Vielfalt, Kontinuität und vor allem Vertrauen – ohne diese drei Zutaten sind freiwillige Überprüfungen der SDG-Fortschritte kaum umsetzbar. Das war die einhellige Meinung der Diskutierenden bei einer vom Rat für Nachhaltige Entwicklung (RNE) initiierten Veranstaltung im Juli in New York.
VNRs – Voluntary National Reviews – sind ein zentraler Überprüfungsmechanismus der Agenda 2030 der Vereinten Nationen. Sie ermutigt ihre Mitgliedsstaaten, „regelmäßige und umfassende Überprüfungen der Fortschritte auf nationaler und subnationaler Ebene durchzuführen, die von den Ländern selbst geleitet werden und von ihnen ausgehen“. Die VNRs dienen als Grundlage für die jährlichen Überprüfungen durch das Hochrangige Politische Forum für nachhaltige Entwicklung (HLPF), das im Juli in New York tagte. Die VNRs sollen eine große Zahl verschiedener Interessengruppen einbeziehen und so eine Brücke zwischen staatlichen und nichtstaatlichen Akteuren schlagen. Auch in Deutschland wird im kommenden Jahr zum dritten Mal ein VNR durchgeführt. Grundlage dafür ist die aktuelle Überarbeitung der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie.
Während des HLPF trafen sich Vertreterinnen und Vertreter des Global Forum for National SDG Advisory Bodies, um ihr Wissen und ihre Erfahrungen auszutauschen und sich zu vernetzen. Gemeinsam ist diesen Organisationen, dass sie sich für die Erreichung der UN-Nachhaltigkeitsziele (SDGs) engagieren und beratend für ihre jeweiligen Regierungen tätig sind – so wie es der RNE in Deutschland macht. Eine weitere wichtige Aufgabe für diese Gremien: Sie sollen sich in den VNR-Prozess einbringen.
Stimmen einbringen, die sonst nicht gehört werden
All dies veranlasste den RNE, ein VNR-Labor als Hybridveranstaltung zu initiieren. Die Mitglieder des Global Forums berichteten über ihre spezifischen Erfahrungen bei der Erstellung ihrer VNRs und identifizierten Erfolgsfaktoren. Moderiert von RNE-Generalsekretär Marc-Oliver Pahl kam der erste Bericht aus der Praxis von Florence Syevuo, Geschäftsführerin des SDGs Kenya Forum und Co-Vorsitzende des Global Forum Steering Committee. Das SDG Kenya Forum, eine von der Regierung anerkannte Multistakeholder-Plattform, hat über 500 Mitglieder, von denen einige selbst Netzwerke sind.
Syevuo betonte zunächst, wie wichtig es für den VNR-Prozess in ihrem Land, der nun bereits zum dritten Mal erfolgreich abgeschlossen wurde, sei, die Gesellschaft als Ganzes einzubeziehen – also insbesondere auch nicht-staatliche Akteure zu beteiligen. Sie betonte auch, wie wichtig verfügbare und verlässliche Daten sind, um die Fortschritte der Agenda 2030 überwachen zu können. Kenia hat in diesem Bereich durch die Zusammenarbeit mit dem kenianischen Statistikamt, mit dem ein Memorandum of Understanding besteht, gute Erfahrungen gemacht.
Ihrer Erfahrung nach ist viel Kommunikation erforderlich, um so viele Menschen wie möglich einzubeziehen: „Wir müssen den Menschen vor Ort erklären, worum es geht“, sagt Syevuo. Dies sei für ein inklusives Engagement unerlässlich – aber auch eine große Herausforderung. Es ist ein großer Vorteil für das kenianische SDG-Forum, dass die Plattform auch außerhalb der Legislaturperioden kontinuierlich aktiv ist. Das hilft, Stimmen einzubringen, die sonst nicht gehört würden. Auch die Vielfalt der im Forum versammelten Akteure, die unterschiedliche Kenntnisse und Fähigkeiten einbringen, trägt dazu bei. Das Schlüsselelement ist jedoch das Vertrauen – sowohl in die Teilnehmenden als auch in den Prozess.
Partizipationsprozesse können ausgehöhlt werden
Auch Gabriela Suárez Buitrón, Geschäftsführerin von FARO Ecuador, betonte, wie wichtig die subnationale Ebene – und verlässliche Daten über sie – sind. Anhand ihres Beispiels zeigte sie, wie wichtig die Haltung der Regierung und deren Dialogbereitschaft für den Erfolg des Beteiligungsprozesses ist: „Partizipation hängt von der Regierung ab.“ In Ecuador habe das nicht funktioniert. Dort hat die Regierung kürzlich einen VNR erstellt, ohne die Zivilgesellschaft wirklich in den Prozess einzubeziehen, vor allem weil die Zeit bis zur Fertigstellung des Berichts knapp war. Es wurde deutlich: Wenn ein Beteiligungsprozess nicht institutionalisiert ist, kann er untergraben werden.
Carlos Applewhaite vom Sekretariat für nachhaltige Entwicklungsziele des Planungsinstituts von Jamaika brachte die Perspektive der Regierung in die Diskussion ein. Nach dem ersten VNR im Jahr 2018 hat das Land vor zwei Jahren seinen zweiten freiwilligen Bericht erstellt. Am Beispiel einer Frau, die sich für sauberes Wasser in ihrem Dorf einsetzt, machte er deutlich, dass es für den Einzelnen nicht unbedingt notwendig ist, genau zu wissen, was die SDGs und die Agenda 2030 sind. Aber es ist wichtig, dass die Menschen verstehen, wofür es sich zu kämpfen lohnt. Deshalb ist die Arbeit vor Ort in und mit der Gemeinschaft so wichtig.
Im Anschluss an die Berichte aus den Ländern stellte Tom Harrison, Mitglied des Sekretariats des Globalen Forums und Programmdirektor der Partnering Initiative (TPI) eine Checkliste vor, mit der das Umfeld für das Engagement mehrerer Interessengruppen bewertet werden kann. Dazu gehörte auch die Offenheit einer Regierung für die Einbeziehung nichtstaatlicher Akteure in den VNR-Prozess.
Eine Frage des Vertrauens
RNE-Mitglied Kai Niebert resümierte, dass Deutschland aus den vorgestellten Beispielen für den eigenen VNR im kommenden Jahr lernen könne, dass die Einbindung der Zivilgesellschaft eine Frage des Vertrauens sei. Es sei ein No-Go, der eigenen Gesellschaft keine Einblicke in offizielle Berichte zu gewähren: „Die SDGs können niemals von Regierungen allein erreicht werden, sondern nur von der Gesellschaft als Ganzes, mit dem öffentlichen und privaten Sektor.“ Daraus schloss er, dass nicht nur die VNR, sondern auch die im Rahmen der Transformation entworfenen Politiken mit der Gesellschaft diskutiert werden müssten.
Das gemeinsame Engagement von Interessengruppen könne dazu beitragen, auch andere Bürgerinnen und Bürger einzubeziehen, die bisher nicht mit den SDGs in Berührung gekommen sind. Nicht jeder müsse über alle SDGs Bescheid wissen, so Niebert, aber er sollte wissen, wie ein Beitrag zu einem der Bereiche mit anderen Bereichen zusammenhängt.