Wie kommt Deutschland mit seiner Nachhaltigkeitsstrategie voran? Gibt es genug neue Produkte, Lösungen und Verfahren für eine nachhaltige Entwicklung? Die Innovationen einer Volkswirtschaft gelten bisher als wichtiger Indikator für Fortschritt. Gemessen werden sie mit einen Indikator, der mittlerweile als überholt gilt. Der RNE begibt sich auf die Suche nach einer neuen Methodik.
An die Zukunft denken, Lösungen finden, Fortschritte im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung machen – wie lässt sich das messen? Das zeigt die Studie „Indikatorik von Innovationen im Kontext der deutschen Nachhaltigkeitsstrategie“, die der Rat für Nachhaltige Entwicklung in Auftrag gegeben und jetzt vorgelegt hat. Erarbeitet hat sie Professor Rainer Walz, Leiter des Competence Centers Nachhaltigkeit und Infrastruktursysteme Fraunhofer-Institut für für System- und Innovationsforschung in Karlsruhe.
In ihrer bisherigen Nachhaltigkeitsstrategie hat die Bundesregierung 21 Felder festgelegt, in denen gemessen werden soll, ob Deutschland sich für die Zukunft rüstet. Wie kommt das Land etwa beim Klimaschutz, also der Minderung von Treibhausgasen, oder bei der Beschäftigung, genauer der Erhöhung der Erwerbstätigenquote, voran? Und: Wie steht es um die Innovationsfähigkeit?
Aktuell stellt sich dabei auch die Frage, ob alle bisher verwendeten Indikatoren noch geeignet sind, um Politik entsprechend einer nachhaltigen Entwicklung zu steuern und Erfolge in der Nachhaltigkeitspolitik abzubilden. Das Wort „Innovation“ kommt aus dem Lateinischen und bedeutet Erneuerung. Unternehmer, Wissenschaftler, Institutionen, Kreative sollen also neu denken, um das Land nach vorne zu bringen und – entsprechend der Strategie – nachhaltiger zu machen.
Um den Fortschritt in dieser Hinsicht zu messen, zieht die Regierung bisher die privaten und öffentlichen Ausgaben für Forschung und Entwicklung, kurz F&E, heran. Diese sollen auf drei Prozent des Bruttoinlandproduktes bis 2020 steigen. Die Idee: Deutschland sichert sich durch neue Entwicklungen Zukunftsmärkte. Das Problem: Wer nur den F&E-Indikator heranzieht, rechnet nicht mit ein, ob die Neuerungen wirklich nachhaltig sind. Anders gesagt: Die Richtung fehlt, denn der Indikator sagt nichts über die Art der Innovationen aus.
Deutschland auf Platz 5
Verändern tut sich schließlich einiges. Nanotechnologien, Robotik, 3-D-Druck – Deutschland belegt derzeit Platz fünf unter den forschungsstärksten Staaten der Welt, hinter der Schweiz, Singapur, Finnland und Belgien. Das zeigt der aktuelle Innovationsindikator, der vom Bundesverband der Deutschen Industrie, BDI, zusammen mit der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften, Acatech, veröffentlicht wird.
Für dieses Ranking werden in insgesamt 34 Ländern neben den F&E-Ausgaben auch noch die Zahl der Patente und Publikationen ausgewertet. Zudem werden Experten befragt. Betrachtet werden alles in allem 38 einzelne Indikatoren.
Für Forscher Walz ist die Herangehensweise von BDI und Acatech nur ein Beispiel dafür, dass die F&E-Ausgaben zwar nach wie vor ein wichtiger Innovationsindikator sind, dieser „aber mit abnehmender Erklärungskraft verbunden ist“. Der Innovationsbegriff werde „mehr und mehr“ breiter gefasst, so dass „weitere Akteure und nicht-technische Innovationen an Bedeutung gewinnen“.
Bund steuert Innovation
Die Bundesregierung selbst fördert Kreativität und den Erfindergeist unter anderem mit der Milliarden Euro schweren Hightech-Strategie. Tatsächlich steuert auch sie darin die Innovationen, indem sie sechs prioritäre Zukunftsaufgaben ausmacht, die sie für „Wertschöpfung und Lebensqualität“ als besonders wichtig erachtet: „Digitale Wirtschaft und Gesellschaft“, „Nachhaltiges Wirtschaften und Energie“, Innovative Arbeitswelt“, „Gesundes Leben“, „Intelligente Mobilität“ und „Zivile Sicherheit“. Das Terrain, auf dem Wissenschaftler und Unternehmer finanziell unterstützt werden, ist damit vorgegeben.
Im Sinne der Nachhaltigkeitsstrategie hat Innovationsforscher Walz dies nun weiter gedacht. Er, der derzeit auch im Auftrag des Bundesumweltministeriums an einem Öko-Innovationsplan arbeitet, sagt: „Die Richtung der Innovationsfähigkeit hin zu einem nachhaltigen Wirtschaften gewinnt an Bedeutung“.
Er plädiert für einen „Innovationsindex“ und macht verschiedene Schritte in diese Richtung aus. Kurzfristig empfiehlt er, auf Öko-Innovationen ausgerichtete F&E- und Patentindikatoren mit heranzuziehen. Mittelfristig sollen zudem nachhaltigkeitsrelevante Aktivitäten von Unternehmen einberechnet werden. Interessant, so sagt er, könne etwa „die Zahl der Unternehmen sein, die sich zur Einhaltung des Deutschen Nachhaltigkeitskodex verpflichten oder avancierte Nachhaltigkeitsmanagementsysteme einsetzen“.
„Der Übergang zu einer Transformation ganzer Wertschöpfungsketten und Sektoren stellt die ambitionierteste Umgestaltung in Richtung Green Economy dar“, erklärt Walz. Dabei gehe es um „technische, organisatorische und soziale Innovationen“ mit denen „bestehende Pfadabhängigkeiten“ überwunden werden könnten. Wer die Fortschritte der Transformation verfolgen wolle, müsse beobachten, wie einzelne Branchen den Prozess voranbringen. So sei ein „Indikatorensystem für Transformationen hin zu einer Green Economy“ erforderlich.
Der Forscher versteht seine Vorschläge als Anregung zu einer Diskussion für eine neue Vermessung des Fortschritts – hin zu einer nachhaltigen Gesellschaft.