Aus dem Treibhausgas CO2 lässt sich dank einer neuen Technologie Benzin herstellen. Marktfähig würde der neue Kraftstoff auf absehbare Zeit aber nur mit staatlicher Unterstützung. Nicht nur deshalb plädieren Umweltverbände zunächst für ganz andere Klimaschutzmaßnahmen.
Bisher gilt Kohlenstoffdioxid (CO2) hauptsächlich als Verursacher des Klimawandels. Künftig soll CO2 aber als Rohstoff genutzt werden und damit wichtiger Bestandteil einer Kreislaufwirtschaft werden. Das zeigen neue Forschungs- und Entwicklungsarbeiten aus dem Förderprogramm “Chemische Prozesse und stoffliche Nutzung von CO2“ der Bundesregierung. Mitte November wurde in Sachsen eine Pilotanlage zur Herstellung von Kraftstoffen und Chemikalien aus Wasser und CO2 eingeweiht.
Bei dem vom Bundesforschungsministerium geförderten Projekt SUNFIRE griff die gleichnamige Firma aus Dresden auf ein Verfahren zurück, mit dem schon in den 1920er Jahren Benzin aus Kohle hergestellt wurde: die Fischer-Tropsch-Synthese. Als Quelle für den Kohlenstoff dient bei den neuen Arbeiten allerdings keine Kohle, sondern das bei Verbrennung freiwerdende Treibhausgas CO2. Diese Methode war bisher zu ineffizient für die industrielle Anwendung. Die Projektpartner – darunter das Forschungszentrum Jülich und das Fraunhofer-Institut für Chemische Technologie (ICT) – entwickelten nun zwei Vorstufen der Synthese weiter.
In einer Elektrolyse bei Temperaturen über 800 Grad wird nun aus Wasserdampf (und nicht wie bisher üblich Wasser) reiner Wasserstoff gewonnen. Zusammen mit CO2 wird er anschließend in der sogenannten reversen Wassergas-Shift-Reaktion zu gasförmigem Kohlenmonoxid (CO) und Wasser umgewandelt. In der hergebrachten Fischer-Tropsch-Synthese kann aus dem Kohlenmonoxid schließlich eine Flüssigkeit produziert werden, die anschließend zu Benzin, Diesel und sogar Kerosin raffiniert werden kann.
Der Wirkungsgrad liegt nach Angaben der Sunfire GmbH bei 70 Prozent der eingesetzten Energie. Pro Tonne Kraftstoff würden 3,2 Tonnen CO2 gebunden. „Der große Vorteil von Power-to-Liquid-Treibstoffen ist, dass die gesamte bestehende Infrastruktur, wie Tankstellen, Leitungen und Motoren unverändert genutzt werden kann“, sagte Bundesforschungsministerin Johanna Wanka zur Einweihung. Für den neuartigen Treibstoff müssen also weder Wasserstofftankstellen noch leistungsfähige Batterien entwickelt werden wie dies entsprechend für andere alternative Antriebsarten im Automobilbereich notwendig wäre.
Der Hersteller verweist zudem darauf, dass für die Gewinnung des Kohlenstoffs nicht wie beim Anbau von Biomasse Ackerfläche genutzt werden muss, die dann der Nahrungsmittelproduktion verloren geht. Die Technologie ist allerdings noch teuer. Auch ist noch nicht erwiesen, ob sie wirklich eine vielversprechende Option für den Klimaschutz ist.
Sprit aus CO2 doppelt so teuer wie Benzin aus Erdöl
Zu den Kosten eines Liter Benzins gibt die Sunfire GmbH an, ihn „perspektivisch“ auf 1 bis 1,20 Euro drücken zu wollen. Einen Liter konventionelles Benzin produzieren Raffinieren dagegen selbst bei hohen Ölpreisen von etwa 110 US-Dollar pro Barrel für weniger als 60 Cent. Näher an der Marktreife seien bereits Verfahren, die CO2 in Vorprodukte für Kunststoffe – sogenannte Polyole – umwandeln, berichtet Thorsten Anders vom Fraunhofer ICT. Für Energiekonzerne und große Verbraucher aus der chemischen Industrie seien die Power-to-Liquid-Verfahren angesichts knapper werdender fossiler Ressourcen und der Auswirkungen des Klimawandels trotzdem interessant, um die Rohstoffbasis zu verbreitern.
Die Treibhausgasbilanz des Treibstoffs hängt im Wesentlichen davon ab, wie viel Strom für die Elektrolyse und die Synthese eingesetzt werden muss und ob er aus regenerativen Energien oder beispielsweise Kohlekraftwerken stammt. Das Öko-Institut kommt in einer Studie zu dem Schluss, dass strombasierte Flüssigkraftstoffe erst nach 2030 eine bessere CO2-Bilanz aufweisen als heutige Verbrennungsmotoren. Beim Einsatz von Wasserstoff in Brennstoffzellenfahrzeugen sei ein positiver Effekt für das Klima dagegen schon in den 2020er-Jahren zu erwarten, weil bei der Wasserstoffproduktion einige energieintensive Prozessschritte entfallen.
Gasförmiger Wasserstoff und strombasierte Flüssigkraftstoffe haben auch im Verkehrskonzept der wichtigsten deutschen Umweltverbände für 2050 noch ihren Platz. Das Öko-Institut hat im Auftrag der Verbände einen jährlichen Bedarf von 380 Petajoule für die Mitte des Jahrhunderts errechnet. Das entspricht nur noch einem Bruchteil des heutigen Energiebedarfs im Verkehrssektor.
Wichtigste Maßnahme zum Klimaschutz ist deshalb für die Umweltverbände die Reduktion des Energieverbrauchs im Transportsektor um 70 Prozent gegenüber 2005. Dabei haben die Umweltverbände aber nicht nur den Treibstoff und die damit verbundenen Emissionen im Blick: so müsse auch die Zahl der Autos deutlich reduziert werden – und zwar um die Hälfte.
Weiterführende Informationen
Pressemitteilung des Bundesforschungsministeriums zur Eröffnung der Sunfire-Anlage
Hintergrund zum Förderprojekt SUNFIRE
Förderprogramm Chemische Prozesse und stoffliche Nutzung von CO2
Studie „Strombasierte Kraftstoffe im Vergleich“ des Öko-Instituts [pdf, 614 KB]
Positionspapier „Klimafreundlicher Verkehr in Deutschland“ von WWF, BUND, Nabu und anderen[pdf, 3,2 MB]