Die Internationale Energie Agentur (IEA) erklärt in ihrem jüngsten World Energy Outlook die Energieffizienz zum wichtigsten “Energieträger” der Zukunft. Die Hälfte der weltweit neu gebauten Anlagen zur Stromproduktion entfallen bis 2035 auf erneuerbare Energieträger – trotzdem werden die Klimaziele nicht erreicht, schreibt die IEA. Der Chef der Deutschen Energie-Agentur, Stephan Kohler, kritisiert die seiner Ansicht nach zu optimistischen Aussichten für Fracking-Gas.
Üblicherweise analysiert die IEA in drei verschiedenen Szenarien die Entwicklung der weltweiten Energieversorgung. In allen Szenarien werden trotz eines massiven Wachstums der erneuerbaren Energien – allen voran Solar und Wind – fossile Energieträger auch im Jahr 2035 weltweit dominieren. Das wahrscheinlichste Szenario ist für die IEA das New Policies Scenario. In ihm wird die Entwicklung abgeschätzt, die eintritt, wenn sämtliche politische Maßnahmen, etwa zur Förderung erneuerbarer Energien, umgesetzt werden, die bis 2013 angekündigt sind.
In dem Fall, sagt die IEA, steigt der Anteil Erneuerbarer am weltweiten Primärenergiebedarf – Strom, Transport und Wärme – von 13 auf 18 Prozent. Setzt sich die Entwicklung nach 2035 in der Art fort, werden so viele Klimagase freigesetzt, dass die globalen Temperaturen im Durchschnitt um 3,6 Grad steigen – weit über dem internationalen Ziel, maximal zwei Grad zu erreichen, was als gerade noch beherrschbar gilt.
Bleiben die Rahmenbedingungen dagegen wie im Jahr 2013, werden es nach dem Current Policies Scenario im Jahr 2035 nur 15 Prozent erneuerbare Energien. Nach dem optimistischen, sogenannten “450-Szenario” wächst der Anteil jedoch auf 26 Prozent, die weltweit installierte Kapazität an Windkraft würde sich verzehnfachen, die der Photovoltaik sich sogar um den Faktor 20 erhöhen.
Das 450-Szenario bezieht sich auf das internationale Ziel, die CO2-Konzentration in der Atmosphäre auf maximal 450 CO2-Moleküle pro einer Million Teilchen zu begrenzen. In dem Szenario würde die Politik die Anreize dafür setzt, das Energiesystem entsprechend umzubauen. Damit würde mit einer Wahrscheinlichkeit von 50 Prozent das Zwei-Grad-Ziel erreicht.
Dena-Chef Stephan Kohler ist vor allem angesichts der Fokussierung des IEA-Berichts auf Energieeffizienz optimistisch: „Die IEA war vor zehn Jahren auf einem Auge blind. Effizienz und erneuerbare Energien spielten fast keine Rolle. Ich sehe heute eindeutig einen Kulturwandel, der auch in den Chefetagen großer Energiekonzerne angekommen ist“, sagt er. Die Frage sei nur, ob sich darüber auch unternehmerisches Handeln ändere.
Kritik an der IEA
Auch Arnulf Jäger-Waldau stimmt der Einschätzung zu, dass erneuerbare Energien von der IEA mittlerweile deutlich wahrgenommen werden. Jäger-Waldau ist Mitglied bei der Energy Watch Group, einem Netzwerk von Wissenschaftlern und Parlamentariern, die erneuerbare Energien forcieren und fossile Energieträger für deutlich knapper halten als die IEA, außerdem forscht er an der gemeinsamen Forschungsstelle der europäischen Kommission an der Implementierung neuer Technologien für erneuerbare Energien.
„Allerdings tendiert der Outlook nach wie vor dazu, die Meinung der großen Energiekonzerne wiederzugeben. Auffällig ist, dass Großtechnologien nach wie vor als dominant angesehen werden“, kritisiert Jäger-Waldau. Nicht angedacht sei in dem Bericht ein Wechsel zu einer dezentraleren Versorgung, die durch ein verändertes Marktverhalten von Stromkunden, neuen Technologien oder neuen Geschäftsmodellen großer Firmen hervorgerufen werden könnte.
Kohler und viele andere Experten halten den World Energy Outlook für den weltweit einflussreichsten Bericht über die Zukunft der Energieversorgung. Die IEA ist eine internationale Organisation, der 28 Staaten angehören, darunter Japan, Deutschland und die USA, Schwellenländer oder Golfstaaten sind nicht dabei.
An dem Bericht wirken Vertreter von Konzernen wie BP, EDF oder Siemens mit, aber auch Banken, Firmen aus der erneuerbaren Branche und NGOs wie der WWF. Viel Kritik brachte der IEA in der Vergangenheit ein, dass sie viel zu lang an Prognosen über billiges Erdöl festgehalten hatte, das heute fünf Mal teurer ist, als von der IEA noch vor zehn Jahren vorhergesagt.
Fracking-Boom
Kohler misstraut deshalb einem zweiten Trend, den die IEA aufzeigt: Im New Policies Scenario steigt der Anteil von Erdgas am globalen Energiemix von 21 auf 24 Prozent. Die Erdgasproduktion in Kanada, Mexiko und den Vereinigten Staaten verdoppelt sich demnach bis 2035 fast.
Das sogenannte unkonventionelle Erdgas, das vor allem aus Schiefergestein, Tongestein oder Kohleflözen mit der umstrittenen Fracking-Methode gewonnen wird, wächst in dem Szenario auf einen Anteil von 70 Prozent der Produktion in diesen Ländern. „Ich vermute, dass Fracking weltweit überschätzt wird. In den USA geht die Förderung schneller zurück, als gedacht. Wie lange der Boom anhält, warten wir mal ab“, sagt Kohler.
Wichtigster “Energieträger” der Zukunft ist für die IEA die Energieeffizienz, also das Vermeiden von Energieverbrauch. „Das Potential ist noch lange nicht aufgebraucht“, schreibt die Agentur. Zwei Drittel des ökonomischen erreichbaren Potentials zur Senkung des Verbrauchs etwa in der Industrieproduktion oder für Heizenergie sind demnach noch nicht ausgeschöpft.
Damit könne bis 2035 mehr Energie eingespart werden, als der weltweite Verbrauch an Erdöl ausmacht, so die IEA. Voraussetzung dafür sei vor allem, die weltweiten Subventionen für fossile Energieträger abzuschaffen, die sich 2012 auf 544 Milliarden US-Dollar belaufen, während erneuerbare Energien gerade mal mit 100 Milliarden Dollar unterstützt werden.
Das haben viele Regierungen auch begriffen. US-Präsident Obama will den Verbrauch von Neuwagen in den USA bis 2025 halbieren. Auch China steuert um: Die Dena hat an der Entwicklung eines nun gültigen Effizienzstandard für neue Gebäude in der chinesische Provinz Hebei mitgearbeitet. „Der Standard ist sogar besser als der, den wir in Deutschland ab 2017 einführen werden“, sagt Kohler.
Weiterführende Informationen
World Energy Outlook 2013, Zusammenfassung, lange Version nicht frei verfügbar [pdf, 913 KB]
Energiestrategie der USA
DENA-Projekt Energieeffizienz in China