innerhalb ihres Landes oder ihrer Region. Wie stark klima- und umweltbedingte Veränderungen zu internationaler Migration führen, dazu gibt es bisher keine Zahlen.
Doch hätten „diese Flucht- oder Migrationsbewegungen das Potenzial, Konflikte zwischen Gemeinden heraufzubeschwören, wenn immer mehr Menschen um immer weniger Ressourcen konkurrieren“, sagt Dietmar Kappe, der für die UNO-Flüchtlingshilfe spricht, den deutschen Partner des UNHCR. Das zeigt sich schon heute etwa in Somalia, wo Tausende ihre Dörfer wegen einer Dürre verlassen und wegen Banden, die ihre Familien überfallen und plündern. Sie flüchten nach Kenia, auch nach Äthiopien.
Expertin fordert Risikoprävention
Wer wie flüchtet, wenn Ernten ausfallen, hänge auch von den anderen Bedingungen in einem Land ab, sagt Susanne Melde. Die Expertin vom Global Migration Data Analysis Centre in Berlin hat gerade in einer groß angelegten, dreieinhalb Jahr dauernden Studie die Migration in der Dominikanischen Republik, Haiti, Kenia, Mauritius und Papua-Neuguinea erforscht. Sie rät vor allem, „mehr in die Prävention von Risiken, die zu Flucht aufgrund von Umweltveränderungen führen können, zu investieren”.
So müssten in der Landwirtschaft Anpassungsmaßnahmen an den Klimawandel ergriffen, Gebäude derart ausgerüstet werden, dass sie einem Sturm trotzen. Zudem sollten die staatlichen Frühwarnsysteme gestärkt und verbessert werden. Wie viele Umweltmigranten eines Tages nach Europa kommen werden, ist unklar. Da aber für viele Regionen auch ein noch so ambitioniert umgesetztes Pariser Klimaschutzabkommen zu spät sein wird, fordert Migrationsexpertin Melde: „Die Bundesregierung sollte humanitäre Visa und andere legale Migrationswege in Betracht ziehen, wie viele Länder auf dem amerikanischen Kontinent es bereits machen und es Neuseeland nun plant.“