An 19 Hochschulen in Europa gibt es bereits Green Offices. Bald kommt eines in Hildesheim hinzu. Die Studierenden wollen Forschung, Lehre und Verwaltung nachhaltiger machen, erklärt der 28-jährige Sozialunternehmer Felix Spira, der die Green Office Bewegung mit gegründet hat. Er und seine Kollegen wurden vor wenigen Tagen von der UNESCO ausgezeichnet.
Felix Spira, Sie sind einer der Geschäftsführer des Unternehmens rootAbility, das die Green-Office-Initiative koordiniert. Die UNESCO hat Ihnen jetzt den internationalen Preis für Bildung für nachhaltige Entwicklung verliehen. Was haben Sie bislang erreicht?
Felix Spira: Wir wollen den grünen Transformationsprozess der Wissenschaft voranbringen. Studenten haben bereits an 19 Hochschulen in Belgien, den Niederlanden, Großbritannien und auch in Deutschland Green Offices gegründet. Sie kümmern sich um Nachhaltigkeit in der Mensa, um Recycling oder Energieeffizienz an der Hochschule. Und sie sorgen dafür, dass Nachhaltigkeitsthemen auch in Forschung und Lehre integriert werden. Sie organisieren zum Beispiel Vorlesungsreihen zum Thema Klimawandel.
Schon heute gibt es den Abfallexperten in der Hochschulverwaltung, oft kümmert sich auch jemand um Nachhaltigkeit in der Lehre. Studentische Initiativen gibt es zudem. Was macht den Unterschied?
In den Green Offices arbeiten Studierende mit Lehrenden und Vertretern der Hochschulverwaltung zusammen. Die Leitung der Hochschule ist eingebunden. So bekommen Nachhaltigkeitsthemen mehr Durchschlagskraft.
Das erste Green Office haben Sie mit Freunden vor fünf Jahre an der Universität Maastricht ins Leben gerufen. Wie sind Sie damals auf die Idee gekommen?
Wir waren eine Gruppe von Studierenden, die was machen wollten, und haben dann die Hochschule überzeugt, 75.000 Euro bereit zu stellen. Wir haben einen Antrag geschrieben, eine ganze Menge Lobbyarbeit gemacht, eine Allianz von Wissenschaftlern und Studierenden geschmiedet. Die Hochschulleitung hatte zu der Zeit zwar eine Nachhaltigkeitskommission, kam aber nicht so wirklich voran. Es gab nur einen Umweltbeauftragten unter Tausenden von anderen Mitarbeitern. Dann hat sie gesagt: „Wir geben euch aus unserem Investitionsfonds Geld für zwei Jahre und gucken was passiert.“
Geben alle Hochschulen bereitwillig Geld?
Die Finanzierung, aber auch das Mitspracherecht und die Integration in die Hochschule sind oft schwierig. So variiert das Budget der Green Offices zwischen 15.000 und 250.000 Euro. Am meisten Geld gibt es bisher an niederländischen Hochschulen.
Die Studierenden, die in den Green Offices mitarbeiten, werden bezahlt?
Im Idealfall arbeiten fünf bis acht studentische Angestellte in einem Büro, die mindestens einen Tag die Woche für ihre Arbeit bezahlt werden. In Italien, wo sich jetzt die ersten Initiativen bilden, soll die Zeit im Green Office als Praktikum anerkannt werden. Das gibt es in Deutschland so noch nicht. Ähnliches wäre aber auch denkbar.
Wieso machen die Studierenden überhaupt mit?
Da kommt immer ein bunt gemischtes Team aus allen Disziplinen zusammen. Die einen interessieren sich sowieso für Nachhaltigkeit. Die anderen wollen neben ihrem Studium praktische Erfahrungen sammeln. Das Green Office ist ein cooler Arbeitsplatz.
Spätestens nach ihrem Abschluss gehen die Studierenden wieder und nehmen ihr Wissen und ihre Kontakte mit – wie hält man so ein Büro am Laufen?
Das Kontinuitätsproblem hat man bei allen studentischen Initiativen. In den Green Offices soll es darum immer einen festangestellten Mitarbeiter geben, der das über die Jahre begleitet.
Und die Studierenden?
Im Maastrichter Büro bleiben sie zum Beispiel mindestens ein Jahr. Die eine Hälfte von ihnen wird zum ersten Semesterhalbjahr eingestellt, die andere Hälfte zum zweiten. So sind die einen immer schon länger dabei, wenn die anderen neu dazu kommen.
Wie ist die Zusammenarbeit mit den Professoren?
An einigen Hochschulen gibt es sehr engagierte Professorinnen und Professoren. Aber oft ist es nicht ganz so einfach, zumeist jedenfalls schwieriger als mit einigen Leuten aus der Hochschulverwaltung. Die Lehrenden werden daran gemessen, wie viele Publikationen sie haben und wie viele Forschungsgelder sie eingeworben haben. Ob sie die Hochschule nachhaltig verändern, zählt nicht.
Wie überzeugen Sie sie trotzdem?
Manche Green Offices haben sich die Zähne ausgebissen, um im Curriculum etwas zu verändern. Die haben dann zum Beispiel selbst Nachhaltigkeitsseminare angeboten – von Studenten für Studenten. Grundsätzlich lassen sich Lehrende am besten einbinden, wenn es ihre Forschung voranbringt, etwa mit einem grünen Symposium. In Maastricht haben wir einen Doktoranden mit ins Team geholt. Er lehrt und forscht vier Tage in der Woche zur Nachhaltigkeit, einen Tag arbeitet er im Green Office.
Wann öffnet das nächste Green-Office?
Im Januar startet das Green Office in Hildesheim. Auch an der Uni Bochum, Köln, Wuppertal, Augsburg und Kaiserslautern gibt es Planungen.
Es hat gedauert, bis hierzulande das erste Green Office aufgemacht hat. Wie kann man sie an deutschen Hochschulen zum Standard machen?
Wäre ich dafür verantwortlich, würde ich erstens eine Bestandsaufnahme machen, was an welchen Hochschulen bereits passiert. Zweitens würde ich einen Preis ausrufen für die besten Nachhaltigkeitsprojekte, drittens mit den Hochschulen verhandeln, dass sie wie in Österreich eine Nachhaltigkeitsstrategie entwickeln müssen und dies in der Leistungsvereinbarung zwischen ihnen und dem Bundesland festgelegt wird. Und: Auf einer hochkarätigen Konferenz kämen alle engagierten Studierenden, wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und Leute aus der Verwaltung des Landes einmal im Jahr zusammen.
Ihre Ziele für 2016?
rootAbility ist eine gemeinnützige Organisation. Wir bieten für Studierende und Hochschulen Trainings, Workshops und Unterstützung an, teils kostenlos, teils kostenpflichtig. Wir wollen langfristig dafür sorgen, dass sich das Green-Office-Modell etabliert.