Der Smog in China lässt immer mehr Provinzen des riesigen Landes handeln. Sie wollen weniger Kohle verfeuern. Greenpeace hat die Minderungsziele nun addiert und kommt zu einem erstaunlichen Ergebnis: Zwar wird der CO2-Ausstoß des Landes weiter wachsen, der Anstieg könnte sich allerdings so abschwächen, dass das Ziel, den Klimawandel zu mindern, erreicht werden könnte. Experten halten das Szenario für möglich – sehen aber auch Hindernisse.
Medien haben es zynisch die „Airpocalypse“ genannt – den Smog in Chinas Großstädten, der sämtliche Risikoskalen überschreitet. Bereits im Jahr 2013 hat Chinas Regierung den Plan aufgelegt, dem Land eine Kohle-Diät zu verpassen. Die Nachrichtenagentur Reuters berichtet nun zudem von einer Verschärfung der Umweltschutzgesetze. Außerdem sollen – auch wegen arbeitsrechtlicher Vorgaben – 2014 fast 2.000 kleine Kohleminen im Land geschlossen werden.
Greenpeace hat sich Chinas Pläne genauer angeschaut – und kommt zu erstaunlichen Ergebnissen. In den bereits heute hoch industrialisierten Provinzen Beijing-Tianjin-Hebei, Yangtze River Delta und Guangdong sinkt der Kohleverbrauch bereits heute. Insgesamt sechs Provinzen wollen ihren Verbrauch bis 2017 absolut senken, darunter Shandong, wo so viel Kohle verbraucht wird wie in Deutschland und Japan zusammen.
Insgesamt werden die Maßnahmen allerdings nicht zu einer Senkung des CO2-Ausstoßes in China führen, sondern nur zu einer Verlangsamung des Anstiegs. Verglichen mit den bisherigen Szenarien wird dieser deutlich gebremst. „Die Greenpeace-Studie zeigt, dass die Frage, ob der Klimawandel eingedämmt werden kann, vor allem in China entschieden wird. Im Vergleich dazu verblasst jede Maßnahme zur CO2-Einsparung in Europa oder den USA“, sagt Steffen Bukold vom Hamburger Beratungsbüro EnergyComment, das regelmäßig Analysen zu Chinas Energiemarkt veröffentlicht.
Andere Länder müssen mitziehen
Der Greenpeace-Report zeigt das in Zahlen: Bisher gelten die Maßnahmen zur Kohle-Begrenzung bis zum Jahr 2017. Sollte China sie bis 2020 fortschreiben, stößt das Land 1.300 Megatonnen weniger CO2 aus, als bisher angenommen. Das sei fast die von der Internationalen Energie Agentur geforderte Reduktionsmenge, um die Klimaerwärmung auf zwei Grad zu begrenzen, schreibt Greenpeace – wenn andere Länder ihre Ziele ebenfalls einhalten. Zum Vergleich: Die EU emittiert entsprechend ihrer Klimaschutzziele 450 Megatonnen weniger, wenn sie die Reduktion um 20 Prozent bis 2020 im Vergleich zu 1990 erreicht. Zudem hat kein Land weltweit im vergangenen Jahr so viel Solarenergie installiert wie China.
Allerdings, das schreibt auch Greenpeace, hängt viel von der Implementierung der Maßnahmen ab. Das sieht auch Bukold so. Das Problem: Nicht alle Provinzen wollen ihren Kohleverbrauch drosseln. Es könnte schlichtweg zu einer Verlagerung der Emissionen in andere Teile des Landes kommen, weg von den entwickelten Industriezentren an der Küste – ein Prozess, der heute bereits stattfindet. „Diese Provinzen sind ohnehin mitten in einem Strukturwandel, weg von der Schwerindustrie und hin zu Konsumgütern und Dienstleistungen“, sagt Bukold.
Derzeit zeigt sich bereits, wie diese Verlagerung aussehen könnte, schreibt EnergyComment in einer Analyse: China will zwar in Großstädten künftig umweltfreundlicheres Gas einsetzen, um dem Smog Herr zu werden. Das soll allerdings zum Teil synthetisch aus Kohle hergestellt werden, fernab der Städte und extrem klimaschädlich. Bereits jetzt läuft eine entsprechende Anlage. Insgesamt sollen mit der Technologie künftig pro Jahr 35 Milliarden Kubikmeter aus Kohle erzeugt werden, das sind fast ein Drittel des Erdgasverbrauchs Chinas.
Kohle dominiert noch Jahrzehnte
Er geht davon aus, dass Kohle noch auf Jahrzehnte die Energieerzeugung dominieren werde. „Es gibt derzeit trotz des Wachstums erneuerbarer Energien keine Alternative, um die Kohle vom Volumen her auch nur annähernd zu ersetzen“, sagt er. Das Stromnetz sei für größere Mengen Wind-und Solarstrom längst nicht ausgebaut. Wichtigster Sektor zum Schutz des Klimas sei deshalb die Energieeffizienz.
Christina Sadeler leitet das China-Programm der Heinrich-Böll-Stiftung. Sie sagt, die Regierung in Peking müsse schon deshalb handeln, weil der Unmut der Bevölkerung über die Umweltverschmutzung in sozialen Medien und durch lokale Massenproteste immer lauter werde. „Von einem ‘turning point’ in der chinesischen Wirtschaftspolitik kann jedoch zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht gesprochen werden“, sagt sie. Man dürfe nicht vergessen, dass China seine wirtschaftlich benachteiligten Regionen entwickeln wolle. „Es ist derzeit nicht erkennbar, dass dies auf besonders nachhaltige Weise erfolgt“, sagt sie. Zudem sei Kohleverstromung nur eine Ursache des Smogs.
Schwer sei auch die Umsetzung der Kohle-Reduktion auf lokaler Ebene, wenn es dort zu drastischen wirtschaftlichen Umbrüchen käme – und schmutzige Wirtschaftszweige einfach in andere Provinzen abwandern. Zudem: Es gibt Pläne, die Kohle durch riesige Wasserkraftwerke oder neue Atomkraftwerke zu ersetzen. „Das geht wiederum mit ganz anderen aber nicht weniger verheerenden ökologischen und sozialen Problemen einher“, sagt Sadeler.
Weiterführende Informationen
China’s Klimaschutz-Strategie, 2013 [pdf, 255 KB]
The End of China’s Coal Boom, Greenpeace-Report, 2014 [pdf, 1,5 MB]
Reuters-Meldung Umweltrecht China
Reuters-Meldung zu Kohleminen in China
DIW-Beitrag China
Bloomberg-Meldung zum Greenpeace-Bericht
Chinas Energiepolitik