Das Klimaabkommen von Paris werde eine „weltweite Dynamik auch für Investoren auslösen“. Damit rechnet Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD). Vermutlich komme es „rascher, als wir uns das vorstellen können“ zu einem weiteren Kapitalabzug aus Unternehmen der fossilen Energien, sagte die Ministerin in Berlin, nachdem sie aus Paris zurückgekehrt war. Dabei gehe es nicht nur um den Abzug von Investitionen, sondern um die Verlagerung von Kapital beispielsweise in die Branchen der erneuerbaren Energien.
Als Divestment wird der Verkauf von Aktien und Wertpapieren derjenigen Unternehmen bezeichnet, die klimabedingten Finanzrisiken ausgesetzt sein könnten. Den Hintergrund beschreibt das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) so: „Wenn der Anstieg der globalen Oberflächentemperatur auf zwei Grad bis zum Ende des Jahrhunderts begrenzt werden soll, dürften zwei Drittel der fossilen Ressourcen nicht verbrannt werden und müssten im Boden verbleiben.“
Geschäftsmodelle sind bedroht
Für Firmen, die Kohle, Erdgas und Erdöl fördern, ist durch die weltweiten Anstrengungen für Klimaschutz das Geschäftsmodell bedroht. Denn Regierungen könnten durch Steuern, Abgaben und andere Arten der Regulierung darauf hinwirken, dass die fossilen Bodenschätze nicht mehr gehoben und verkauft werden. Auch für Unternehmen, die aus Kohle, Gas und Öl Energie erzeugen, ändern sich die Rahmenbedingungen.
Ähnliches gilt für erdölbasierte Branchen wie die Chemieindustrie, die fossile Ressourcen beispielsweise zu Kunststoffen verarbeitet. Weil sich deren Gewinnaussichten eintrüben, überlegen in der Folge Kapitalinvestoren wie Pensionsfonds und Stiftungen, ob sie dort noch investieren. Dies könnte die Geschäftstätigkeit der fossilen Industrien zusätzlich erschweren.
Zahlreiche Experten vermuten, dass der Erfolg der Klimakonferenz den Prozess des Divestment nun beschleunigt. So sagte DIW-Forscherin Claudia Kemfert: „Nach Paris wird sich nun die Tendenz massiv verstärken, dass Investoren Kapitalanlagen in Unternehmen der fossilen Energien als langfristig nicht gewinnträchtig betrachten. Ich rechne mit einer zunehmenden Verschiebung von fossilen zu erneuerbaren Energien. Die kürzliche Ankündigung der Allianz, Anlagen im Wert von vier Milliarden Euro umzuschichten, ist ein Signal in diese Richtung.“
Hans-Joachim Schellnhuber, Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK), argumentiert ähnlich: „Im Moment kippt das System. Die Investitionen werden aus den fossilen Geschäften wie der Kohle abgezogen und in erneuerbare Energien gesteckt. Wenn ein Investor die Wahl hat, in ein neues Kohlekraftwerk zu investieren, oder in ein großes Solarkraftwerk, dann ist völlig klar, was der Investor tun wird.“
Bank of England für allmähliches Divestment
Als Aufsichtsbehörde des britischen Versicherungswesens hat die Bank of England im September 2015 eine vielbeachtete Studie vorgelegt. Sie gibt darin Hinweise für die Geschäftstätigkeit der Versicherungen vor dem Hintergrund des Klimawandels und der Klimapolitik. Beides müssten die Finanzkonzerne einkalkulieren, damit sie ihre Vermögen richtig investieren und die Leistungen zugunsten ihrer Kunden auch in einigen Jahrzehnten noch erbringen könnten. Etwa 30 Prozent des global investierten Aktien- und Wertpapierkapitals stecke heute in Unternehmen, die ihre Gewinne mit der Ausbeutung fossiler Ressourcen erwirtschaften (u.a. Bergbau, Energieerzeugung, Chemie).
Deshalb hat sich der Gouverneur der Bank of England, Mark Carney, dafür ausgesprochen, eine allmähliche Verschiebung der Anlagestrategien vorzunehmen. „Der Klimawandel bedroht die finanzielle Widerstandsfähigkeit und den langfristigen Wohlstand. Noch ist Zeit zu Handeln“, so Carney.
Einen Bericht über die Ergebnisse der weltweiten Divestment-Kampagne präsentierte die Organisation 350.org anlässlich der Klimakonferenz in Paris. Demnach haben bis Anfang Dezember 2015 über 500 Finanzinstitutionen weltweit, die zusammen mehr als 3,1 Billionen Euro (3.100 Milliarden) Anlagekapital verwalten, zugesagt, bestimmte Summen aus fossilen Energien abzuziehen.
Wieviel genau, ist allerdings nicht bekannt. Es dürfte sehr viel weniger sein als 3,1 Billionen Euro. Ein Beispiel: Die Allianz AG verfügt über eigene Investments von etwa 630 Milliarden Euro. Unlängst hat sie angekündigt, vier Milliarden aus der Kohle-Industrie abzuziehen. 350.org rechnet jedoch die gesamte Anlagesumme von 630 Milliarden Euro ein, um zu ihrer eindrucksvollen Divestment-Bilanz zu kommen.