Transformation ja, aber gerecht. Die Debatte über die Klima- und Energiewende und die Umsetzung der UN-Nachhaltigkeitsziele für das Jahr 2030 wird zunehmend unter dem Schlagwort „Just Transition“ geführt. Im Globalen Süden geht es vor allem um Klimagerechtigkeit. In den Industriestaaten liegt der breitere Fokus auf der gerechten Gestaltung der Transformation. Dies bedeutet, dass die Treibhausgasemissionen gesenkt, aber auch zusammen mit anderen Ziele verfolgt und verknüpft werden: Ein ganzheitlicher Ansatz, der Klima- und Verteilungsfragen und Perspektiven für die Zukunft im Blick hat, den Wandel also aktiv gestaltet.
Ein wichtiger Akteur für mehr Nachhaltigkeit auf ökonomischer wie sozialer Ebene sind die Gewerkschaften. „Sie sind Treiber der Transformation“, sagt Jan Philipp Rohde, Referent für Klima, Umwelt und Nachhaltigkeitspolitik beim DGB-Bundesvorstand. Ein konkretes und aktuelles Beispiel ist die Mitarbeit der Gewerkschaften in der Strukturwandel- oder Kohlekommission, also bei der Organisation des Kohleausstiegs.
„Wir als Gewerkschaften vertreten die Beschäftigten, die sowohl vom Klimawandel als auch von anderen Strukturwandelprozessen betroffen sind“, sagt Rohde. „Wir brauchen aktive Strukturpolitik und Konzepte für die betroffenen Regionen.“ Konkret bedeutet dies, dass für Beschäftigte mittel- und langfristige zukunftsfähige Alternativen geschaffen werden müssen. Etwa in Form von Aus- und Weiterbildungsangeboten.
Just Transition ist Teil der Debatte zur Transformation
Schon bei der Welt-Klimakonferenzen hat der Internationale Gewerkschaftsbund das Konzept „Just Transition“ in den Mittelpunkt gerückt. Diese Leitidee findet sich bereits in der Präambel des Pariser Klimaabkommens wieder. „International wie national ist das Konzept der „Just Transition“ Teil der Debatten zur Transformation“, sagt Rohde.
Diesen Ansatz bekräftigt auch Gabriele Schmidt, Landesbezirksleiterin bei der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi in Nordrhein-Westfalen. „Wir wollen gute Arbeitsplätze erhalten“, sagt Schmidt im Interview mit RENN.west, einer der vier Regionalen Netzstellen Nachhaltigkeitsstrategien (RENN). „Wir sind in einem Wandel, wo wir uns auf neue Arbeitsplätze einstellen müssen und wir haben den dringenden Handlungsbedarf zu einer ökologischen Wende.“
Nachhaltigkeit als „großes Pfand“
Für die Verdi-Vertreterin gilt nachhaltiges Handeln für Betriebe gleichermaßen wie im Privaten. Sie spricht von einem „großen Pfand“, das bei gewerkschaftlichen Prozessen mitzudenken ist. Zum Beispiel bei Tarifverhandlungen. In der Tarifrunde für den Öffentlichen Dienst, fordern die Arbeitnehmervertreter eine finanzielle Unterstützung für ein ÖPNV-Ticket aus. Dies sei auch ein Aspekt die Kassen der Kommunalverwaltungen beim Thema Nachhaltigkeit zu entlasten.
Im September setzte die RENN.west-Arena die Rolle aktueller Konjunkturprogramme für sozial-ökologische Strukturwandelprozesse auf die Agenda.
Verdi-Vertreterin Schmidt betont, dass man auch dann, wenn die Corona-Pandemie eingedämmt ist, weiter über gute Bezahlung in Dienstleistungsberufen, über flexiblere Arbeitskonzepte und gute Qualifikationen etwa in der Pflege, in Betreuungseinrichtungen wie Kindertagesstätten oder auch in Schulen sprechen müsse.
Umdenken bei Wirtschafts- und Sozialmodellen gefordert
„Corona wirkt auch wie ein Brennglas. Die Pandemie zeigt, dass Wirtschafts- und Sozialmodelle nicht so resilient und nachhaltig sind, wie gedacht“, sagt Rohde vom DGB. Hier müsste es ein Umdenken geben. Daher sollten die kurzfristig von der Bundesregierung beschlossenen Wirtschaftsstabilisierungsmaßnahmen in der Pandemie Nachhaltigkeitsaspekte und die Transformation berücksichtigen.
Der DGB hat sich auch im Rahmen der Weiterentwicklung der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie in einer Stellungnahme mit Blick auf das Konzept „Just Transition“ geäußert. Großen Wert wird auf das Thema Mitbestimmung gelegt. Der Tenor: Je stärker die Unternehmen ihre Beschäftigten an Entscheidungen zum Klimaschutz beteiligen, desto mehr wird zur Vermeidung von Treibhausgasen getan.
Gleichzeitig gilt: In Zeiten, in denen Jobs in klassischen Industriesektoren wegfallen, sehen sich Gewerkschaften auch vor die Herausforderung einer sinkenden Zahl von Mitgliedern gestellt. Es ist jedoch aus Nachhaltigkeitsperspektive wichtig, dass neue Arbeitsplätze in einer CO2-neutralen Gesellschaft mit sicheren und fairen Arbeitsbedingungen einhergehen. Das Modell der sozialen Absicherung und der verfassten betrieblichen Mitbestimmung muss somit an sich verändernde Arbeitsrealitäten wie Teilzeitmodellen, Homeoffice und flexibler Beschäftigung angepasst werden. Eine Aufgabe, der sich Staat und Sozialpartner gemeinsam stellen müssen.