Von Marlehn Thieme, Vorsitzende des RNE
Unter der Präsidentschaft Fidschis verhandeln die Vertragsstaaten in Bonn Einzelheiten zur Umsetzung des Pariser Klimaabkommens. Damit konkretisieren sie den Weg zur Erreichung des Ziels, die globale Erwärmung auf maximal 2°C zu reduzieren und eine Obergrenze von 1,5°C anzustreben. Um das zu schaffen, müssen die Länder jetzt auf effektive Maßnahmen setzen. Damit auch andere Länder sich bewegen, muss insbesondere Deutschland seine Emissionen drastisch senken: denn die erste Zielmarke liegt in dieser neuen Legislaturperiode.
Nächste Schritte zur Dekarbonisierung
Noch ist die Energiewende Deutschlands industriepolitisches Prestigeprojekt. Die gezielte Förderung der erneuerbaren Energien hat den Preis für Strom aus Wind- und Photovoltaikanlagen auf unter 10 Cent/kWh gesenkt und erlaubt erstmals die Anwendung regenerativer Technologien im großen Maßstab. Die erneuerbaren Energien deckten im ersten Halbjahr 2017 bereits 35 Prozent des Strombedarfs, und auch die Zustimmung der Bevölkerung zum weiteren Ausbau erneuerbarer Energien war bis zuletzt hoch. International wird die Energiewende mit Interesse, Neugier und Respekt verfolgt. Doch letztendlich wird nicht ausschlaggebend sein, welchen Anteil die erneuerbaren Energien im Stromsystem haben, sondern ob Deutschland seine Klimaziele erreicht und damit den Vereinbarungen des Pariser Klimaabkommens nachkommt.
In Anbetracht zuletzt sogar steigender Treibhausgasemissionen erscheint das Ziel, die diese bis 2020 um mindestens 40 Prozent gegenüber 1990 zu reduzieren, wie eine Herkulesaufgabe – dabei ist dies nur der erste Schritt auf dem Weg in eine weitestgehend CO2-freie Zukunft. Seit dem G7-Gipfel in Elmau ist die Dekarbonisierung das erklärte Ziel der großen Volkswirtschaften. Doch um die globale Klimaerwärmung wirklich auf 1,5°C zu begrenzen, sind erhebliche Anstrengungen notwendig, um Treibhausgasemissionen insbesondere in der Industrie, im Verkehrssektor und in der Energiewirtschaft einzusparen.
In Deutschland macht die Bereitstellung von Wärme und Strom ein Drittel der Emissionen aus, wovon etwa 85 Prozent durch die Verbrennung fossiler Energieträger entstehen. Doch obwohl die erneuerbaren Energien die bislang abgeschalteten Kernkraftwerke mehr als kompensieren und effiziente Gaskraftwerke zum schnellen Ausgleich von Schwankungen im Energiesystem bereitstehen, bleiben die Emissionen aus der Energieerzeugung auf einem hohen Niveau.
Daraus folgt die klimapolitische Notwendigkeit, jetzt die Maßnahmen zu verfolgen, die sich durch ihre Effektivität im Hinblick auf die deutschen Klimaziele und die Transformation hin zu einem treibhausgasneutralen Wirtschaftssystem auszeichnen. Der Anteil an regenerativem Strom im System bildet zusammen mit flexiblen und effizienten Gaskraftwerken eine ideale Basis, um eine ambitionierte Klimapolitik zu verfolgen und den Ausstieg aus der besonders emissionsintensiven Kohleverstromung einzuleiten.
Das ist ökologisch notwendig und darüber hinaus ökonomisch sinnvoll, weil Emissionseinsparungen in der Energieerzeugung kostengünstiger sind als in anderen Sektoren. Gleichzeitig ist ein solcher Schritt ein wichtiges Signal, um Deutschlands Glaubwürdigkeit als internationaler Vorreiter und verlässlicher Partner zu bekräftigen: im Klimaschutz, beim nachhaltigen Wirtschaften und bei der nachhaltigen Infrastrukturpolitik.
Spielraum für nachhaltige Politik erweitern
Je schneller Deutschland es schafft, signifikante Emissionsminderungen zu erzielen, desto mehr Spielraum verschafft sich die Bundesregierung und macht eine vorausschauende, gestaltende Energie- und Klimapolitik erst möglich. Bis 2030 will Deutschland den halben Weg zur Dekarbonisierung zurücklegen und seine Emissionen um 55 Prozent gegenüber dem Niveau von 1990 reduzieren. In den kommenden Jahren müssen deshalb die Weichen für eine weitergehende Transformation des Energiesystems gestellt werden.
An erster Stelle steht dabei der Strukturwandel in der Kohle und die zukünftige Finanzierung der Energiewende. Klimaschutz wird dann zum Wirtschaftsfaktor, wenn sich Investitionen in Energieeffizienz, die Flexibilisierung der Nachfrage, den weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien und nicht zuletzt in die Sektorkopplung langfristig lohnen und vor Risiken sicher sind. Die Einführung eines CO2-Preises würde effektive Lösungen zur Treibhausgasminderung in allen Sektoren stärker als bisher marktwirtschaftlich anreizen.
Auch die Verkehrspolitik muss sich stärker als bisher an der Klimapolitik orientieren und über eine Antwort auf die angesichts der Manipulationen drängenden Dieselfragen hinaus Vorstellungen entwickeln, wie der Automobilstandort Deutschland Mobilität neu erfindet. Das ist notwendig, um Beiträge zu lebenswerten Städten zu entwickeln und das Transportwesen für eine exportorientierte Wirtschaft zukunftsfähig zu machen.
Die Möglichkeiten der Digitalisierung gilt es zu nutzen, um den Industriestandort Deutschland nicht nur effizienter, sondern vor allem innovativer zu machen. Emissionsminderungen müssen durch die digitalgestützte Optimierung von Logistik, Produktion und Energieeinsatz erreicht werden, nicht durch die Abwanderung energieintensiver Betriebe in andere Länder.
Die Bundesregierung hat herausfordernde Jahre vor sich: Klimaschutz und Energiewende zeigen, wie wichtig jetzt eine konsistente und auf eine nachhaltige Entwicklung ausgerichtete Politik ist. Es ist höchste Zeit, unsere Emissionen drastisch zu senken und auf das 1,5°-Ziel zuzusteuern. Davon hängt nicht zuletzt die Zukunft des Inselstaates Fidschi ab.