Das war die ungewöhnlichste Sitzung in der Geschichte des Parlamentarischen Beirates für nachhaltige Entwicklung: Kinder und Jugendliche berichteten von Ihrem „süßen“ Engagement und forderten von Abgeordneten und von Staatssekretären aus Landwirtschafts- und Entwicklungsministerium: Schulbesuch statt Kinderarbeit im Kakaoanbau.
Als wär’s ein Projekt des Rates für Nachhaltige Entwicklung: Die sieben Düsseldorfer Schüler engagieren sich seit vier Jahren vorbildhaft und öffentlichkeitswirksam für „faire Schokolade“ – wie Andreas von der Arbeitsgruppe „Schokofairs“ berichtete. Bei der Sendung „Erde an Zukunft“ im Kinderkanal (KiKA) mit Moderator Felix Seibert-Daiker haben sie mitgemacht, bei der Jahreskonferenz des Nachhaltigkeitsrates fand ihr Auftritt eine große Bühne.
Jetzt saßen sie im Deutschen Bundestag in Berlin dem Parlamentarischen Beirat für nachhaltige Entwicklung (PBNE) in öffentlicher Sitzung gegenüber – und übernahmen gleich das Kommando. Der Vorsitzende des Beirats, Andreas Jung, musste scherzhaft klarstellen: „Den Laden hier leite ich – aber bei Euch ist das was anderes“ und übergab das Wort wieder den jugendlichen Gästen.
„Ich habe in Deutschland große Chancen“, sagte Andreas den Parlamentariern, er habe viele Hobbies und Möglichkeiten. Doch nicht allen Kindern auf der Welt gehe es so gut. In der Cote d‘ Ivoire, wo 90 Prozent des Kakao für Schokolade herkommen, ergänzte Niko, ebenfalls von der Schokofairs, „müssen 600.000 Kinder schuften.“
Die Missstände mündeten in konkrete Forderungen an die Parlamentarier, wie in Deutschland Verbesserungen für Lebensbedingungen in den Kakao-Anbauländern zu schaffen seinen: Öffentliche Einrichtungen sollten nur noch nachhaltig produzierte Waren, also ohne Kinderarbeit, kaufen und anbieten – ein Punkt, den Beirätin Sabine Leidig aufgriff. Sie regte einen formellen Beschluss des PBNE dazu an, der in den Bundestag eingebracht werden solle.
Vorschlag Schokoladen-TÜV
Die Lieferketten bei der Schokoladenproduktion, so die KiKA-Kinder, müssten nachvollziehbar werden, damit Händler wie Verbraucher bewusst auswählen können zwischen nachhaltig angebautem Kakao und herkömmlich produzierter Ware. Dann ließe sich gezielter verantwortlich handeln. Fraktionsübergreifende Zustimmung des PBNE, aber ohne formalen Beschluss dazu. Dass Freiwilligkeit allein seiner Meinung nach nicht ausreiche, hatte Bundesentwicklungsminister Gerd Müller den Schülern schon bei einem Termin am früheren Nachmittag gesagt, als er einen „Schokoladen-TÜV“ vorschlug.
Der PBNE solle um die parlamentarische Mehrheit mit ganz konkreten Aktionen kämpfen, sagte Moderator Seibert-Daiker: „Stellen Sie sich vor die Kantine und werben Sie bei Ihren Kollegen dafür. Wir waren auch schon vor Supermärkten.“ Dies schien dem Beiratsvorsitzenden Jung dann doch nicht das probate Mittel. Doch er sagte, dass das Gremium Tipps für ihre Parlamentskollegen für deren Arbeit im Wahlkreis erarbeite: wie das persönliche Verhalten nachhaltige Entwicklung unterstützen kann.
Aus dem Schulalltag gespeist könnte die Forderung stammen, dass Verbote und Drohungen allein nichts nutzen. „Firmen müssen auch bestraft werden, wenn sie gegen Verbote verstoßen“, sagte Frederic und regte das Einführen von Bußgeldern an. Thomas Silberhorn vom Entwicklungsministerium wandte ein, dass sich in aller Regel hinterher nicht sicher feststellen lasse, ob Kakaobohnen auch von Kindern angebaut oder geerntet worden seien. Silberhorn: „Wir vom Entwicklungsministerium sehen noch einen anderen Weg, wie Verbesserungen zu erzielen sind.
Kakao geht auch nachhaltig
Eine Reihe von Firmen, die sich im „Forum nachhaltiger Kakao“ zusammengefunden haben, haben sich verpflichtet, bis 2020 nur noch Rohstoffe aus nachhaltigem Anbau zu verarbeiten.“ Dies sei ein Ergebnis des Runden Tisches mit allen Beteiligten, den Entwicklungs- und Landwirtschaftsministerium gemeinsam initiiert und bisher auch finanziert haben.
Silberhorn sagt, sein Haus erarbeite keine Gesetzesvorschläge, sondern unterstütze konkrete Projekt: „Eines kommt 20.000 Kleinbauern und ihren Familien in der Cote d‘ Ivoire zugute.“ Was aus den Initiativen in einem Jahr geworden sei, wollen die KiKA-Kinder dann bei einem weiteren Besuch beim PBNE klären.
Die Parlamentarier des Nachhaltigkeitsbeirates dankten den Kindern und Jugendlichen für ihr Engagement, wünschten viel Erfolg auf dem weiteren Weg und verabschiedeten sie mit einem anerkennenden Applaus. Doch als nächster Auftritt steht ihre Teilnahme an der öffentlichen Veranstaltung am 24. November in Berlin an, wenn die Bundesregierung mit Kanzlerin Angela Merkel an der Spitze die „Zukunftscharta“ für die nachhaltige Entwicklung der Gesellschaft den Bürger vorstellt. Mit dabei ist dann auch der Rat für Nachhaltige Entwicklung, der seine Arbeit an einem eigenen Stand vorstellen wird.
Weiterführende Informationen
Sendung Erde an Zukunft im IKA
Zukunftscharta der Bundesregierung