Immer mehr Bundesländer integrieren Nachhaltigkeitsthemen systematisch in ihre Lehrpläne. Jüngstes Beispiel ist Hessen. Das Umweltministerium in Wiesbaden startete Ende Januar eine zweijährige Bildungsinitiative, während der eine Kerngruppe von Bildungsträgern Lehrangebote für Schulen ausbaut. Ähnliche Initiativen verfolgen Brandenburg und Baden-Württemberg.
Die Initiative der neuen Umweltministerin Priska Hinz (Grüne) baut auf Pilotprojekten in verschiedenen Kommunen und Regionen auf und will Bildung für Nachhaltige Entwicklung (BNE) flächendeckend in den Schulen des Bundeslandes verankern. Damit folgt Hessen Empfehlungen der Deutschen UNESCO-Kommission für die weitere Verbreitung des Themas BNE.
„Wir müssen dringend von Projekten zu Strukturen kommen“, hatte der Erziehungswissenschaftler Gerhard de Haan von der FU Berlin bereits im vergangenen Sommer im Interview mit News Nachhaltigkeit gesagt. De Haan ist kooptiertes Mitglied im Rat für Nachhaltige Entwicklung (RNE) und Vorsitzender des Nationalkomitees, das hierzulande im Auftrag der Deutschen UNESCO-Kommission die Umsetzung der UN-Dekade Bildung für nachhaltige Entwicklung koordiniert.
Auch die hessische Landesregierung hatte sich zu Beginn der Dekade 2005 verpflichtet, sich ressortübergreifend an dem Langzeitprojekt zu beteiligen. Nach ersten Pilotprojekten verabschiedete schließlich im Frühjahr 2013 eine Landesnachhaltigkeitskonferenz die Bildungsinitiative als Teil der hessischen Nachhaltigkeitsstrategie. Nachdem im Landeshaushalt 600.000 Euro für 2014 und 2015 bereitgestellt wurden, konnten die hessische Staatskanzlei sowie das Kultus- und das Umweltministerium nun den Startschuss für die Initiative geben.
Das Ziel des Vorhabens formuliert das Umweltministerium am Beispiel von Grundschülern: „Jedes hessische Kind weiß nach der Grundschule, was nachhaltige Entwicklung bedeutet, kann Handlungsmöglichkeiten benennen und für die Gestaltung des eigenen Lebens nutzen”, erklärt der Projektverantwortliche, Ulrich Labont©. Gelegen kommt den BNE-Unterstützern dabei ein Trend in der Bildungspolitik. Lehrer sollen Schülern nicht mehr allein Stoff vermitteln, sondern ihnen helfen, eigene Kompetenzen zu entwickeln und zu stärken.
Schulen lernen untereinander
Umgesetzt wird die Bildungsinitiative, indem alle Schulen von Erfahrungen aus Pilotprojekten lernen, etwa durch Vernetzung und Wissensaustausch oder durch unabhängige Träger aus der Umweltbildung, die ihr Wissen an immer mehr Schulen vermitteln.
Die hessische Landespolitik greift dabei auf fünf Kooperationspartner zurück. Die Arbeitsgemeinschaft Natur- und Umweltbildung (ANU Hessen) bringt die Erfahrungen aus dem Frankfurter Grundschul-Projekt „Schuljahr der Nachhaltigkeit“ ein. Experten der ANU kommen für 20 Unterrichtsstunden in eine Klasse, betreuen Lernwerkstätten oder führen Exkursionen durch. Die Lehrer erhalten Fortbildungen und geeignetes Unterrichtsmaterial. Die Grundschüler erfahren beispielsweise, wie ein faires und klimafreundliches Frühstück schmeckt.
An Schüler aller Jahrgangsstufen richtet sich der Baustein „NawaTour – nachwachsende Rohstoffe – kommen an!“ des Kompetenzzentrums HessenRohstoffe (HeRo). In Workshops lernen die Schüler Biokunststoffe, Wärmedämmung und die Energiegewinnung aus Biomasse kennen. Für Schüler ab Jahrgangsstufe neun sowie Berufsschüler hat das Bildungszentrum und Jugendwerkstatt Felsberg Unterrichtseinheiten zum Thema Klimaschutz erarbeitet. Regionale Umwelt- und Bildungszentren übernehmen die Fortbildung der Lehrer.
In fünf Regionen initiiert das Umweltzentrum Fulda die Vernetzung zwischen Schulen oder baut bestehende Netzwerke aus. In Auftaktveranstaltungen stellen die Schulen ihre Kompetenzen bei der Bildung für nachhaltige Entwicklung vor, zudem werden organisatorische Vereinbarungen für die Kooperation getroffen.
Neue Leitprinzipien in Baden-Württemberg
„Mit der Hessischen Bildungsinitiative Nachhaltigkeit tragen wir zu einer Etablierung und Festigung einer nachhaltigen Bildungslandschaft in Hessen bei und bringen den Kindern und Jugendlichen das Thema Nachhaltigkeit in all seinen Facetten nahe“, resümiert Umweltministerin Hinz.
Eine ähnliche Entwicklung unternehmen derzeit weitere Bundesländer. Brandenburg ist dabei, seinen Landesaktionsplan für BNE von 2011 zu überarbeiten und fortzuschreiben. Zum Schuljahr 2015/16 soll BNE als fächerübergreifendes Lernziel in die Rahmenlehrpläne im Land aufgenommen werden.
Baden-Württemberg will BNE als eins von fünf Leitprinzipien in die neuen Bildungspläne integrieren, die zwischen 2015 und 2022 in allen Jahrgangsstufen eingeführt werden sollen. In einem Arbeitspapier des Stuttgarter Kultusministeriums vom vergangenen November heißt es dazu: „Neben dem Erwerb von Wissen über (nicht-)nachhaltige Entwicklungen gilt es die Bereitschaft zum Engagement, den Umgang mit Risiken und Unsicherheit sowie Einfühlungsvermögen in die Lebenslagen anderer Menschen und eine solide Urteilsbildung in Zukunftsfragen zu entwickeln.“
Weiterführende Informationen
Infos des hessischen Umweltministeriums zur Bildungsinitiative Nachhaltigkeit
Bericht der Kultusministerkonferenz „Zur Situation und zu Perspektiven der Bildung für nachhaltige Entwicklung“
Positionspapier BNE Portal
Arbeitspapier des Kultusministeriums Baden-Württemberg zu den Leitprinzipien des Bildungsplans 2015 [PDF, 373 kB]
Entwurf einer Fortschreibung des Landesaktionsplans BNE Brandenburg [PDF, 481 kB]