Anfang 2015 hatte Bundesministerin Johanna Wanka das sogenannte Hightech-Forum berufen, das die Bundesregierung dabei berät, die deutsche Forschungs- und Innovationspolitik voranzubringen. Dessen Fachforum Nachhaltiges Wirtschaften hat nun ein Papier erarbeitet, das Empfehlungen und Impulse gibt, wie Deutschland, orientiert an den Sustainable Development Goals (SDGs) und dem internationalen Klimaschutzabkommen von Paris, mit Forschung und Innovation in eine Green Economy transformiert werden kann.
Konkret geben die 16 Experten des Fachforums Empfehlungen in den eng zusammenhängenden Themenkomplexen nachhaltige Produktion, nachhaltiger Konsum und nachhaltige Finanzwirtschaft. Zudem wurden fünf übergeordnete Empfehlungen formuliert. Zentraler Punkt ist, dass Forschung und Innovationen künftig an den globalen Nachhaltigkeitszielen (SDGs) ausgerichtet werden sollen.
Eine weitere Empfehlung lautet, dass Nachhaltigkeit wettbewerbsfähiger gemacht werden soll. Was vor allem bedeutet, Verfahren zu entwickeln, mit denen die externen Kosten von Produkten und Dienstleistungen gemessen und damit auch in die Preise integriert werden können. Dazu zählen die sozialen Kosten, die Umweltbelastungen oder die sogenannten Ökosystemdienstleistungen, wenn die Natur beispielsweise für sauberes Wasser sorgt. Das Ziel dabei ist, die gesamten Lieferketten von Unternehmen auch international zu erfassen und transparent zu machen.
Wanka: "Nachhaltigkeit kann Wettbewerbsvorteil sein"
Die Bundesministerin für Bildung und Forschung, Johanna Wanka, griff die Empfehlung auf der Green Economy Konferenz 2016 in Berlin auf. "Nachhaltigkeit steht nicht im Widerspruch zu Wirtschaftswachstum, sondern kann ein Wettbewerbsvorteil für Deutschland sein“, sagte die Ministerin. In Berlin berieten 250 Sachverständige aus Wirtschaft, Wissenschaft, Gesellschaft und Politik die Vorschläge, neben Wanka auch Bundesumweltministerin Barbara Hendricks.
Bei der Umsetzung der Empfehlungen kann die Digitalisierung helfen. „Nur mit digitaler Vernetzung können Produktlabels durch ganze Lieferketten erfasst und so auch Grundlagen für eine Nachhaltigkeitsbewertung geschaffen werden“, sagte Marlehn Thieme, Mitglied des Rates für Nachhaltige Entwicklung und Sprecherin des Fachforums Nachhaltiges Wirtschaften.
Die dritte Empfehlung fordert mehr Nachhaltigkeit staatlichen Handelns. So könnten Bund, Länder und Gemeinden ihre Verwaltungen zu einer nachhaltigeren Beschaffung anhalten. Nach außen kann der Staat die Entwicklungspolitik umgestalten oder die Finanz- und Steuerpolitik ändern. Bundesumweltministerin Barbara Hendricks knüpfte hieran auf der Konferenz an und sagte, dass das Wirtschafts- und Finanzsystem an einem Wendepunkt stehe und der erforderliche Strukturwandel eine nachhaltige Finanzwirtschaft unabdingbar mache. "Nachhaltige Geldanlagen müssen aus der Nische in den Mainstream", sagte Hendricks.
Der vierte Punkt ist, Bildung für Nachhaltige Entwicklung (BNE) zu stärken, von der Schule über die Hochschule, bis hin zur beruflichen Weiterbildung. Dafür gibt es bereits die Nationale Plattform BNE zur Umsetzung des Weltaktionsprogramms BNE. Thieme forderte allerdings, noch „viel mehr Anstrengungen in Sachen Bildung für nachhaltige Entwicklung zu unternehmen“. Das Thema müsse in jeden Winkel, an alle Schulen – auch in die Bildungseinrichtungen der Wirtschaft.
Im fünften und letzten Punkt geht es um den gesellschaftlichen Dialog zum nachhaltigen Wirtschaften – also im Prinzip das, was im Rahmen des Fachforums passiert ist: Austausch mit rund 100 Experten aus Ministerien, Vertretern der Wirtschaft, der Zivilgesellschaft und der Wissenschaft. Beispielsweise gab es dort Workshops zu nachhaltiger Finanzwirtschaft, einem von drei Themenkomplexen des Fachforums Nachhaltiges Wirtschaften. Der Leiter des Thementeams, der Ökonom Bernd Wagner, beschrieb die Art des Dialoges zwischen den Vertretern der Ministerien, der Finanzhäuser, der Wissenschaft und den NGOs als zukunftsweisend und hofft auf eine Fortsetzung. Thematisch ging es etwa darum, wie Anleger besser nachprüfen können, welche Anlagen nachhaltig sind und welche Nachhaltigkeitsrisiken sie beinhalten.
Mehr Produkte zurücknehmen
Im vorgestellten Papier sind auch ganz konkrete Vorschläge enthalten. Zum Thema Kreislaufwirtschaft etwa fordern die Mitglieder des Forums zu prüfen, ob Unternehmen verpflichtet werden sollen, noch mehr ausgediente Produkte zurückzunehmen. Auch solle mehr Wagniskapital für Unternehmen mit innovativen Ideen bereit gestellt werden.
Auch wird empfohlen, Informationen und Instrumente zu nachhaltigem Konsum in realen Kontexten experimentell zu testen und dazu langfristig angelegte partizipative Reallabore zu nachhaltigem Lebensmittelkonsum in drei Städten und Landkreisen aufzulegen und wissenschaftlich zu begleiten. Gleichzeitig müsse die Art und Weise des Umsetzens als Forschungsthema betrachtet werden, sagte der Thementeamsprecher des Forums für nachhaltigen Konsum, der Agrarwissenschaftler Joachim von Braun. Zudem fordern die Autoren eine bessere Vernetzung mit anderen Aktivitäten und Strategien der Bundesregierung wie etwa der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie.
Das Fachforum pocht jetzt auf die Umsetzung der Empfehlungen und auf eine Fortführung des Prozesses nach dem Ende des Hightech Forums im Sommer 2017. Zunächst werden die Vorschläge bis Ende des Jahres fertig ausgearbeitet, dann wird darüber im Hightech-Forum beraten, bevor die finalen Empfehlungen im Frühjahr an Forschungsministerin Wanka übergeben werden. Die Umsetzung und Evaluation wäre eine Aufgabe der nächsten Bundesregierung. Für die könne das Papier ein wichtiger Impuls sein, damit Deutschland die SDGs und das Paris Abkommen umsetzt, sagt Marlehn Thieme.