Nach jahrelangen Verhandlungen sollen in der EU ab 2018 Schiffe ab einer bestimmten Größe ihre CO2 -Emissionen erfassen. Reduktionsziele allerdings gibt es keine, auch wenn das EU-Parlament die Regelung als ersten Schritt in diese Richtung bezeichnet. Entsprechend Kritik gibt es, nicht nur von Umweltschützern. Auch die Industrie ärgert sich, obwohl die Regelung lax ist.
In der EU sind mittlerweile alle Transportmittel zur Reduktion von CO2–Emissionen verpflichtet: Die Autoindustrie muss bei Neuwagen verbrauchsärmer werden, der Flugverkehr ist wenigstens teilweise in den Emissionshandel integriert. Einzige Ausnahme ist die Schifffahrt – und das wird vorerst auch so bleiben.
Der Sektor macht zwar vier Prozent der CO2-Emissionen in der EU aus, muss aber ab 2018 CO2 -Emissionen lediglich erfassen und berichten. Eine entsprechende Richtlinie, vom EU-Parlament verabschiedet, muss zwar noch vom Ministerrat abgesegnet werden, was aber nach den langen Verhandlungen als reine Formsache gilt.
Danach müssen alle Schiffe, die Häfen eines EU-Mitgliedsstaates anlaufen oder dort ablegen, für diese Fahrten ihre CO2-Emissionen erfassen und ein Mal im Jahr an die EU melden. Im Anhang der Richtlinie ist beschrieben, wie das geht: Die Schiffseigner müssen den Treibstoffverbrauch auf See und im Hafen ermitteln, der mit einem für den Treibstoff üblichen Emissionsfaktor multipliziert wird.
Dieses Verfahren gilt für alle Schiffe mit einer Bruttoraumzahl größer als 5.000, ausgenommen sind allerdings Kriegs- und Fischereischiffe. Nach Angaben des zuständigen Berichterstatters im EU-Parlament, Jos© Inácio Faria, werden damit fünf Prozent der Schiffe, die in der EU verkehren, erfasst, die aber 90 Prozent der CO2 -Emissionen des Schiffsverkehrs ausmachen.
D©jà -vu Flugverkehr
Die Debatte ähnelt insgesamt der um die Einbeziehung des Flugverkehrs in den EU-Emissionshandel. Ursprünglich sollten Airlines seit 2012 für alle internationalen Flüge, die in der EU ankommen oder dort starten, Emissionszertifikate vorweisen. Nach heftigem internationalem Protest setzte die EU die Regelung bis Ende 2016 aus, sie gilt nun nur für Flüge innerhalb der Union. Nun hofft die EU auf eine internationale Regelung zur CO2 -Reduktion im Flugverkehr im Rahmen der International Civil Aviation Organization, die sich ebenfalls vehement gegen die EU-Regeln zur Wehr setzte.
„Bei der Regulierung der Seeschifffahrt erhebt die EU schon von vorneherein keinen Anspruch auf Begrenzung der Emissionen“, schreibt Jochen Luhmann, Senior-Experte am Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie. „Das ist kein gutes Signal an diejenigen Staaten, die bei der Luftfahrt die EU mit dem Vorzeigen ihrer Folterwerkzeuge erschreckt hatten“, ergänzt er.
Aber trotz des eher laxen Ansatzes für die Schifffahrt trifft die EU auf Widerstand, in dem Fall auf den der International Maritime Organization (IMO), eine Unterorganisation der Vereinten Nationen. „Jede regionale Regelung unterminiert das System der IMO, die globale Standards erarbeiten will und beeinflusst so die internationale Schifffahrt negativ“, schreibt eine Sprecherin auf Anfrage.
In die Kerbe schlägt auch die maritime Wirtschaft, vertreten durch drei Organisationen (International Chamber of Shipping, BIMCO and Intercargo), die darauf verweisen, dass die IMO gerade eine Regelung zur weltweiten CO2 -Erfassung erarbeite. Die EU-Regelung gefährde die Verhandlungen, sie umfasse die Publikation wirtschaftlich sensibler Daten, so mehrere Schifffahrtsverbände.
Genau auf eine solche internationale Regelung setzt der zuständige EU-Klimakommissar Miguel Caà±ete. „Es ist für die EU-Kommission sehr wichtig, globale Lösungen für maritime CO2 -Emission zu finden. Dieser Beschluss sendet ein klares Signal in Richtung des IMO-Treffens in London im Mai und in Richtung der Klimakonferenz in Paris im Dezember“, sagte Caà±ete vor der Abstimmung im EU-Parlament. Übersetzt heißt das: Der EU gehen die Verhandlungen auf IMO-Ebene zu langsam voran.
Verbindliche Reduktionen haben international keine Chancen
Die UN-Organisation will im Mai auf einer Konferenz in London über ein internationales CO2-Monitoring für Schiffe beraten. Die Marshall Islands bringen sogar einen Antrag verbindlicher CO2 -Reduktionen ein. Dieser hat aber keine Chance: Caà±ete sagte vor dem EU-Parlament, besonders Länder wie China und Indien hätten eine „herausfordernde Haltung“, was ein internationales Abkommen zur Erfassung der CO2 -Emissionen angeht.
Mehrere Abgeordnete des EU-Parlaments betonten, dass das Monitoring international ausgeweitet werden müsse und nur der erste Schritt zu wirklichen Senkungen von CO2-Emissionen in der Schifffahrt sein kann. Schließlich hat die EU in ihrem Transport White Paper 2011 beschlossen, die CO2 -Emissionen in der Schifffahrt bis 2050 um 40 bis 50 Prozent im Vergleich zu 2005 zu senken. Ohne politische Maßnahmen könnten die weltweiten Emissionen der Schifffahrt laut IMO bis 2050 dagegen um 50 bis 250 Prozent steigen.
Transport & Environment, eine Dachorganisationen verschiedener Umweltschutzorganisationen in Brüssel, zieht deshalb ein gemischtes Fazit der EU-Regelung. Zwar könnte es eine positive Spirale aus mehr Transparenz, mehr Konkurrenz und dadurch mehr Effizienz in der Schifffahrt geben. „Allerdings wird das Wachstum des Sektors sämtliche Effizienzziele überholen“, schreibt die Organisation und fordert, dass die EU der Schifffahrt im Rahmen der Verhandlungen um die 2030-Klimaziele konkrete CO2 -Ziele vorgibt.
Weiterführende Informationen
Pressemitteilung zur neuen Richtlinie
Briefing der Organisation Transport & Environment zum Thema
Die Richtlinie auf EUR-Lex
Mitteilung der maritimen Wirtschaft
Treibhausgas-Inventur der Schifffahrt, IMO
Video zur Debatte im EU-Parlament