Die Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE) will die soziale Komponente der Nachhaltigkeit in der öffentlichen Debatte stärken. Bei ihrem Kongress am 16. Oktober beschloss die Gewerkschaft, Nachhaltigkeitsthemen stärker in Betriebsvereinbarungen und Tarifverträgen zu berücksichtigen und sich dafür einzusetzen, die Vorstandsvergütung von Aktiengesellschaften an die Erfüllung von Nachhaltigkeitsindikatoren zu koppeln.
Die IG BCE bemängelt, dass bei der Diskussion um Nachhaltigkeit die ökologische Dimension zu einseitig im Vordergrund stehe. „Wir verbinden mit dem Nachhaltigkeitsbegriff die Gleichberechtigung von Ökonomie, Sozialem und Ökologie. Zur Nachhaltigkeit gehört zwingend ökonomischer Erfolg und sozialer Fortschritt. Denn wir wollen unseren Kindern eine lebenswerte Umwelt hinterlassen, wir wollen ihnen aber auch Chancen auf eine qualifizierte Ausbildung und Gute Arbeit bieten“, sagte der Gewerkschaftsvorsitzende Michael Vassiliadis bei seiner Rede auf dem Kongress am 16. Oktober. Vassiliadis ist auch Mitglied im Rat für Nachhaltige Entwicklung (RNE).
Für die Gewerkschaft gehören zur sozialen Nachhaltigkeit auch die betriebliche Mitbestimmung und die „Kultur einer echten Sozialpartnerschaft“. Die Delegierten verabschiedeten bei dem Kongress einen Antrag des Bundesvorstands mit dem Titel „Nachhaltigkeit als strategisches Handlungsfeld der IG BCE“.
Darin heißt es: „Nachhaltigkeitsthemen sollen in Betriebsvereinbarungen, Sozialpartnervereinbarungen und Tarifverträgen verankert werden.“ Betriebsräte müssten zum Beispiel das Recht bekommen zu erfahren, wie viele Leiharbeiter und Beschäftigte mit Werkverträgen in ihren Betrieben eingesetzt werden, sagte ein IGBCE-Sprecher. Deren Einsatz solle künftig außerdem der Zustimmung der Betriebsräte bedürfen.
Aufsichtsräte sollen nach den Vorstellungen der Gewerkschaft zu „Foren der Nachhaltigkeit“ werden. „Daher soll rechtlich fixiert werden, ein Vorstandsmitglied für die Nachhaltigkeit verantwortlich und dem Aufsichtsrat rechenschaftspflichtig zu machen“, heißt es in dem Beschluss.
Zwölf Leitlinien für ein nachhaltiges Wirtschaften
Die Vergütung von Vorständen in Aktiengesellschaften will die IG BCE künftig auch von ökonomischen und sozialen Nachhaltigkeitsparametern abhängig machen. Dazu solle der Bundestag das Aktiengesetz ändern. Vorbild ist für die Gewerkschaft das Gesetz zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung, das der Bundestag kurz nach Beginn der Finanzkrise im Sommer 2009 verabschiedet hatte. Boni und variable Vergütungen für Manager von Aktiengesellschaften müssen seitdem von einem über mehrere Jahre anhaltenden Erfolg des Unternehmens abhängig gemacht werden.
Betriebsräten will die IG BCE die Möglichkeit einräumen, einen Nachhaltigkeitsausschuss einzusetzen und in diesen externe Experten einzuberufen. Wie dies konkret ausgestaltet werden könne, müsse nun die von der Gewerkschaft angestoßene Debatte zeigen, erläuterte der Sprecher. Die IG BCE will stärker für den Deutschen Nachhaltigkeitskodex werben und verweist für einzelne Wirtschaftssektoren beispielhaft auf die Branchenvereinbarung „Chemie hoch drei“. Darin hatten sich Gewerkschaft und Arbeitgeberverbände im Mai dieses Jahres auf zwölf Leitlinien für ein nachhaltiges Wirtschaften geeinigt. Dazu gehören beispielsweise Maßnahmen gegen Kinder- und Zwangsarbeit sowie Korruption.
Die IG BCE vertritt unter den Gewerkschaften einen umfassenden Begriff von Nachhaltigkeit und hat mit ihrem Mitgliederbeschluss die Diskussion um ein strategisch besonders anspruchsvolles Nachhaltigkeitskonzept eröffnet. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) und seine Mitgliedsorganisationen kümmern sich bislang um einzelne Aspekte der nachhaltigen Entwicklung. Aus Anlass der Koalitionsverhandlungen warb der DGB kürzlich für eine „Neujustierung der Verkehrspolitik hin zu mehr Nachhaltigkeit“.
„Gewerkschaften stehen zur Energiewende“
Die Bundesregierung solle deshalb die Ermäßigungen von Bahnen bei der EEG-Umlage beibehalten. Unter der Überschrift „Gewerkschaften stehen zur Energiewende“ wirbt der DGB für eine sozialverträgliche Ausgestaltung der Energiepolitik. Energieintensive Industrien, die im internationalen Wettbewerb stehen, brauchen dem Gewerkschaftsbund zufolge weiterhin Entlastungen, um Arbeitsplätze zu sichern. Gleichzeitig müsse der Umbau der Energiewirtschaft für alle bezahlbar bleiben.
Die IG Metall bietet Betriebsräten Beratung und Seminare zum Thema Ressourceneffizienz. “Den weltweiten Wettlauf um immer niedrigere Kosten können und wollen wir nicht gewinnen. Nur durch Qualität, durch Prozess- und Produktinnovationen lässt sich Beschäftigung dauerhaft sichern und das Prinzip ‘Gute Arbeit‘ durchsetzen”, erklärt Christiane Benner, geschäftsführendes IG Metall-Vorstandsmitglied, das Engagement der Metallgewerkschaft.
Die IG Bauen-Agrar-Umwelt kümmert sich um die Themen energetische Gebäudesanierung, Land- und Forstwirtschaft sowie Umwelttechnologien. Mit dem PECO-Institut betreibt die IG Bau ein eigenes Forschungsinstitut zur nachhaltigen Entwicklung im ländlichen Raum. Die regionalen Vertretungen der Gewerkschaft orientieren sich am Leitbild des „grünen Büros“ und achten beispielsweise auf Fair-Trade-Produkte oder kaufen für Protestmärsche T-Shirts aus nachhaltiger Produktion ein. In der Gebäude-Allianz setzen sich DGB, IG BCE und IG Bau für die energetische Sanierung im Gebäudebestand ein.
Weiterführende Informationen
Mitteilung der IG BCE zum Nachhaltigkeits-Beschluss
Volltext des Beschlusses „Nachhaltigkeit als strategisches Handlungsfeld der IG BCE“ [PDF, 5,7 MB, Seite 47f]
Leitlinien der Brancheninitiative „Chemie hoch 3“
Infos der IG Metall zur Ressourceneffizienz
Selbstdarstellung der IG Bau zum Thema Nachhaltigkeit [PDF, 6,6 MB]
Mitteilung des DGB zur nachhaltigen Verkehrspolitik
Mitteilung des DGB zur sozialverträglichen Ausgestaltung der Energiewende
PECO Institut für nachhaltige Regionalentwicklung
Statement der Gebäude-Allianz [PDF, 304 kB]