Der globale Luftverkehr wird wahrscheinlich bis zum Jahr 2016 nicht unter den europäischen Emissionshandel (ETS) fallen. Damit werden Airlines und Passagiere vorerst nichts dafür zahlen müssen, dass Flugzeuge Klimagase ausstoßen. Das Wuppertal-Institut spricht deshalb von einem Ende der Klimaaußenpolitik der EU. Europa sei „eingeknickt“.
EU-Kommission, EU-Parlament und der EU-Ministerrat sind sich weitestgehend einig: Flüge außerhalb der Staatengemeinschaft bleiben weiterhin vom Emissionshandel befreit. Dem haben die Unterhändler des EU-Parlaments unter Bedingungen nun zugestimmt. „Das EU-Parlament stellt für eine Zustimmung klare Forderungen, sonst platzt der Deal“, sagt der zuständige Berichterstatter im EU-Parlament, Peter Liese (CDU). Die drei Institutionen verhandeln noch bis 11. März 2014.
Liese fordert, dass die Luftfahrt bis 2020 jährlich zehn Prozent weniger CO2 emittiert als im Referenzzeitraum 2004-2006, was über eine entsprechende Reduzierung der Emissionsrechte erreicht werden soll. Bisher waren minus fünf Prozent geplant. Die Einnahmen aus dem Verkauf der Emissionsrechte sollen zudem der EU zufließen und für den Klimaschutz verwendet werden. Außerdem sollen die Airlines ab 2016 auf jeden Fall in den ETS eingebunden werden, so die dritte Forderung. Allerdings: „Sollte es bis 2016 eine internationale Einigung für eine Beteiligung des Flugverkehrs am Klimaschutz geben, wird das sicherlich nochmals geprüft“, schränkt Liese ein.
Ursprünglich hatte die EU im Jahr 2008 beschlossen, dass Airlines ab dem Jahr 2012 CO2-Zertifikate für ihre Flüge vorweisen müssen, entsprechend der Menge an Klimagasen, die sie ausstoßen. Das galt ursprünglich für alle Flüge, die in der EU, Island und Norwegen starten oder landen und zwar für die gesamte Strecke, also auch außerhalb des EU-Luftraumes. Ausgenommen waren Airlines aus etwa 70 Ländern mit niedriger Wirtschaftskraft.
Gegen diese Pläne formierte sich im Jahr 2012 eine internationale Koalition. 23 Länder, darunter die USA, China, Japan, Indien und Russland unterzeichneten eine gemeinsame Erklärung gegen das Vorhaben der EU, ihre Fluglinien den Regeln des Emissionshandels zu unterwerfen. Airbus fürchtete daraufhin einen Handelskrieg. Der Dachverband der amerikanischen Fluggesellschaften klagte vor dem Europäischen Gerichtshof, unterlag aber.
Mitgliedsländer beugen sich internationalem Druck
Die großen EU-Mitgliedsländer, allen voran Deutschland, Frankreich und Großbritannien, haben sich dem Druck trotzdem gebeugt. Bereits jetzt ist die Regelung für alle Flüge, die aus oder in die EU führen, ausgesetzt. Diese Ausnahmen sollen nun bis zum Jahr 2016 verlängert werden.
Das befürwortet auch die Bundesregierung mit Verweis auf einen Beschluss der internationalen Luftfahrorganisation ICAO vom vergangenen Jahr. Demnach soll bis zum Jahr 2016 ein internationales, marktbasiertes System entwickelt werden, das Airlines global verpflichten soll, einen Ausgleich für ihre Emissionen zu zahlen – wahrscheinlich aber nicht nach dem Prinzip des Emissionshandels. In Kraft treten soll das Abkommen erst im Jahr 2020.
Um diese geplante globale Maßnahme nicht zu gefährden, lehnt es die Bundesregierung aus „grundsätzlichen Erwägungen“ ab, internationale Flüge bereits jetzt in den Emissionshandel der EU einzubeziehen. So steht es in einer Antwort der Regierung auf eine Kleine Anfrage der Grünen im Bundestag. Damit scheint auch der Vorschlag der EU-Kommission gescheitert, Emissionsrechte wenigstens für den Teil der Strecke internationaler Flüge zu verlangen, der über EU-Territorium führt.
Weil die EU auf Druck anderer Länder den internationalen Luftverkehr weiter vom Emissionshandel ausnimmt, sieht Liese die Reputation der EU beschädigt. „Wir haben jetzt ein Glaubwürdigkeitsproblem in Sachen Klimaschutz. Das liegt aber nicht an der EU, sondern an den Mitgliedsländern.“ Liese sieht vor allem Frankreich und Großbritannien in der Verantwortung, die einseitig die Interessen von Airbus durchgesetzt hätten.
Der Luftfahrtkonzern schrieb im November 2012 in einem mittlerweile an die Öffentlichkeit gespielten Brief an die chinesische Führung: „Airbus war in den vergangenen Jahren sehr aktiv, um die Europäische Kommission und die führenden europäischen Regierungen davon zu überzeugen, dass eine einseitige Anwendung des ETS auf den internationalen Luftfahrverkehr verschoben werden sollte, bis eine weltweite Einigung über die ICAO beschlossen ist.“
„Klimaaußenpolitik komplett aufgegeben“
Hans-Jochen Luhmann vom Wuppertal-Institut übt scharfe Kritik an der Einigung zur Luftfahrt: „Die EU hat ihre Klimaaußenpolitik komplett aufgegeben“ sagt er. Das macht Luhmann nicht nur am Emissionshandel im Luftverkehr fest, sondern auch an einem parallelen Vorgang im internationalen Schiffsverkehr. Auch diesen Sektor wollte die EU ursprünglich dem Emissionshandel unterwerfen und damit Verkehr auch außerhalb ihres Territorium erfassen. Jetzt tritt 2018 lediglich ein Programm in Kraft, das Reeder verpflichtet, über ihren maritimen CO2-Ausstoß zu berichten.
Weitere Probleme sieht Luhmann im Energie- und Klimapaket 2030, das die EU-Kommission vorgeschlagen hat. Dort heißt es: „Die Kommission hält es nicht für angebracht, neue Zielvorgaben für erneuerbare Energien oder für die Treibhausgasintensität von Kraftstoffen im Verkehrssektor oder in einem sonstigen Teilsektor für die Zeit nach 2020 festzulegen.“ Damit werde, so Luhmann, der Import von Äl aus kanadischen Teersanden in die EU erleichtert. Bisher stand dem die sogenannte Kraftstoffqualitäts-Richtlinie entgegen.
Bei der Gewinnung dieses Äls werden wesentlich mehr Klimagase in die Atmosphäre emittiert, als dies bei der Förderung aus konventionellen Quellen der Fall ist. Eine Regelung in der Erneuerbare-Energien-Richtlinie gegen den Import von Biotreibstoffen aus Palmölplantagen auf ehemaligen Moorflächen werde ebenfalls geschleift. „Die EU hat damit ihren Anspruch aus dem Jahre 2009, Klimaschutz auch jenseits nationaler Grenzen, also extraterritorial, durchzusetzen, komplett aufgegeben“, bedauert Luhmann.
Weiterführende Informationen
Emissionshandel im Flugverkehr, Webseite der EU-Kommission
Kompromissvorschlag EU-Parlment
Vorschlag 2030-Ziele der Kommission
Hintergrund Peter Liese zum 2030-Papier [pdf, 99,2 KB]
Analyse von Hans-Jochen Luhmann zur EU-Klimapolitik [pdf, 120 KB]