Europäischer Rat und EU-Parlament haben sich auf entscheidende Details einer Reform der Gemeinsamen Fischereipolitik geeinigt. Um Überfischung zu vermeiden, sollen die Fangquoten ab 2015 am Prinzip der Nachhaltigkeit ausgerichtet werden. Bis 2020 sollen die Mitgliedsstaaten allerdings Ausnahmen festlegen können. Umweltverbände kritisieren die Einigung deshalb.
Laut EU-Kommission sind 75 Prozent der Fischbestände in der Europäischen Union überfischt. Deshalb hatte sich die EU schon 1982 im UN-Seerechtsübereinkommen zu nachhaltigen Fangquoten nach dem Prinzip des höchstmöglichen Dauerertrags verpflichtet. Nachhaltig war die europäische Fischereiwirtschaft trotzdem nicht, weil für die Quoten nur der Fisch gezählt wurde, den die Fischer an Land brachten.
Tatsächlich werfen Fischer allerdings viele Meerestiere, die in ihren Netzen landen, als unerwünschten Beifang wieder über Bord. Von diesen Tieren verenden viele in den Netzen oder während der kurzen Lagerung an Bord. Mitunter landen Fischer zum Beispiel nur besonders hochpreisige Exemplare an und sortieren eigentlich essbare Speisefische aus, die wegen ihrer nicht optimalen Größe nicht die höchstmöglichen Preise erzielen. Laut der Initiative Fish for the Future einiger EU-Parlamentarier werden schätzungsweise 23 Prozent der gefangenen Fische als Beifang wieder über Bord geworfen. Es gibt noch nicht einmal genaue Zahlen, weil die Fischer den Rückwurf nicht quantifizieren müssen.
Ihre Anlandequoten will die EU mit der Reform ihrer Fischereipolitik künftig auf echte Fangquoten umstellen. Rat und Parlament haben sich deshalb am 30. Mai darauf geeinigt, den Rückwurf ab 2015 schrittweise einzuschränken. Mittelfristig sollen Fischer mindestens 95 Prozent ihres Fangs anlanden müssen, auch wenn darunter Exemplare sind, die sie nicht für den menschlichen Verzehr verkaufen können. Der früher als Beifang eingestufte Fisch würde dann zum Beispiel an die Futtermittelindustrie geliefert.
Ausnahmen für gefährdete Fischflotten
Mit dem fast vollständigen Rückwurfverbot als Grundvoraussetzung soll der Rat ab 2015 Fanquoten festlegen, die dem höchstmöglichen Dauerertrag entsprechen. Der Verordnungsentwurf ermächtigt den Ministerrat allerdings, bis 2020 Ausnahmen festzulegen, wenn die neuen Quoten eine Flotte „sozial oder wirtschaftlich“ gefährdeten.
Der Umweltverband WWF bezeichnet die Fischereireform wegen der Ausnahmen als „grobmaschig“. „Die Summe der Ausnahmen macht die Kontrolle, ob das Verbot eingehalten wird, fast unmöglich“, teilt der WWF mit. Die Organisation hat außerdem Zweifel, ob die Dauerertragsquoten jenen Beständen helfen, die schon überfischt sind. „Diese Bestände müssten erst einmal wieder auf ein gesundes Niveau anwachsen dürfen, bevor sie nachhaltig befischt werden können. Die überfischten Bestände können sich jedoch nur erholen, wenn die Fangmengen für eine gewisse Zeit entsprechend abgesenkt werden und ein Zeitpunkt festgelegt wird, zu dem die Bestände wieder ein gesundes Niveau erreicht haben sollen“, heißt es beim WWF weiter. Auch Greenpeace bemängelt, dass ein konkretes Datum fehlt, bis zu dem sich die Bestände wieder erholt haben sollen.
Kleine Küstenfischer werden bevorzugt
Positiv werten Umweltschützer jedoch, dass künftig Küstenfischer gegenüber industriellen Fangflotten bevorzugt werden sollen. Die EU-Verordnung verpflichtet die Mitgliedsstaaten künftig, Kleinfischer bei der nationalen Zuteilung der Fangmengen ein höheres Gewicht beizumessen. Greenpeace verspricht sich von der handwerklichen Fischerei nachhaltigere Fangmethoden.
Nach dem Verordnungsentwurf sollen die Mitgliedsstaaten außerdem ihre Fischereiflotten verkleinern und sich auch bei der Fischerei vor den Küsten von Nicht-Mitgliedsstaaten an das Prinzip des höchstmöglichen Dauerertrags halten. EU-Flotten sollen beispielsweise vor der Küste Westafrikas nur noch Fisch fangen dürfen, den die dortigen Küstenstaaten mit ihren Flotten nicht befischen können. Dem Entwurf müssen Rat und Europäisches Parlament noch formal zustimmen.
Weiterführende Informationen
Pressemitteilung des EU-Parlaments zur Einigung mit dem Rat über die Fischerei-Reform
Pressemitteilung der EU-Kommission
Fragen und Antworten zur neuen Fischereipolitik
Stellungnahme des WWF
Blog von Greenpeace