Professionelle Anleger bekommen von Unternehmen immer noch nicht die nötigen Informationen, um die Nachhaltigkeit von Geschäften bewerten zu können. Nach einer Studie von Accenture und einer Initiative der Vereinten Nationen muss die Bilanzierung stark weiterentwickelt werden.
Pünktlich zum UN-Klimagipfel in New York kam ein kleines, aber weit beachtetes Signal aus der Finanzwelt: Die Erben des Äl-Imperiums Rockefeller kündigten an, sich in den kommenden Jahren komplett aus der Finanzierung der fossilen Energiewirtschaft zurückzuziehen. Ausgerechnet die Familie, die seit dem 19. Jahrhundert Milliarden Dollar mit Erdöl verdient hatte, will ihr Geld künftig nur noch in erneuerbare Energien investieren. Eine weltweite Kampagne – die Divestment-Bewegung – kämpft dafür, dass möglichst viele Investoren ihr Geld aus Firmen abziehen, die nicht sozial und ökologisch wirtschaften und es in nachhaltige Unternehmen umlenken. Nur in seltenen Fällen liegen die Kriterien aber so klar auf der Hand wie bei der Älindustrie.
Auch Erneuerbare-Energien-Firmen können Rohstoffe aus umweltschädigenden Bergwerken beziehen und Sozialstandards verletzen. Noch schwieriger lässt sich die Nachhaltigkeit von Automobilkonzernen, der Chemieindustrie oder der Ernährungswirtschaft ermitteln. Die Vorreiter unter den nachhaltig wirtschaftenden Unternehmen haben in den vergangenen Jahren große Anstrengungen unternommen, um über ihre Nachhaltigkeitsbemühungen Bericht zu erstatten. Sie können Investoren aber immer noch kaum plausibel machen, wie sich ihre guten Taten in bare Münze umsetzen – und das ist schließlich die wichtigste Voraussetzung dafür, dass Kapitalgeber tatsächlich in Firmen investieren, die sich als nachhaltig bezeichnen. Das zeigt eine aktuelle Befragung der Unternehmensberatung Accenture und der Initiative Principles for Responsible Investment (UN PRI) der Vereinten Nationen.
Analysten stützen sich auf eigene Umfragen
Von den befragten Managern waren 57 Prozent der Überzeugung, sie könnten im Detail erklären, welche Geschäftsmöglichkeiten ihnen Nachhaltigkeit eröffne. Von den Investoren glaubten das aber lediglich acht Prozent. Diesen Befund bestätigt die Vermögensverwaltung Allianz Global Investors GmbH. Die Nachhaltigkeitsbilanzierung sei aus ihrer Sicht immer noch in einem frühen Stadium, berichtet Bozena Jankowska, die für die Allianz von London aus die Nachhaltigkeit von Unternehmen bewertet und für Anleger passende Indikatoren entwickelt. „Wie misst man zum Beispiel die Reputation eines Unternehmens oder die Frage, ob sich Fachkräfte wegen einer ansprechenden Nachhaltigkeitsstrategie für einen Arbeitgeber entscheiden? Das ist schwierig“, sagt Jankowska.
Besonders kleine und mittlere Unternehmen verfügten oft gar nicht über die nötigen Informationen, die Investoren bräuchten, um die Risiken und Chancen hinsichtlich der Nachhaltigkeit eines Unternehmens zu bewerten. Zudem seien selbst etablierte Standards nicht auf Analysten ausgerichtet. „Viele Unternehmen verwenden die Richtlinien der Global Reporting Initiative (GRI). Aber auch die liefern nicht alle Informationen über Geschäftsmöglichkeiten, die wir benötigen“, berichtet Jankowska. Ihr Team müsse daher jedes in Frage kommende Unternehmen individuell ansprechen und beispielsweise geplante Investitionen oder laufende Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten eruieren.
Die PRI hat Anfang 2014 nach jahrelanger Entwicklungsarbeit einen neuen Bilanzierungsstandard veröffentlicht, der Investoren relevantere Informationen liefern soll, das Value Driver Model. Es soll den Teil des Umsatzes sichtbar machen, den auf Nachhaltigkeit optimierte Produkte und Dienstleistungen erwirtschaften.
Weiterführende Informationen
The Investor Study: Insights from PRI Signatories – The UN Global Compact-Accenture CEO Study on Sustainability [PDF, 1,3 MB]
Value Driver Model der UN PRI
Aktuelle G4-Richtlinien der Global Reporting Initiative (GRI)