Um satte 4,1 Prozent ist der Ausstoß von Treibhausgasen in den 28 EU-Länder plus Island im vergangenen Jahr nach vorläufigen Zahlen gesunken – und das, obwohl die Wirtschaft um 1,4 Prozent wuchs. Damit hat die Staatengemeinschaft ihre Emissionen im Vergleich zu 1990 um 23 Prozent vermindert und ihre internationale Verpflichtung vorzeitig erfüllt. Weil der starke Rückgang zum Teil am extrem milden Winter lag, könnte sich der Rückgang der Emissionen in den Folgejahren aber wieder verlangsamen.
Laut der Europäischen Umweltagentur EEA, von der die Zahlen stammen, war 2014 das wärmste Jahr in Europa seit Beginn der Wetteraufzeichnungen – mit bemerkenswert niedrigem Wärmeenergieverbrauch. Darauf sei das gute Ergebnis bei den Emissionen auch zurück zu führen. Wie stark der Effekt ist, zeigen die Projektionen bis 2020: Die EEA geht davon aus, dass die Minderung bis 2020 24 bis 25 Prozent betragen wird – also kaum eine zusätzliche Abnahme im Vergleich zu heute.
Auch bei ihren anderen Zielen ist die EU auf einem guten Weg: So soll der Primärenergiebedarf, also inklusive der Verluste etwa beim Verbrennen fossiler Rohstoffe, bis 2020 um 13 Prozent sinken im Vergleich zu 2005. Hier lag die Staatengemeinschaft bereits 2014 bei elf Prozent. Der Anteil erneuerbarer Energien am Endenergieverbrauch lag bei 16 Prozent, womit das Ziel von 20 Prozent bis 2020 aller Voraussicht nach erreicht wird.
Brüssel droht Deutschland
Deutschland liegt bei seinen Zielen übrigens nicht überall im grünen Bereich: Bei der Energieeffizienz hinkt die Bundesrepublik hinterher, eine entsprechende Richtlinie aus Brüssel ist noch nicht umgesetzt, die Kommission droht mit einem Vertragsverletzungsverfahren.
Wie sind die sinkenden Emissionen politisch zu bewerten? Für Miguel Arias Cañete ist es ein „starkes Signal“ vor den Klimaverhandlungen in Paris im Dezember – Europa stehe zu seinen Verpflichtungen, sagte der EU-Energie- und Klimakommissar. Christoph Bals, Politischer Geschäftsführer bei Germanwatch, sieht das anders.
Für ihn sind die Zahlen kein Zeichen dafür, dass die EU eine echte Trendwende zu einer Dekarbonisierung hingelegt hat. Sie zeigten nur, dass Europa seine Ziele bis 2030 nachbessern müsse. „In China und in den USA gibt es derzeit mehr Dynamik für Klimaschutz als in der EU“, sagt er. Die EU müsse jetzt die Investitionen für Energieeffizienz ankurbeln, den Emissionshandel mit einem Mindestpreis für CO2 reformieren und Erneuerbare Energien voranbringen.
„Die Zahlen zeigen, dass die realistischen Potenziale für Klimaschutz deutlich höher liegen als die Skeptiker und Skeptikerinnen wahrhaben wollen“, sagt Roland Jöbstl, Sprecher für Klima und Energie beim European Environmental Bureau, eine Dachorganisation europäischer Umweltschutzverbände. Auch er sieht keine Trendwende in Europa. Jetzt müsse die EU ihre Hausaufgaben machen: Reform des Emissionshandels, Gebäude- und Energieeffizienz ausbauen, Nachhaltige Mobilität voranbringen, Luftreinhaltung sicherstellen.
Ab 2030 geht es richtig los
„In Paris kann und müssen wir den globalen Akteuren helfen – zum Beispiel dadurch, dass wir ein Ende der Entwaldung, den Ausstieg aus klimaschädlichen Kältemitteln HFC und insbesondere ein Ende umwelt- und klimaschädlicher Subventionen verankern und die am meisten betroffenen Staaten dabei auch finanziell unterstützen“, fordert Jöbstl.
Bis 2030 will die EU ihren Treibhausgas-Ausstoß um 40 Prozent auf Basis von 1990 senken, das ist bereits beschlossen. Laut EEA kommt die EU bis 2030 allerdings nur auf minus 30 Prozent, wenn alle bisher geplanten Klimaschutzmaßnahmen umgesetzt werden. „Deshalb müssen neue politische Maßnahmen kommen“, schreibt die EEA.
Die Zahlen zeigen auch, dass Europa noch am Anfang steht: Von 1990 bis 2014 sanken die Emissionen im Schnitt um ein Prozent pro Jahr. Soll das 2030-Ziel erreicht werden, muss nun jährlich um 1,4 Prozent gemindert werden. Und für das Ziel, bis 2050 den Treibhausgas-Ausstoß um 80 bis 95 Prozent zu drücken, müssten es ab 2030 sogar 3,3 bis 4,6 Prozent pro Jahr sein – die EU verschiebt die echten Anstrengungen also in die Zukunft.